Aktuelle Änderung 11.6.2010 - Vergaberecht 2010 - siehe o. Texte

Wichtig: Brandneu: Reform des gesamten Vergaberechtsin Kraft getreten! Mit der Verkündung der Vergabeverordnung 2010 im BGBl. vom 10.6.2010 (Teil I, S. 724, Nr. 30) ist die Reform abgeschlossen. Für alle nach dem 11.6.2010 begonnenen Vergabeverfahren gelten die neuen Bestimmungen der VOL/A 2009, VOB/A 2009 und VOF 2009. Sämtliche Änderungen sind Gegenstand sämtlicher Seminare. Seminarbesuche sind dringend geboten - die Teilnehmerzahl ist wie immer beschränkt.



Wichtig: Streitpunkt in der Rechtsprechung – Zurückweisung der Rüge durch Auftraggeber und Hinweispflicht auf „Rechtsbehelf" – kein Lauf der Fristen des § 107 III Nr. 4 GWB – OLG Celle (unzutreffend) gegen Vergabekammer Baden-Württemberg und OLGH Karlsruhe (zutreffend)

Wichtig: Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte wird in der Rechtsprechung immer „realer" zu Lasten der öffentlichen Auftraggeber (OLG Düsseldorf, LG Potsdam, Deutscher Anwaltverein - EUG, Urt. v. 20.5.2010 - T-258/06 - Zurückweisung der Klage Deutschlands gegen Mitteilung zum Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte )

Wichtig: Vergabeüberprüfungsverfahren trotz Anstiegs in 2009 auf 1275 Verfahren zu ca. 65 % erfolglos, Rückgang der OLG-Beschwerdeverfahren auf 199 Verfahren zu ca. 60 % erfolglos


Übersicht

  1. Aktuelles
  2. Vergaberecht – Rechtsprechung
  3. Vergaberecht – Literatur
  4. Baurecht – Rechtsprechung
  5. Baurecht – Literatur
  6. Rechtsprechung – AGB
  7. Sonstiges – Bürokratie
  8. Anhang – Entscheidungen mit EuG v. 20.5.2010

 

  1. Aktuelles

    Reform des Vergaberechts abgeschlossen - Bundeskabinett stimmte am 28.4.2010 Änderung der Vergabeverordnung zu – Presseerklärung vom 29.4.2010: Das Bundeskabinett hat gestern den Änderungswünschen des Bundesrates vom 26. März 2010 zu der vom Bundesminister für Wirtschaft und Technologie erarbeiteten Verordnung zur Anpassung der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung - VgV) sowie der Verordnung über die Vergabe von Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung (Sektorenverordnung - SektVO) zugestimmt. Die Änderungswünsche betrafen im wesentlichen formelle Änderungen. Mit der Vergabeverordnung sind die von den Vergabe- und Vertragsausschüssen novellierten Vergabe- und Vertragsordnungen für Bau-, Liefer-/Dienstleistungen sowie freiberufliche Dienstleistungen (VOB, VOL, VOF) nun endgültig verabschiedet. Sie treten mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kürze in Kraft. Die Reformaktivitäten der 16. Legislaturperiode sind abgeschlossen.

    EU-Kommission, Leitlinien für die Festsetzung der Finanzkorrekturen bei Verstößen gegen die Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe auf durch die Strukturfonds und den Kohäsionsfonds kofinanzierte Ausgaben, NZBau 2010, 297 – ec.europa.eu .

    Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte – Deutscher Anwaltsverein schlägt gesetzliche Regelung zum Rechtsschutz unterhalb der EU-Schwellenwerte vor – NZBau 2010, Heft 5, VIII – www.anwaltverein.de - Stellungnahme v. 12.4.2010 - (ab Auftragswert über 10.000 € netto, Einzelrichterentscheidung, eingeschränkter Untersuchungsgrundsatz, mündliche Verhandlung etc.) – Hinweis: der vorgesehene Mindestbetrag von 10.000 € netto für das erleichterte Nachprüfungsverfahren ist praxisfremd angesetzt – es wird darauf hingewiesen, dass bislang unterhalb der Schwellenwerte für VOF und VOL/A (derzeit 193.000 €) keine Schadensersatzklagen bekannt sind – folglich sollte nicht der Betrag von 10.000 € im Bereich der VOL/A, sondern ein Betrag von zumindest 100.000 € netto vorgesehen sein – im Baubereich sollte der Schwellenwert bei 500.000 € oder 1.000.000 € liegen – vgl. im Übrigen unten OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.1.2010 — 1-27 U 1/09 - VergabeR 2010, 531, m. Anm. v. Braun = NZBau 2010, 328 – Freizeitzentrum (s.u.). Außerdem sollte über eine Informationspflicht vor dem Zuschlag nach § 101a GWB analog in den genannten Schwellenwertbereichen nachgedacht werden. Vgl. auch u. OLG Düsseldorf und LG Potsdam zu einstweiligen Anordnungen und einstweiligen Verfügungen auf Unterlassung des Zuschlags – vgl. auch nachfolgende Meldung zu Statistik der Überprüfungsverfahren (Vergabekammern, OLGe). Die vergleichsweise niedrigen Zahlen der Verfahren vor den Vergabekammern für 2009 (1.275) und den OLGe (199) sprechen nicht für die allgemein befürchtete Flut von Überprüfungsverfahren bezüglich der EU-weiten Vergabeverfahren, die allerdings nur ca. 10 % aller Aufträge der öffentlichen Hand ausmachen. Vergl. auch EuG v. 20.5.2010 - s. u.
    .

    Rechtsschutz – Überprüfungsverfahren 2009 – nach der Statistik (vgl. § 129a GWB) des BMWI – www.bmwi.de - kam es 2009 zu 1275 Verfahren vor den Vergabekammern, von denen 472 zurückgenommen, 85 als unzulässig abgewiesen und 236 zugunsten der öffentlichen Auftraggeber sowie 206 zugunsten der Antragsteller entschieden wurden. Von den 199 Beschwerdeverfahren vor den OLGen erfolgte die Rücknahme der Beschwerde in 69 Fällen, die Zurückweisung der Beschwerde in 47 Fällen, 36 Beschwerden waren erfolgreich bzw. 9 überwiegend erfolgreich – angesichts der ca. 32 000 Vergabestellen, die eine Vielzahl von Vergabeverfahren durchzuführen haben, sind die Zahlen der Überprüfungsverfahren erstaunlich. Allerdings ist zu beachten, dass diese Überprüfungsverfahren sich lediglich auf Verfahren oberhalb der Auftragsschwellenwerte (von 193.000 bzw. 4.845.000 € (Bauaufträge) beziehen, nicht jedoch auf Vergaben mit Schwellenwerten unterhalb der genannten Schwellenwerte, die ca. 90 % aller Aufträge ausmachen. Wenn der Rechtsschutz in diesem Bereich zugunsten der Bewerber/Bieter verbessert wird, könnte bzw. dürfte sich das Bild schlagartig ändern.

  2. Vergaberecht – Entscheidungen

    EUG, Urt. v. 20. Mai 2010 – T-288/06 – Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte - Antrag Deutschlands wegen Nichtigerklärung der Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen (ABl. 2006, C179, S. 2) zurückgewiesen - auf öffentliche Aufträge anwendbare Vorschriften – Vergabe öffentlicher Aufträge, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen – gescheiterte Klage gegen die Mitteilung der Kommission zum Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte – Mitteilung der Kommission als anfechtbare Handlung, die Rechtswirkungen entfalten soll – Ergebnis: „Nach alledem enthält die Mitteilung keine neuen Regeln für die Vergabe öffentlicher Aufträge, die über die Verpflichtungen hinausgehen, die sich aus dem bestehenden Gemeinschaftsrecht ergeben. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitteilung verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, die geeignet sind, die Rechtsstellung der Bundesrepublik Deutschland und der Streithelfer zu berühren; daher ist die Klage als unzulässig abzuweisen.“ - Text der Entscheidung s. u. im Anhang< br> Hinweise: Mit dieser Entscheidung betont das Europäische Gericht, dass in der von der Bundesrepublik angegriffenen Mitteilung der Kommission lediglich die Grundsätze des EG-Vertrags "wiederholt" werden und die Mitteilung der Kommission keine neuen Verpflichtungen der Mitgliedsstaaten enthält - jedenfalls für Aufträge, die wesentliche grenzüberschreitende Bedeutung haben und auf Interesse ausländischer Bewerber stoßen könnten. Das gelte für die Leistungsbeschreibung, keine Benachteiligung der ausländischen Bieter und die Anerkennung der Diplome, Prüfzeugnisse, angemessene Fristen für Interessebekundungen etc.; wichtig erscheinen in diesem Zusammenhang die Ausführungen des EUG zur Frage der Festelllung der "grenüberschreitenden Bedeutung:"93 Hierzu ist festzustellen, dass Randnr. 30 des Urteils SECAP und Santorso (oben in Randnr. 42 angeführt) die oben in Randnr. 91 gezogene Schlussfolgerung bestätigt, dass es grundsätzlich Sache des öffentlichen Auftraggebers ist, vor der Festlegung der Bedingungen der Bekanntmachung ein etwaiges grenzüberschreitendes Interesse an einem Auftrag zu prüfen, dessen geschätzter Wert unter dem in den Gemeinschaftsvorschriften vorgesehenen Schwellenwert liegt, wobei diese Prüfung der gerichtlichen Kontrolle unterliegt.
    94 Überdies besteht kein Widerspruch zwischen der Mitteilung, insbesondere ihrem Punkt 1.3, und dem Urteil SECAP und Santorso (oben in Randnr. 42 angeführt). Die Mitteilung schließt nämlich nicht aus, dass durch eine Regelung auf nationaler oder lokaler Ebene objektive Kriterien aufgestellt werden können, die für ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse sprechen, was nach Randnr. 31 des Urteils SECAP und Santorso möglich ist. Die öffentlichen Auftraggeber, die eine solche nationale Regelung anwenden, sind gleichwohl verpflichtet, die Grundregeln des EG-Vertrags und insbesondere das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu beachten (Urteil SECAP und Santorso, Randnr. 29)" zur Frage der Binnenmarktrelevanz OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.1.2010 - 1-27 U 1/09 - VergabeR 2010, 531, m. zutreff. Anm. v. Braun (Aufgabe des Kriteriums der Binnenmarktrelevanz durch das OLG). Bevor nun weiterhin Rechtsunsicherheit besteht, sollte der Gesetzgeber sich mit den Konsequenzen der EUG-Entscheidung sowie des Urteils des OLG Düsseldorf, aaO, sowie den zahlreichen Literaturbeiträgen (vgl. die Nachw. bei Baun, aaO) befassen. Diese Unklarheiten sind mehr als misslich, wenn zudem BVerfG, Urt. v. 13.6.2006 - 1 BvR 1160/03 - VergabeR 2006, 871, und EUG sowie EuGH weiter "auseinanderdriften".

    EuGH, Urteil vom 13.04.2010, C - 91 / 08 – Toilettenanlagen etc. – Wall AG – Dienstleistungskonzession – Grundsätze für Dienstleistungskonzessionen – Transparenz - öffentlicher Auftraggeber - wesentliche Änderung – Wechsel des Subunternehmers - Art. 43 EGV, Art. 49 EGV – Leitsätze:

    1. Weisen Änderungen der Bestimmungen eines Dienstleistungskonzessionsvertrags wesentlich andere Merkmale auf als die, welche die Vergabe des ursprünglichen Konzessionsvertrags gerechtfertigt haben, und lassen damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrags erkennen, müssen alle zur Wiederherstellung der Transparenz des Verfahrens erforderlichen Maßnahmen, zu denen auch ein neues Vergabeverfahren gehört, nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts des betroffenen Mitgliedstaats gewährt werden. Gegebenenfalls muss das neue Vergabeverfahren nach Modalitäten durchgeführt werden, die den Besonderheiten der betreffenden Dienstleistungskonzession angepasst sind, und ermöglichen, dass ein im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässiges Unternehmen vor Vergabe der Konzession Zugang zu den diese betreffenden angemessenen Informationen erhält.
    2. Schließt ein konzessioniertes Unternehmen einen Vertrag über Dienstleistungen, die vom Geltungsbereich der ihm von einer Gebietskörperschaft erteilten Konzession erfasst werden, besteht die aus den Art. 43 EG und 49 EG sowie dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit fließende Transparenzpflicht nicht, sofern dieses Unternehmen - von dieser Gebietskörperschaft zum Zweck der Abfallentsorgung und Stadtreinigung gegründet wurde, aber auch auf dem Markt tätig ist, - zu 51 % dieser Gebietskörperschaft gehört, Gesellschafterbeschlüsse jedoch nur mit einer Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen seiner Gesellschafterversammlung gefasst werden können, - einen Aufsichtsrat hat, dessen Mitglieder einschließlich seines Vorsitzenden nur zu einem Viertel von dieser Gebietskörperschaft bestellt werden, und - mehr als die Hälfte seiner Umsätze aus gegenseitigen Verträgen über die Abfallentsorgung und Straßenreinigung im Gebiet dieser Körperschaft erzielt, wobei sich diese hierfür über kommunale Abgaben ihrer Bürger refinanziert.
    3. Der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, die in den Art. 43 EG und 49 EG verankert sind, sowie die daraus fließende Transparenzpflicht verpflichten nicht in allen Fällen, in denen behauptet wird, dass diese Pflicht bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen verletzt worden sei, die nationalen Behörden zur Kündigung eines Vertrags und die nationalen Gerichte zu einer Unterlassungsanordnung. Es ist Sache des innerstaatlichen Rechts, die Rechtsschutzmöglichkeiten, die den Schutz der dem Bürger aus dieser Pflicht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, so zu regeln, dass sie nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die entsprechenden innerstaatlichen Rechtsschutzmöglichkeiten und die Ausübung dieser Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Die Transparenzpflicht ergibt sich unmittelbar aus den Art. 43 EG und 49 EG, die in den innerstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten unmittelbare Wirkung haben und jeder entgegenstehenden Bestimmung der nationalen Rechtsordnungen vorgehen.

    EuGH, Urt. v. 29.04.2010, C - 160 / 08 – www.curia.de - Rettungsleistungen – keine hoheitlichen Aufgaben - Bekanntmachungspflichten nach Auftragsvergabe – Verstoß der Bundesrepublik Deutschland - Anhang IB – privilegierte Leistungen – gemischte Leistungen (medizinische und Transportleistungen) - Art. 45 EGV, Art. 55 EGV, Art. 1 Abs. 9 RL 2004/18/EG - VKR, Art. 16 RL 2004/18/EG – VKR – Leitsatz: Die Bundesrepublik Deutschland hat im Rahmen der Vergabe von Aufträgen über öffentliche Notfall- und qualifizierte Krankentransportleistungen nach dem Submissionsmodell in den Bundesländern Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 10 der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge in Verbindung mit Art. 16 dieser Richtlinie bzw., seit 1. Februar 2006, aus Art. 22 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge in Verbindung mit Art. 35 Abs. 4 dieser Richtlinie verstoßen, dass sie keine Bekanntmachungen über die Ergebnisse des Verfahrens zur Auftragsvergabe veröffentlicht hat.

    EuGH, Urt. v. 25.3.2010 — C-451/08 – VergabeR 2010, 441 = NZBau 2010, 321 - Ausschreibungspflicht von Grundstücksgeschäften nur bei wirtschaftlichem Interesse des Auftraggebers – „Helmut Müller” – Helmut Müller GmbH – Vorabentscheidungsersuchen des OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.6.2007 – VII Verg 2/07 – VergabeR 2007, 634, m. Anm. v. Amelung/Dorn – Grundstücksverkauf - städtebauliche Maßnahmen - öffentlicher Bauauftrag – Baukonzession - bereits VOLaktuell 2/3 2010

    EuGH, Urt. v. 28.1.2010 - C-406/08 – VergabeR 2010, 451 NZBau 2010, 183, m. Anm. v. Krohn – Uniplex – Rahmenvereinbarung – unbestimmte Nachprüfungsfrist - Kenntnis oder Kennenmüssen des Verstoßes - hierzu Hübner, Alexander, Das Ende der „unverzüglichen" und uneingeschränkten Rügeobliegenheit (§ 107 Abs. 3 Satz 1 Nr.1 GWB) - VergabeR 2010, 414 – bereits VOLaktuell 2/3 2010 – vgl. im Übrigen u. Vergabekammer Bund, Beschl. v. 5.3.2010 – VK 1-16/10 v. 5.3.2010 – kein Verstoß gegen Europarecht: § 107 III Nr. 1 GWB – verspätete Rüge (vier Tage nach Ablauf der Angebotsfrist nicht unverzüglich) – Rahmenvertrag – Ausschreibung – Aufhebung – weiteres V erfahren als Verhandlungsverfahren -

    EuGH, Urt. v. 28.1.2010 - C-456/08 – VergabeR 2010, 457 = NZBau 2010, 188 (Ls.) – Irland – nationale Vorschriften nicht in Einklang Richtlinien 89/665/EG (Art. 2 Abs. 1) sowie Richtlinie 93/37/EG (Art. 8 Abs. 2 ) - „so früh wie möglich und jedenfalls innerhalb von drei Monaten" – unterlassene Vorabinformation in Verhandlungsverfahren – Nachprüfungsfristen und Zwischenbescheide – Unklarheiten und Unbestimmtheit der Ausschlussfristen – bereits VOLaktuell 2/3 2010

    EuGH, Urt. v. 21.1.2010 — C-17/09 - VergabeR 2010, 465, m. Anm,. v. Losch = NZBau 2010, 326 - Ausschreibungspflicht eines Vertrags über Abfallentsorgung – „Müllverwertungsanlage Bonn– Stadt Bonn - de-facto-Vergabe – nationale Ausschlussfristen – nationales Überprüfungsverfahren (Schutz der Bewerberinteressen) und EU-Vertragsverletzungsverfahren (Beachtung des Gemeinschaftsrechts) haben unterschiedliche Ziele – Aufgreifen durch EU-Kommission auch noch 10 Jahre Vertragsschluss = Auftragsvergabe – zulässig – keine „Verwirkung" – vgl. hierzu vor allem EuGH, Urt. v. 12.12.2002 – C 470/99 – Universale-Bau - Österreich; auch EuGH, Urt. v. 15.10.2009 – C 275/08 – Kommission./. Deutschland – Kfz.Zulassung – Software - bereits VOLaktuell 2/3 2010 EuGH, Urt. v. 23. 12.2009 - C-376/08 – VergabeR 2010, 469, m. Anm. v. Pinkenburg/Volz – Serrantoni – Italien – nationaler automatischer Ausschluss von „Hauptgesellschaft" (Konsortium) und Gesellschaftern mit Strafandrohung bei Doppelbewerbung - Auftrag unter Schwellenwert (Bauleistungen: 5.278.000 €) – Geltung der fundamentalen Regeln des EG-Vertrags (Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit) bei eindeutigem grenzüberschreitendem Interesse – Unzulässigkeit des automatischen Ausschlusses im Fall der „Doppelbewerbung" von Konsortium und abgeschlossenen Gesellschaftern – abschreckende Wirkung auf Wirtschaftsteilnehmer in anderen Mitgliedsstaaten – Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (keine Möglichkeit des Nachweises der völlig unabhängig voneinander formulierter Angebot ohne Gefahr der Beeinflussung der Bieter) – Widerspruch zum Grundsatz der Beteiligung möglichst vieler Bieter an der Ausschreibung – Nichterforderlichkeit der Vorschrift zum Erreichen des Ziels: Gewährleistung von Gleichbehandlung und Transparenz – trotz des legitimen Ziels der Bekämpfung potenziell kollusiven Verhaltens eine nicht zur Zielerreichung erforderliche, sondern überschießende Maßnahme – Hinweise: Der Auftraggeber kann auch in Deutschland „Doppelbewertungen" nicht rigoros ohne Weiteres ausschließen, sondern hat im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob kollusives Verhalten etc. vorliegt. Mit Recht merken Pinkenburg/Volz an, dass die teils in Deutschland zwar nicht in nationalen Bestimmungen anzutreffenden Ausschlussautomatismen, gleichwohl aber in der Rechtsprechung enthaltenen Ergebnisse nicht zutreffend sind (vor allem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.7.2006 – VII Verg 23/06 – Geheimwettbewerb; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.9.2004 – VI-W 24/04 sowie W 25/04 - VergabeR 2005, 117). Der Verhältnismäßigkeitgrundsatz durchzieht das gesamte Vergabewesen (z. B. Übermaß an Nachweisen, Vorlage von Verpflichtungserklärungen bereits mit Angebotsabgabe bei größerer Zahl von Nachunternehmern, weitere überzogene Eignungsnachweise etc.). Auftraggeber müssen sich folglich in jedem Vergabeverfahren fragen, was in der Tat für Leistungsfähigkeit, Fachkunde und Zuverlässigkeit erforderlich ist – ganz abgesehen davon, was sie nach den §§ 12 – 15 VOL/A a. F. bzw. § 9 II – IV VOL/A 2009 in die individuellen Vertragsbedingungen aufnehmen. Wer hier überzieht, provoziert Vergabeüberprüfungsverfahren. Ebenso aber sind Oberlandesgerichte (s. o.) in Einzelentscheidungen über das Ziel hinausgeschlossen. Das ist jedenfalls auch deshalb kritisch zu betrachten, da das Verfahren nach § 122 GWB beendet ist.

    EuGH, Urt. v. 15.10.2009 - C-196/08 – VergabeR 2010, 478, m. Anm. v. Steiff/Tilse – ACOSET – Wasserversorgung Ragusa – Ausschreibung für die Auswahl eines privaten Minderheitsgesellschafters für die operativen Aufgaben etc. – Aufhebung des Vergabeverfahrens wegen vergaberechtlicher Bedenken - Abgrenzung Dienstleistungsauftrag/-konzession (Zahlung einer Gegenleistung einerseits, Vergütung für Verwertungsrecht und Übernahme des Risikos durch Auftragnehmer andererseits) – hier nach dem EuGH eine Dienstleistungskonzession (öffentliche Dienstleistung für 30 Jahre – Gegenleistung des Auftraggebers: Anspruch des Konzessionärs auf Wassergebühr von den Verbrauchern = Ausgleichzahlung für die erbrachte Dienstleistung, keine öffentliche Baukonzession – Beachtung der Grundregeln des EG-Vertrags auch bei den von der Anwendung der Richtlinien 2004/17 bzw. 2004/18/EG auch bei Dienstleistungskonzessionen (Art. 43 und Art 49 EG-Vertrag - Gleichbehandlung, Transparenz (angemessener Grad von Transparenz, Unparteilichkeit etc.) – Art. 86 EG-Vertrag (keine Fortgeltung von entgegenstehenden nationalen Bestimmungen) – keine Eingreifen der Art. 12, 43, 49 EG-„ertrag, „wenn die konzessionserteilende öffentliche Stelle über die konzessionsnehmende Einrichtung eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und zugleich diese Einrichtung ihre Tätigkeit im Wesentlichen für diese Stelle verrichtet, die ihre Anteile innehat… In einem solchen Fall ist eine Ausschreibung auch dann nicht zwingend, wenn der Vertragspartner eine vom öffentlichen Auftrageber rechtlich getrennte öffentliche Einrichtung ist…." – keine Kontrolle wie über eigene Einrichtung bei nur minderheitlicher Beteiligung – Im Einzelfall: 49 %-Beteiligung des privaten Unternehmens – aber keine Bedenken bei Ausschreibung des Auswahlverfahrens für die Suche des privaten Unternehmens als Partner (keine Doppelausschreibung: 1. Partnerauswahl – 2. Auftragsvergabe an die zu dem Zweck der Aufgabenerfüllung gegründeten Aktiengesellschaft mit dem ausgewählten Privatunternehmen) – gemischte öffentlich-private Partnerschaften sollen nicht behindert werden (aber Beibehaltung des unveränderten Gesellschaftszwecks – ohne wesentliche Änderungen, andernfalls Erforderlichkeit der Ausschreibung) – daher „freihändige Vergabe" der Konzession an die öffentlich-private Partnergesellschaft zulässig, sofern der Partner im Wege eines Ausschreibungsverfahrens ausgewählt ist. – Hinweise: Diese Entscheidung ist allgemein, aber vor allem im PPP-Bereich von erheblicher Bedeutung und zeigt die erforderliche Vorgehensweise auf. Es ist also durchaus denkbar, mit einem Partner gemeinsame Wege zu gehen, wenn die Partnerauswahl nach vergaberechtlichen Grundsätzen erfolgt. Anders ist dies natürlich dann, wenn ein gemischte Gesellschaft von öffentlicher Hand und Privatunternehmen gegründet wird. Hier reichen selbst kleinste Anteile des Privatunternehmens an der gemeinsamen Gesellschaft aus, um eine In-house-Vergabe ohne Vergabeverfahren als vergaberechtlichen Verstoß einzustufen – de-facto-Vergabe (vgl. § 101b GWB).

    EuGH, Urt. v. 23. 12. 2009 - C-305/08 – NZBau 2010, 188 - Teilnahme eines Universitätsverbunds an Vergabeverfahren – „CoNISMa” – bereits VOLaktuell 1/2010

    EuGH, Urt. v. 10. 12. 2009 - C-299/08 – – NZBau 2010,191 - Französisches Vergabeverfahren von Projektbestimmungsaufträgen wettbewerbswidrig

    KG Berlin, Beschl. v. 21. 12.2009 — 2 Verg 11/09 – VergabeR 2010, 501, m. Anm. v. Köhler – Baugrundaufbereitung – GWB §§ 1, 107 Abs. 2 und 3 GWB, § 25 VOB/A - Rüge im Nachprüfungsverfahren – Nichtvorlage geforderter Nachweise – Gewicht des Verstoßes des Bieters – Bietergemeinschaft und Absprache - Auslegung der Leistungsbeschreibung – Risikoanalyse und Prognose hinsichtlich der Nichterfüllung - Aufhebungsentscheidung und Ermessen – Überprüfung - amtl. Leitsätze: 1. Die Reinigung des Erdreichs eines Grundstücks ist jedenfalls dann eine Arbeit i. S. von § 1 VOB/A, wenn hierdurch die Bebauung des Grundstücks vorbereitet werden soll. 2. Die Nichtvorlage eines in den Verdingungsunterlagen geforderten Zertifikates durch einen Bieter kann ein anderer Bieter gemäß § 107 Abs.2 GWB im Vergabenachprüfungsverfahren beanstanden. 3. Wird in den Verdingungsunterlagen die Vorlage eines Zertifikates des Bieters gefordert, so hat eine Bietergemeinschaft für jedes einzelne ihrer Mitglieder ein aktuell gültiges Zertifikat vorzulegen. 4. Die Nichtvorlage eines in den Verdingungsunterlagen geforderten Zertifikates wird nicht dadurch geheilt, dass der zu zertifizierende Sachverhalt tatsächlich gegeben ist und die Vergabestelle sich durch eigene Nachforschung Kenntnis von diesem Sachverhalt verschafft. 5. Zur Frage der ausnahmsweisen Nichtgeltendmachbarkeit des Ausschlusses eines mangelbehafteten Angebots des Beigeladenen im Vergabenachprüfungsverfahren wegen schwerwiegenden vergaberechtlichen Mangels des Angebots des Antragstellers. 6. Angebote von Bietergemeinschaften sind gemaß §25 Nr 1 Abs 1 Buchstc) VOB/A vom Vergabeverfahren im Regelfall auszuschließen Eine Ausnahme kommt in Betracht, wenn die Mitglieder der Bietergemeinschaft zusammen einen nur unerheblichen Marktanteil haben oder wenn sie erst durch das Eingehen der Gemeinschaft in die Lage versetzt werden, ein Angebot abzugeben. 7 Bei der vergaberechtlichen Angebotswertung ist der wortlautgetreuen Auslegung des Leistungsverzeichnisses im Zweifel der Vorzug zu geben. 8 Die Prognose ausbleibender Vertragserfüllung durch den Bieter ist nicht gemäß §25 Nr. 1 VOB/A auf der ersten Stufe der Angebotswertung zu berücksichtigen, sondern gemäß §25 Nr.3 Abs.3 VOB/A auf der vierten Stufe und dort im Rahmen der Bewertung der Wirtschaftlichkeit des Angebotes. Hat die Vergabestelle sich hinsichtlich der Bewertung der Wirtschaftlichkeit der Angebote selbst eingeschränkt, indem sie in den Verdingungsunterlagen ausdrücklich als alleiniges Zuschlagskriterium den „Preis" angegeben hat, ist die Berücksichtigung der Prognose ausbleibender Vertragserfüllung bei der Angebotsbewertung ausgeschlossen. Allenfalls dann, wenn die Vertragserfüllung offensichtlich und von vornherein ausgeschlossen ist, kann ein Angebotsausschluss wegen der Abgabe eines „faktischen" Nebenangebotes gemäß §25 Nr.1 Abs.1 Buchst. d) VOB/A in Betracht zu ziehen sein. Dabei ist der negativen Vertragserfüllungsprognose der Vergabestelle kein besonderes Gewicht zuzumessen. 9. Die Aufhebung des Vergabeverfahrens nach § 26 Nr.1 Buchst. c) VOB/A ist in das Ermessen der Vergabestelle gestellt; die Ermessensausübung ist durch die Nachprüfungsinstanz nicht zu ersetzen. Allenfalls dann, wenn der Mangel des Vergabeverfahrens derart gravierend und grundsätzlich ist, dass eine Ermessensreduzierung auf null anzunehmen ist, kommt eine Aufhebung durch die Nachprüfungsinstanz bzw. auf deren Anordnung in Betracht.

    OLG Brandenburg, Beschl. v. 9. 2.2010 — Verg W 10/09 – VergabeR 2010, 516, m. Anm. v. Ortner – Sammlung, Transport und Beseitigung von Müll von 2010 – 2017 – Märkisch-Oderland – Antragsbefugnis des Drittrangigen: Unzulässigkeit des Antrags bei fehlender Darlegung der Zuschlagschance (kein Nachweis eines besseren Rangs) – zwingender Ausschluss der Beigeladenen wegen Unvollständigkeit der geforderten Eignungsnachweise (Umsatz- und Mitarbeiterzahlen und Referenzen – Berufung auf Zahlen und Referenzen des Mutterunternehmens nicht ausreichend, Nachweis der Verfügbarkeit erforderlich <Verpflichtungserklärung>) – Amtsermittlungspflicht (§ 110 GWB)

    OLG Celle, Beschl. v. 4. 3. 2010 - 13 Verg 1/10 – NZBau 2010, 333 - Elektronische Fahrscheindrucker - Ausschlussfrist nach § 107 III Nr. 4 GWB – Rechtsbehelfsfrist – Hinweispflicht in der Bekanntmachung - §§ 17 a Nr. 1 VOL/A, 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB – Leitsatz: § 107 Abs.3 Nr.4 GWB enthält eine Rechtsbehelfsfrist, auf die nach § 17 a Nr.1 VOL/A (2006) i. V. mit Ziffer VI. 4. 2 Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1564/2005 in der Veröffentlichung der Vergabebekanntmachung hinzuweisen ist. – Hinweis auf die Rechtsbehelfsfrist von 15 K-Tagen erforderlich – andernfalls kein Fristenlauf – kein Erfolg der sofortigen Beschwerde im Übrigen infolge Vorliegens zwingender Ausschlussgründe – Aufhebung – Feststellungsinteresse – Voraussetzungen – a. A. mit guten Gründen zutreffend Vergabekammer Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.03.2010, 1 VK 11/10 – Schülerbeförderung" – keine Hinweispflicht auf angeblichen „Rechtsbehelf des § 107 III Nr. 4 GWB (15-Tage-Frist) – siehe dort die kritischen Ausführungen – OLG Celle Anhang u. Nr. 3.

    OLG Celle, Beschl. v. 29. 10. 2009 - 13 Verg 8/09 – NZBau 2010,194 - Ausschreibungspflicht bei PPK-Vertragsänderung – „Hansestadt Lüneburg”

    OLG Celle, Beschl. v. 8.12.2009 — 13 Verg 11/09 – VergabeR 2010, 542 – kein Kostenfestsetzungsverfahren mehr vor der Vergabekammer (Festsetzung nur der eigenen Kosten – Gebühren und Auslagen) seit der Reform des § 128 IV S. 5 GWB – in Kraft seit dem 24.4.2009

    OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2. 12.2009 — Vll-Verg 39/09 – VergabeR 2010, 487, m. Anm. v. Horn = NZBau 2010, 333 (Ls.) – Berliner Stadtschloss – Planungswettbewerb - de-facto-Vergabe - Vorabinformation der Preisträger - Anforderungen an die Eignungsprüfung – Eigenerklärung – Subplaner – bereits VOLaktuell 2/3 2010

    OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.1.2010 — 1-27 U 1/09 - VergabeR 2010, 531, m. Anm. v. Braun = NZBau 2010, 328 - Freizeitzentrum – Auftrag im Unterschwellenbereich – VOB/A – grundsätzlich zulässiger Anspruch auf Zuschlagsunterlassung im Unterschwellenbereich nach §§ 241 II, 311 II BGB ohne den „Umweg" über § 280 BGB – „Ein Grundsatz „dulde und liquidiere" besteht im deutschen Recht bei rechtswidrigen Handlungen nicht …. Vielmehr geht das deutsche Recht grundsätzlich davon aus, dass dem Gläubiger gegenüber (drohendem) rechtswidrigem Handeln des Schuldners ein Unterlassungsanspruch zusteht, und zwar unabhängig davon, aus welchem Rechtsgrund das Handeln des Schuldners rechtswidrig ist…" Zulassung des Primärrechtsschutzes auch aus europarechtlichen Gründen (Wettbewerb, Gleichbehandlung und Transparenz – Art. 43, 49 EG-Vertrag - ohne Differenzierung nach eindeutigem grenzüberschreitenden Interesse) – zulässig auch eine einstweiligen Anordnung bis zur mündlichen Verhandlung und Entscheidung (obwohl im Verfahren nach §§ 935 ff ZPO nicht vorgesehen) – „sachgerechte Handhabung der sekundären Darlegungslast und Anforderungen an die Glaubhaftmachungslast" – allerdings Unbegründetheit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung trotz Selbstbindung an die VOB/A – Abänderung der Leistungsbeschreibung im Vergabeverfahren bei Beachtung der Transparenz und Gleichbehandlung zulässig („Es ist allein Sache des Auftraggebers, den Gegenstand des Auftrages zu bestimmen.") – Verstoß gegen Nachverhandlungsverbot hier nicht erheblich, da Nachverhandlungen auch mit dem Antragsteller erfolgt und damit Gleichbehandlung aller Bieter gegeben - Hinweise: Die Umrisse des einstweiligen Rechtsschutzes unterhalb der Schwellenwerte wird immer deutlicher. Vor allem die europarechtliche Sicht rückt stärker in das Blickfeld (vgl. EuGH, Urt. v. 23. 12.2009 - C-376/08 – VergabeR 2010, 469, m. Anm. v. Pinkenburg/Volz – s. o.). Kritisch ist der in dem Hinweis der Vergabeunterlagen anzutreffende Satz zu betrachten: „Der Auftraggeber verfährt nach der „Verdingungsordnung für Bauleistungen", Teil A „Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen" (VOB/A). Die VOB/A wird nicht Vertragsbestandteil; ein Rechtsanspruch des Bieters auf die Anwendung besteht nicht." – Sollte es sich hier um AGB handeln, so dürfte infolge Unangemessenheit nach §§ 307, 310 BGB Unwirksamkeit vorliegen; denn durch die Formulierung werden Ansprüche nach den §§ 241 II, 311 II, 280 f BGB – culpa in contrahendo – ausgeschlossen. Da es sich um „Bewerbungsbedingungen" handelt, die für eine Vielzahl von Fällen gedacht sind und einseitig gestellt werden (vgl. § 305 I BGB), ist vom AGB-Charakter auszugehen. Kritisch zur Entscheidung des OLG Düsseldorf, aaO, ist ferner anzumerken, dass der Auftraggeber zwar das beschaffen kann, was er braucht – allerdings natürlich weder vergabe-, noch haushaltsrechtlich grenzenlos. Speziell besondere Anforderungen etc. sind zu begründen (vgl. § 8 Nr. 3 VOL/A a. F. und § 7 III VOL/A n. F.). Im Übrigen sind auch Leistungsänderungen nach Ablauf der Angebotsfrist nicht grenzenlos zulässig; denn dann, wenn die Leistungsbeschreibung so verändert wird, dass ein „anderes Vergabeverfahren" anzutreffen ist, ist die Aufhebung der richtige Weg (vgl. § 26 VOL/A a. F. und § 17 VOL/A n. F.). Wahrscheinlich hätte der Vergabesenat insoweit "vorsichtiger und abgesicherter” formuliert. Wenn ein Rechtsschutz im Unterschwellenbereich freilich greifen soll, müsste aus Gründen der Transparenz im Übrigen auch eine Information, wenn auch in weniger strenger Form des § 101a GWB, vorgesehen sein – einschließlich Akteneinsicht. Andernfalls können an die Glaubhaftmachung keine großen Anforderungen gestellt werden. Aus der Entscheidung des OLG Düsseldorf, aaO, folgt im Übrigen („zwischen den Zeilen") ein starkes Unbehagen hinsichtlich der Rechtsschutzlücke vor allem bei Bauaufträgen derzeit bis zu einem Schwellenwert von 4.845.000 € netto. Hier ist es mit einem „dulde und liquidiere" nicht nur für Mittelständler (Schadensersatzanspruch: „entgangener Gewinn") nicht getan; das Ziel der Bauunternehmer ist der Auftrag für die Beschäftigung der Mitarbeiter – und nicht ein Schadensersatzanspruch. Siehe hierzu auch LG Potsdam, Beschl. v. 20. 11.2009 - 40 371/09 – VergabeR 2010, 539, m. Anm. v. Finke/Hangebrauck – Flächennutzungsplan zu Preisen unterhalb der zwingend festgelegten HOAI-Sätze –

    OLG Jena, Beschl. v. 21.9.2009 — 9 Verg 7/09 VergabeR 2010, 509 – VOB/A – Pumpwerk – Offenes Verfahren - Rechtzeitigkeit der Rüge - formelle und materielle Eignungsprüfung – Eignungsprüfung und Referenzen – Nachweis vergleichbarer Leistungen – Bekanntmachungsinhalt: alle geforderten Nachweise – allenfalls Konkretisierung in den Vergabeunterlagen – Verringerung der Nachweise möglich, nicht aber Erhöhung der anforderungen in den Vergabeunterlagen – strikte Trennung von formeller und materieller Eignungsprüfung – Folgen sich widersprechender Ausschreibungs- und Vergabeunterlagen unterlagen – Voraussetzungen von Nebenangeboten – Preisnachlass – Koppelungsangebote

    OLG Schleswig, Beschl. v. 1.4.2010 – 1 Verg 5/09 – Bereitstellung eines Verwaltungsgebäudes (PPP-Projekt) – Abschluss eines Entwicklungs- und Mietvertrages - mit Rücktrittsrecht – Ausübung des Rücktrittsrechts – Abschluss eines Mietvertrages über 25 Jahre mit Verlängerungsoption mit einem anderen Vermieter – Bekanntmachung des Auftrags im Amtsblatt – Ablauf der 30-Tagesfrist des § 101 b) II GWB – Frist ist Ausschlussfrist, keine Rechtsbehelfsfrist (Fehlen entsprechender Regeln, Entnahme der weiteren Rechtsfolgen nach Bekanntmachung dem Gesetz entnehmbar) – keine Belehrung über Ausschlussfrist erforderlich – vgl. OLG Celle, Vergabekammer Baden Württemberg, Vergabekammer Bund.

    LG Potsdam, Beschl. v. 20. 11.2009 - 40 371/09 – VergabeR 2010, 539, m. Anm. v. Finke/Hangebrauck – Flächennutzungsplan zu Preisen unterhalb der zwingend festgelegten HOAI-Sätze – Unterschwellenvergabe - einstweilige Verfügung – Darlegung und Glaubhaftmachung des Verstoßes in der Ausschreibung (keine entsprechenden Vorgaben z. B. Angabe der betroffenen HOAI-§§) – Verfügungsanspruch (§§ 241 II, 311 II, 280 BGB in Verbindung mit den entsprechenden Verdingungsordnungen oder Art. 3 GG i. V. „den sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden wesentlichen Vergabegrundsätzen…. Transparenzgebot ….") und Verfügungsgrund (Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung) – infolge Dringlichkeit Erlass ohne mündliche Verhandlung – siehe hierzu auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.1.2010 — 1-27 U 1/09 - VergabeR 2010, 531, m. Anm. v. Braun – Freizeitzentrum

    Vergabekammer Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.03.2010, 1 VK 11/10 – Schülerbeförderung" – besonders niedriger Preis – § 25 Nr. 2 III VOL/A keine bieterschützende Wirkung – ungewöhnliches Wagnis verneint – Preisvorbehalt ausreichend – Nachweise – Handelsregistereintragung (keine Eintragung in das HR und Auswirkung) – unwirtschaftlicher Preis – Unterschied zwischen Rüge und Anregung - Zurückweisung der Rüge – keine Hinweispflicht auf angeblichen „Rechtsbehelf des § 107 III Nr. 4 GWB (15-Tage-Frist) – Zurückweisung des Antrags - §§ 107 Abs. 3 Nr. 4, 107 Abs. 3 Nr. 3, 107 Abs. 3 Nr. 1, 107 II GWB, 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A – gegen OLG Celle, Beschl. v. 4.3.2010 - 13 Verg 1 / 10 – elektronischer Fahrscheindrucker - §§ 17 a Nr. 1 VOL/A, 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB – Leitsatz: § 107 Abs.3 Nr.4 GWB enthält eine Rechtsbehelfsfrist, auf die nach § 17 a Nr.1 VOL/A (2006) i. V. mit Ziffer VI. 4. 2 Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1564/2005 in der Veröffentlichung der Vergabebekanntmachung hinzuweisen ist. Leitsatz der Vergabekammer: 1. § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A entfaltet nur ausnahmsweise mitbieterschützende Wirkung. 2. Ein in der Bekanntmachung unterbliebener Hinweis oder eine Belehrung über die Frist des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB hat nicht zur Folge, dass diese Frist nicht zu laufen beginnt. - Nachprüfungsantrag größtenteils unzulässig – Statthaftigkeit – noch keine Erteilung des Zuschlags – Antragsbefugnis – Ausschluss wegen Unauskömmlichkeit keine Antragsbefugnis, da nicht mitbieterschützend – nur ausnahmsweise doch bieterschützender Charakter im Einzelfall nicht vorliegend - § 25 Nr. 2 III VOL/A grundsätzlich nicht mitbieterschützend (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.06.2002, -Verg 18/02, Beschl. v. 04.09.2002, -Verg 37/02; VK Baden-Württemberg, v. 17.01.2008, -1 VK 52/07, v. 03.08.2007, -1 VK 24/07, v. 16.11.2004, -1 VK 69/04, v. 12.11.2004, -1 VK 70/04, v. 05.01.2009, -1 VK 63/08) – s. u. Anhang – Hinweise: Die Entscheidung der Vergabekammer betrifft u. a. die Frage, ob bei der Zurückweisung einer Rüge auf die in § 107 III Nr. 4 GWB hinzuweisen ist. Das hängt davon ab, ob die Frist von 15 Kalendertagen eine „Rechtsbehelfsfrist" ist. Ferner ist entscheidungserheblich, in wo, wann und welcher Form auf die Ausschlusswirkung hinzuweisen ist. Die Vergabekammer Baden-Württemberg lehnt die Annahme einer „Rechtsbehelfsfrist" mit ausführlicher und nachvollziehbarer Begründung ab. Die Kammer führt hierzu wörtlich aus: „Die Frist des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB begann nach Auffassung der Kammer auch wirksam zu laufen. Ein unterbliebener Hinweis oder eine Belehrung über die Frist des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB hat nicht zur Folge, dass der Nachprüfungsantrag bezüglich des jeweiligen geltend gemachten Vergabeverstoßes auch nach Ablauf der Frist ohne zeitliche Begrenzung noch zulässig ist. In der Bekanntmachung vom 19.12.2009 gab die Antragsgegnerin beim Abschnitt VI ("Zusätzliche Informationen") unter Ziffer 4.1) des einheitlichen Formulars als zuständige Stelle für Nachprüfungsverfahren die Vergabekammer Baden-Württemberg nebst Anschrift, E-Mail-Adresse, Telefonnummer, Homepage und Faxnummer an. Die Ziffern 4.2) und 4.3) blieben unausgefüllt. Die Schreiben, mit denen die Antragsgegnerin den Rügen nicht abgeholfen hat (29.01.2010 und 02.02.2010), enthalten keinen Hinweis auf die Frist nach § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB. Mit der Neuregelung des § 107 Abs. 3 GWB beabsichtigte der Gesetzgeber, frühzeitig Klarheit über die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens zu schaffen (BT-Drs. 16/10117, S.22). Wenn die Frist des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB überschritten ist, ist der Nachprüfungsantrag bezüglich dieses gerügten Vergaberechtsverstoßes unzulässig. So entschied auch das OLG Karlsruhe mit Beschluss vom 08.01.2010, 15 Verg 1/10 in einem Verfahren, in dem die Bekanntmachung in den Feldern VI.4.2) und VI.4.3) ebenfalls keinen Hinweis auf § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB enthielt (so auch VK Baden-Württemberg, B. v. 04.01.2010, 1 VK 74/09)." Das OLG Celle (s.o. – Anhang 3) ist da wie folgt a. A.: „Denn mangels Hinweises auf die von den Bietern nach der Neuregelung in § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB zu wahrende Frist ist die Präklusionswirkung nach Ansicht des Senats nicht eingetreten. aaa) Nach § 17 a Nr.1 VOL/A i. V. mit Ziffer VI. 4. 2. Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1564/2005 der Kommission vom 7. September 2005 zur Einführung von Standardformularen für die Veröffentlichung von Vergabebekanntmachungen im Rahmen von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge gemäß der Richtlinie 2004/17/EG und der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 257 vom 1. Oktober 2005) ist der Auftraggeber verpflichtet, genaue Angaben zu den von den Bietern zu beachtenden Fristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen zu machen oder eine Stelle zu benennen, bei der Auskünfte über die Einlegung von Rechtsbehelfen erhältlich ist (VI. 4. 4.). bbb) Bei § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB handelt es sich nach Auffassung des Senats um eine anzugebende Rechtsbehelfsfrist. Zwar ist § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB zunächst lediglich als materielle Präklusionsvorschrift ausgestaltet, so dass bei isolierter Betrachtung ein Nachprüfungsantrag weiterhin Frist ungebunden eingereicht werden kann und allein die Geltendmachung des der Rüge zu Grunde liegenden Sachverhalts präkludiert ist. Nach der Konzeption des § 107 Abs. 3 GWB setzt aber die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens regelmäßig eine Rüge voraus, der durch den Auftraggeber nicht abgeholfen wurde, so dass die Frist zwischen Bekanntgabe der Nichtabhilfe und der Einreichung des Nachprüfungsantrags als echte Rechtsbehelfsfrist anzusehen ist (VK Bund, Beschluss vom 30. Oktober 2009 - VK 2 - 180/09, zitiert nach juris Tz. 102. VK Südbayern, Beschluss vom 5. Februar 2010 - Z33319416612/09, zitiert nach ibronline, S. 11, Summa in: jurisPKVergR 2. Aufl. § 107 Rdn. 186.32. Jaeger, NZBau 2009, 558, 562). Auf diese Frist hat die Antragsgegnerin in ihrer Bekanntmachung im Amtsblatt der EU nicht hingewiesen (vgl. Ziffer VI. 4. 2.). Auch eine Stelle, bei der Auskünfte über die Einlegung von Rechtsbehelfen erhältlich sind (Ziffer VI. 4. 4.), hat sie nicht angegeben." Die Konsequenzen der divergierenden Entscheidungen sind erheblich. Handelt es sich um eine Rechtsbehelfsfrist mit Hinweispflicht, so läuft die Ausschlussfrist der 15 Kalendertage nicht – es tritt keine Unzulässigkeit des Antrags ein. Mit Blick auf die Entscheidung vom OLG Karlsruhe (Beschl. v. 8.1.2010 - 15 Verg 1/10) hätte m. E. das OLG Celle (Beschl. v. 4. 3. 2010 - 13 Verg 1/10) die Sache dem BGH vorlegen müssen (gegebenenfalls dem EuGH?). Nicht betroffen sind auf jeden Fall die Informationspflicht und Wartefrist des § 101a GWB und eine danach erfolgte Rüge und Zurückweisung. Aber auch die vom OLG Celle, aaO, angenommene Einstufung als „Rechtsbehelfsfrist" ist m. E. unzutreffend. Zunächst heißt es in dem Bekanntmachungsformular unter VI.4.2. „bitte ….ausfüllen". Das ist zumindest missverständlich. Ferner ist zu beachten, dass zwar Hinsichtlich des Bekanntmachungsformulars unter Ziff. 24 angeführt ist: „Genaue Hinweise in Bezug auf Fristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen….". Auch verweist Art. 36 I Rili 2004/18/EG auf das Bekanntmachungsformular in Anhang VII Teil A. Allerdings enthält das reformierte GWB keine entsprechenden Hinweise, wie die Vergabekammer Baden-Württemberg, aaO, dies zutreffend bemerkt. Die Vergabekammer weist auch richtig darauf hin, dass zwischen den umgesetzten Texten der Richtlinien 2004/18/EG und 2004/17/EG und den Bekanntmachungsformularen zu unterscheiden ist. Die unvollständige oder unzutreffende Ausfüllung eines zudem unklaren Bekanntmachungsformulars kann nicht zu einer so schwerwiegenden Rechtsfolge führen, nämlich dem Nichtlauf der Frist des § 107 III Nr. 4 GWB, zumal sich diese nach dem Zuschlag zumindest noch in dem Feststellungsverfahren und der Kostenentscheidung auswirkt – ferner im Rahmen einer Schadensersatzklage vor den Zivilgerichten. Wie in mancher anderen Rechtsfrage z. B. das OLG Düsseldorf schießt das OLG Celle, aaO, über das hinaus, was im Interesse der Transparenz und Rechtssicherheit geboten ist. Ganz nebenbei ist anzumerken, dass das Fehlen der entsprechenden Angaben aus der Bekanntmachung ersichtlich ist. Es hätte folglich eine entsprechende Rüge erfolgen müssen (vgl. § 107 III Nr. 2 GWB). Da eine entsprechende Rüge in den entschiedenen Fällen nicht erfolgte, konnte der Auftraggeber auch davon ausgehen, dass diese Frage für den jeweiligen Bieter nicht relevant ist, weil er z. B. über die Rechtslage informiert ist – als sachkundiger Bewerber bzw. Bieter. Vergabekammer Baden-Württemberg u. Anhang Nr. 4.

    Vergabekammer Bund, Beschl. v. 5.3.2010 – VK 1-16/10 v. 5.3.2010 – kein Verstoß gegen Europarecht: § 107 III Nr. 1 GWB – verspätete Rüge (vier Tage nach Ablauf der Angebotsfrist nicht unverzüglich) – Rahmenvertrag – Ausschreibung – Aufhebung – weiteres V erfahren als Verhandlungsverfahren – vgl. hierzu Vergabekammer Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.03.2010, 1 VK 11/10 – Schülerbeförderung" (s. o.) sowie OLG Celle, Beschl. v. 4.3.2010 - 13 Verg 1 / 10 – elektronischer Fahrscheindrucker – auch EuGH, Urt. v. 28.1.2010 - C-406/08 – VergabeR 2010, 451 NZBau 2010, 183, m. Anm. v. Krohn – Uniplex – Rahmenvereinbarung – unbestimmte Nachprüfungsfrist - Kenntnis oder Kennenmüssen des Verstoßes - hierzu Hübner, Alexander, Das Ende der „unverzüglichen" und uneingeschränkten Rügeobliegenheit (§ 107 Abs. 3 Satz 1 Nr.1 GWB) - VergabeR 2010, 414 – bereits VOLaktuell 2/3 2010.

  3. Vergaberecht – Literatur

    Wegener, Bernhard W., Umweltschutz in der öffentlichen Auftragsvergabe, NZBAU 2010, 273

    Braun, Christian, Rückforderungen von europäischen Zuwendungen bei Vergaberechtsverstößen NZBau 2010, 279

    Maier,Frank/Tetzlaff, Thilo, Modifizierung der Generalunternehmerhaftung nach § 28e SGB IV - Beauftragung von präqualifizierten Nachunternehmern und das Präqualifizierungsverfahren nach VOB/A 2009, NZBau 2010, 283

    Knütel, Christian/Rieger, Alexander, Pönalen wegen Verzugs oder Minderleistungen in Individualvereinbarungen und AGB - Risiken der Unwirksamkeit und ihre Vermeidung, NZBau 2010, 285

    Schmid, Michael J., Baustopp durch einstweilige Verfügung im Wohnungseigentumsverfahren, NZBau 2010, 290

    Gartz, Benjamin, Das Ende der „Ahlhorn”-Rechtsprechung, NZBau 2010, 293

    Braun, Peter/Petersen, Zsòfia, Präqualifikation und Prüfungssysteme, VergabeR 2010, 433

    Burbulla, Rainer, Die Beteiligung von Objektgesellschaften an Vergabeverfahren, NZBau 2010, 145

    Burgi, Martin, Streitbeilegung unterhalb der Schwellenwerte durch „Vergabeschlichtungsstellen": Ein Vorschlag zur aktuellen Reformdiskussion, VergabeR 2010, 403

    Friedrich Ludwig Hausmann, Friedrich Ludwig/ Mutschier-Siebert, Annette, Nicht mehr als eine Klarstellung - lnterkommunale Kooperationen nach dem EuGH-Urteil Stadtreinigung Hamburg, VergabeR 2010, 427

    Fürmann, Jochen, Zur Zulässigkeit von Anforderungsfristen und der praxisgerechten Auslegung des § 107Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3GWB, VergabeR 2010, 420

    Hübner, Alexander, Das Ende der „unverzüglichen" und uneingeschränkten Rügeobliegenheit (§ 107 Abs. 3 Satz 1 Nr.1 GWB) — (zugleich Anmerkung zu EuGH, Urteile vom 28.1.2010 - Rs. C-406/08 — Uniplex und — Rs. C-456108 — Kommission/Irland), VergabeR 2010, 414

    Jennert, Carsten, Staat oder Markt: Interkommunale Zusammenarbeit im Spiegel des EG-Vergaberechts, NZBau 2010, 150

    Peters, Frank, Die behindernde Wirkung eines Nachprüfungsverfahrens, NZBau 2010, 156

  4. Baurecht – Entscheidungen

    BGH, 26. 11. 2009 - III ZR 116/09: – NZBau 2010, 171 - Gegenstandswert bei Entschädigung für Behinderung der baulichen Nutzung eines Grundstücks

    BGH, Beschl. v. 18.2.2010 - Xa ARZ 14/10 – NZBau 2010, 313 - nachträgliche Gerichtsstandsvereinbarung im selbstständigen Beweisverfahren – keine Auswirkung einer nachträglichen anderweitigen Gerichtsstandsvereinbarung – Bindung des Gerichts an Verweisung - §§ 261 II Nr. 2, 281 II S. 4, 485 ZPO

    BGH, Urt. v. 11. 2. 2010 - VII ZR 153/08 – NZBau 2010, 312 – Baumängel und mangelhafte Bauobjektüberwachung - Aufrechnung mit materiell-rechtlichem Kostenerstattungsanspruch nach selbstständigem Beweisverfahren - §§ 387 BGB, 485 ZPO

    BGH, Urt. v. 11. 2. 2010 - VII ZR 218/08 – NZBau 2010, 320 – Wahrung der Schriftform bei Honorarvereinbarung für örtliche Bauüberwachung nach alter HOAI 1996 - §§ 126 BGB

    BGH, Urt. v. 12. 11. 2009 - VII ZR 233/08 – NZBau 2010,165 - Anrechnung einer Eigenheimzulage im Wege der Vorteilsausgleichung

    BGH, Urt. v. 14. 1. 2010 - VII ZR 106/08 – NZBau 2010, 307 - Vergütung des Nachunternehmers bei direkter Leistung an Auftraggeber des Hauptunternehmers §§ 275, 326, 441 III, 631 BGB – Leitsätze. 1. Erbringt ein Nachunternehmer noch ausstehende Teile seiner dem Hauptunternehmer geschuldeten Leistung auf Grund eines gesonderten Vertrags direkt für dessen Auftraggeber, wird ihm diese Leistungserbringung gegenüber dem Hauptunternehmer regelmäßig unmöglich (im Anschluss an BGH, NZBau 2007, 703 = NJW 2007, 3488 = ZfBR 2008, 35 = BauR 2007, 2061). 2. Der Vergütungsanspruch des Nachunternehmers gegen den Hauptunternehmer ist in diesem Fall entsprechend § 441 III BGB in gleicher Weise zu berechnen wie der Anspruch auf Vergütung aus einem gekündigten Werkvertrag.

    BGH, Urt. v. 15. 12. 2009 - XI ZR 107/08 - NZBau 2010, 167 - Sicherung von Nachträgen durch Bürgschaft für Werklohnforderung

    BGH, Urt. v. 17. 12. 2009 - VII ZR 172/08 – NZBau 2010, 309 – Verlegung eines Leerrohrs und Bauleitung - Erstreckung eines Haftungsausschlusses auf einen vom Bauunternehmer beauftragten Bauleiter - §§ 133, 157 BGB, 67 VVG a. F.

    BGH, Urt. v. 24. 11. 2009 - VII ZR 31/09 - NZBau 2010, 166 - Zweitinstanzliches Bestreiten zur Werklohnermittlung

    BGH, Urt. v. 25. 2. 2010 - VII ZR 64/09 – NZBau 2010, 318 – Tragwerksplanung - Konkludente Abnahme einer Architektenleistung – Rechtsverlust durch unterlassene Mängelrüge - §§ 640 a. F. BGB

    BGH, Urt. v. 29. 10. 2009 - V ZR 54/09 – – NZBau 2010, 170 - Verjährung des Bereicherungsanspruchs bei Verstoß gegen Koppelungsverbot nach § 11 II 2 BauGB –

    KG, Urt. v. 14. 4. 2009 - 21 U 10/07 – NZBau 2010, 176 - Auftraggebermitverschulden bei zu geringer lichter Höhe – Brückenneubau (Ls.)

    OLG Dresden, Beschl. v. 16. 6. 2009 - 3 AR 46/09 – NZBau 2010, 176 - Bindungswirkung der Verweisung des angerufenen Gerichts an das Wohnsitzgericht des Beklagten

    OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.7.2009 - 5 U 170/08 – NZBau 2010,177 - Haftung des Architekten wegen Bausummenüberschreitung

    OLG Hamburg, 18. 3. 2009 - 14 W 24/09 – – NZBau 2010, 182 - Anspruch auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek erst ab Beginn der Bauarbeiten

    OLG Koblenz, 29. 4. 2009 - 1 U 1148/08 – NZBau 2010, 174 - Anscheinsvollmacht des Bauleiters einer Fremdfirma

    OLG Schleswig, Beschl. v. 12. 8. 2009 - 2 W 98/09 – NZBau 2010, 315 - Sachliche Zuständigkeit im selbstständigen Beweisverfahren - §§ 36 I Nr. 6, 281, 485, 486, 506 ZPO

    OLG Stuttgart, 27. 10. 2009 - 12 U 76/09 – NZBau 2010, 172 - Prüfpflichten des Herstellers von Baumaterialien bei Produktempfehlung für ein konkretes Bauvorhaben

    OLG Stuttgart, Beschl. v. 19. 5. 2009 - 10 W 23/09 – NZBau 2010, 317 - Verletzung rechtlichen Gehörs im selbstständigen Beweisverfahren – Art. 103 I GG, §§ 485, 492 I, 411 IV ZPO

  5. Baurecht – Literatur

    Dziallas, Olaf, Keine gebietsbezogenen Verkaufsflächenbeschränkungen bei Festsetzung eines „Factory Outlet Centers”, NZBau 2010, 163

    Dziallas, Olaf, Verhinderungsplanung nicht gleich „Negativplanung” , NZBau 2010, 164

    Lembcke, Moritz, Keine Haftung des § 648a BGB-Bürgen für Nachträge nach § 1 Nrn. 3, 4 S. 1, 2 VOB/B? NZBau 2010, 158

    Motzke, Gerd, Zusatzhonorare und Honoraränderungen – Überlegungen zu einem Honorar-Nachtragsmanagement des Architekten, NZBau 2010, 137

    Roquette/Viernig/Leupertz, Handbuch Bauzeit, 2010, Werner-Verlag (NZBau 2010, 303 – Besprechung von Acker, Wendelin)

    Scholtissek, Friedrich-Karl, HOAI 2009. Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, 2009, Beck-Verlag (NZBau 2010, 302 - Besprechung Averhaus, Ralf)

    Schröer, Thomas, Neues zum Schutzgut Kinderlärm, NZBAU 2010, 303,

    Schröer, Thomas, Zur Stellplatzablösepflicht bei Ersatzbauten, NZBau 2010, 161

    Schwenker/Kleineke/Rodemann, Die Vergütung von Bauleistungen, 2009, Beck-Verlag (NZBAU 2010, 302 - Besprechung von Althaus, Stefan)

    Seidler, Anne-Carolin, Abwehrrechte gegen behördliche Duldung einer rechtswidrigen Umnutzung des Nachbargrundstücks, NZBAU 2010, 305

    Seidler, Anne-Carolin, Straßenrechtliche Erlaubnis einer Zweitzufahrt zu Privatgrundstück, NZBAU 2010, 306

    Seidler, Anne-Carolin, Zulässigkeit eines islamischen Gebetshauses im allgemeinen Wohngebiet, NZBau 2010, 163

  6. AGB-Rechtsprechung

    BGH, Urt. v. 13.1.2010 - VIII ZR 48/09 – NJW 2010, 674 – Schönheitsreparaturen – Parkettversiegelung – Unangemessenheit – keine geltungserhaltende Reduktion, sondern Gesamtnichtigkeit der Klausel - § 307 Abs. 1, II, § 28 Abs. 4 BV – Leitsätze: a) Der Außenanstrich von Türen und Fenstern sowie das Abziehen und Wiederherstellen einer Parkettversiegelung sind keine Schönheitsreparaturmaßnahmen im Sinne von § 28 Abs. 4 Satz 3 II. BV. b) Die Verpflichtung des Mieters zur Vornahme von Schönheitsreparaturen stellt eine einheitliche Rechtspflicht dar. Ist diese Pflicht formularvertraglich so ausgestaltet, dass sie hinsichtlich der zeitlichen Modalitäten, der Ausführungsart oder des gegenständlichen Umfangs der Schönheitsreparaturen den Mieter übermäßig belastet, so ist die Klausel nicht nur insoweit, sondern insgesamt wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (Bestätigung von BGH, Urteil vom 18. Februar 2009 - VIII ZR 210/08, WuM 2009, 286). – Anhang 1

    BGH, Urt. v. 9.12.2009 - XII ZR 109/08 – NJW 2010, 671 – Geschäftsraummiete - AGB: Kosten der Hausverwaltung – Klausel Nr. 17 als sonstige Kosten unter anderem die "Kosten der kaufmännischen und technischen Hausverwaltung". - Umlage in AGB – keine Unwirksamkeit – keine überraschende Klausel – kein Verstoß gegen das Transparenzgebot - §§ 305c, 307, 535, 556 BGB, § 1 BetrKV – Leitsatz: Die Umlage von "Kosten der kaufmännischen und technischen Hausverwaltung" in allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Mietvertrages über Geschäftsräume ist weder überraschend im Sinne von § 305 c BGB, noch verstößt sie gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass die Vorauszahlungen im Einzelfall deutlich niedriger festgelegt wurden als die später abgerechneten Kosten und die Klausel keine Bezifferung oder höhenmäßige Begrenzung der Verwaltungskosten enthält. – Anhang 2

  7. a name="7">Sonstiges

    Knospe, Armin, Mehr Bürokratie wagen!, ZRP 2010, 43 – diesen Beitrag eines „Herrschers einer Amtsstube in einer obersten Bundesbehörde" (schreibt er incognito?) gibt zu denken; denn nicht die Exekutive ist es, die Bürokratie veranlasst, sondern die Legislative und Rechtsprechung. Die Exekutive hat nachvollziehbar auszuführen – oder? Der Verfasser wendet sich mit Recht vor allem gegen folgenden Punkt: „Mag der Gegensatz zwischen Volk und Staat heute auch wesentlich geringer sein als 1949, entwickelt ein durchschnittlicher Verwaltungsjurist tüchtigen Ärger bei der Feststellung, dass der gesammelte Unmut des Volkes über staatliches Handeln sich mittlerweile einzig an der Herrschaft der Amtsstuben, also der Bureaucratie in dieser französisch-altgriechischen Sprachneubildung reibt, sammelt und entlädt." Der Vorwurf der Bürokratie – jedenfalls nur an die vollziehende Gewalt (vgl. Art. 20 II GG) wird von Knospe mit Recht angeprangert. Was soll diese vollziehende Gewalt denn gegen die Eurobürokratie, deren Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber etc. oder die Rechtsprechung denn unternehmen? Wir wissen genau, welche folgen es hat, wenn Vorschriften – auch bürokratischen Vorschriften – durch die Verwaltung nicht gefolgt wird. An sich vielleicht Selbstverständliches, was der Verfasser Knospe ausführt! Richtig ist auch der Satz: „Der Verfasser behauptet die kühne These, dass kein Teil der dreigliedrigen Staatsgewalt derart kontrolliert wird wie die Exekutive." – Recht hat er! Auch im Vergaberecht baden die Beschaffungsstellen das aus, was ihnen die europäische und nationale Politik sowie die Rechtsprechung zuweist.

Anhang

  1. BGH, Urt. v. 13.1.2010 - VIII ZR 48/09 – NJW 2010, 674 – Schönheitsreparaturen – Parkettversiegelung – Unangemessenheit – keine geltungserhaltende Reduktion, sondern Gesamtnichtigkeit der Klausel - § 307 Abs. 1, II, § 28 Abs. 4 BV – Leitsätze: a) Der Außenanstrich von Türen und Fenstern sowie das Abziehen und Wiederherstellen einer Parkettversiegelung sind keine Schönheitsreparaturmaßnahmen im Sinne von § 28 Abs. 4 Satz 3 II. BV. b) Die Verpflichtung des Mieters zur Vornahme von Schönheitsreparaturen stellt eine einheitliche Rechtspflicht dar. Ist diese Pflicht formularvertraglich so ausgestaltet, dass sie hinsichtlich der zeitlichen Modalitäten, der Ausführungsart oder des gegenständlichen Umfangs der Schönheitsreparaturen den Mieter übermäßig belastet, so ist die Klausel nicht nur insoweit, sondern insgesamt wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (Bestätigung von BGH, Urteil vom 18. Februar 2009 - VIII ZR 210/08, WuM 2009, 286). – „….Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Regelung in § 13 Nr. 1 des Mietvertrages, wonach der Mieter im Rahmen der ihm nach § 4 Nr. 9 des Mietvertrages auferlegten Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen auch das Abziehen und die Wiederherstellung der Versiegelung von Parkett sowie das Streichen der Türen und der Fenster schuldet, den Mieter insoweit unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB) benachteiligt und deshalb unwirksam ist…. Dementsprechend ist eine formularvertragliche Erweiterung dieser Arbeiten über den in § 28 Abs. 4 Satz 3 II. BV beschriebenen Inhalt hinaus - zumindest bei Fehlen einer angemessenen Kompensationsregelung - wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (vgl. Senatsurteil vom 18. Februar 2009, aaO, Tz. 11 m.w.N.)…….. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils für eine gleichlautende Formularklausel klargestellt hat, darf die in § 4 Nr. 9 i.V.m. § 13 Nr. 1 des Mietvertrages unzulässig ausgestaltete Verpflichtung des Mieters zur Vornahme von Schönheitsreparaturen nicht im Wege der Klauselkontrolle in eine zulässige Verpflichtung inhaltlich umgestaltet werden (Senatsurteil vom 18. Februar 2009, aaO, Tz. 12). Zwar kann im Rahmen einer Klauselkontrolle eine Formularklausel, die mehrere sachliche, nur formal verbundene Regelungen enthält und sich aus ihrem Wortlaut heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich und gegenständlich zulässigen und in einen unzulässigen Regelungsteil trennen lässt, mit ihrem zulässigen Teil aufrechterhalten werden (BGHZ 145, 203, 212; BAG, NZA 2008, 699, 701). Diese Teilbarkeit ist hier aber nicht gegeben, so dass die vom Berufungsgericht vorgenommene Streichung derjenigen Textbestandteile in § 13 Nr. 1 des Mietvertrages, mit denen die Klausel den in § 28 Abs. 4 Satz 5 II. BV aF geregelten Gegenstandsbereich von Schönheitsreparaturen überschreitet, der Sache nach eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion der Formularklausel darstellt. 14 Konkretisierungen der Schönheitsreparaturverpflichtung hinsichtlich ihres gegenständlichen und zeitlichen Umfangs sowie ihrer Ausführungsart sind inhaltlich derart eng mit der Verpflichtung selbst verknüpft, dass diese bei einer Beschränkung der Unwirksamkeit auf die unzulässige Ausführungsmodalität inhaltlich umgestaltet und mit einem anderen Inhalt aufrechterhalten würde. Bei einer dem Mieter auferlegten Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen handelt es sich um eine einheitliche Rechtspflicht, die sich nicht in Einzelmaßnahmen oder Einzelaspekte aufspalten lässt; deren Ausgestaltung durch den Mietvertrag ist vielmehr insgesamt zu bewerten. Stellt sich diese Verpflichtung aufgrund unzulässiger Ausgestaltung - sei es hinsichtlich der zeitlichen Modalitäten, der Ausführungsart oder des gegenständlichen Umfangs - in ihrer Gesamtheit als übermäßig dar, hat dies die Unwirksamkeit der Vornahmeklausel insgesamt zur Folge, und zwar unabhängig davon, ob die Verpflichtung als solche und ihre unzulässige inhaltliche Ausgestaltung in einer oder - wie hier - in zwei sprachlich voneinander unabhängigen Klauseln enthalten sind (Senatsurteil vom 18. Februar 2009, aaO, Tz. 14 f. m.w.N.; ferner Senatsurteile 18. Juni 2008 - VIII ZR 224/07, WuM 2008, 472, Tz. 20; vom 23. September 2009 - VIII ZR 344/08, WuM 2009, 655, Tz. 10).
  2. BGH, Urt. v. 9.12.2009 - XII ZR 109/08 – NJW 2010, 671 – Geschäftsraummiete - AGB: Kosten der Hausverwaltung – Klausel Nr. 17 als sonstige Kosten unter anderem die "Kosten der kaufmännischen und technischen Hausverwaltung". - Umlage in AGB – keine Unwirksamkeit – keine überraschende Klausel – kein Verstoß gegen das Transparenzgebot - §§ 305c, 307, 535, 556 BGB, § 1 BetrKV – Leitsatz: Die Umlage von "Kosten der kaufmännischen und technischen Hausverwaltung" in allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Mietvertrages über Geschäftsräume ist weder überraschend im Sinne von § 305 c BGB, noch verstößt sie gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass die Vorauszahlungen im Einzelfall deutlich niedriger festgelegt wurden als die später abgerechneten Kosten und die Klausel keine Bezifferung oder höhenmäßige Begrenzung der Verwaltungskosten enthält. – „8 In der Sache hält das Berufungsurteil im Ergebnis einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klausel zur Umlegung der Verwaltungskosten ist entgegen dem Berufungsgericht nicht überraschend im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB und benachteiligt die Beklagte als Mieterin auch nicht unangemessen (§ 307 BGB). 9 1. Die Einbeziehung der Klausel in den Mietvertrag scheitert nicht nach § 305 c Abs. 1 BGB. Denn die Umlegung von Verwaltungskosten auf den gewerblichen Mieter ist nicht so ungewöhnlich, dass die Beklagte als Vertragspartnerin damit nicht zu rechnen brauchte. Etwas anderes ergibt sich weder aus der Art der Kosten noch aus den sonstigen Umständen. …… nicht ungewöhnlich …… Auch aus der konkreten Höhe der tatsächlich angefallenen und abgerechneten Kosten ergibt sich noch nicht ohne weiteres, dass die Klausel überraschend ist. 11 Die Frage der Einbeziehung der Klausel gemäß § 305 c BGB ist aufgrund des Vertragsinhalts zu beurteilen. Dass die Bewertung der Klausel nicht von der Höhe der Kosten im Einzelfall und deren Verhältnis zu anderen Positionen abhängen kann (so zutreffend OLG Köln - 1. Zivilsenat - NZM 2008, 366, 367), zeigt sich schon daran, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht feststehen muss, welche Kosten entstehen werden. Die Beklagte ist insoweit als Mieterin vor überhöhten Forderungen durch das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot geschützt, das den Vermieter etwa dazu verpflichtet, den Mieter von der Umlegung nicht erforderlicher Kosten freizustellen (vgl. Schmid Handbuch der Mietnebenkosten 11. Aufl. Rdn. 1053 ff., 1077 m.w.N.; GuT 2008, 195). 12 Die Klausel ist demnach nur überraschend im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB, wenn sie einen - ggf. durch Auslegung zu ermittelnden - Inhalt hat, mit dem der Vertragspartner des Verwenders nicht zu rechnen brauchte. Das Berufungsgericht ist hier zutreffend von dem Verständnis der Klausel ausgegangen, dass die Klägerin als Vermieterin die Verwaltungskosten im Rahmen des Ortsüblichen und Notwendigen umlegen kann. Daraus ergibt sich aber gleichzeitig, dass die Kosten auch nicht zu einem Überraschungseffekt führen können. Wenn sie sich im Rahmen des Ortsüblichen halten, konnten sie von der Beklagten als gewerblicher Mieterin wenigstens im Groben abgeschätzt werden (vgl. Senatsurteil vom 6. April 2005 - XII ZR 158/01 - NZM 2005, 863, zum Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB; OLG Köln NZM 2008, 366, 367). …… 14 b) Die Diskrepanz der Verwaltungskosten zu den monatlichen Vorauszahlungen lässt die Klausel nicht als überraschend im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB erscheinen. Zwar betragen die Vorauszahlungen auf die Betriebskosten ohne Heizkosten nach dem Mietvertrag nur 1.000 DM (ohne Umsatzsteuer), während diese Betriebskosten im Jahr 2003 insgesamt 14.353,19 € und im Jahr 2004 9.843,74 € betrugen und die Verwaltungskosten den weitaus größten Anteil ausmachen (in 2004 mehr als die Hälfte der Betriebskosten ohne Heizkosten). Auch daraus folgt aber noch nicht, dass die Klausel zur Umlage der Verwaltungskosten überraschend ist. Denn die Beklagte durfte nicht ohne weiteres darauf vertrauen, dass sich die Kosten im Rahmen der Vorauszahlungen halten würden….. 15 Ob die Kostenumlegung durch Individualvertrag oder formularvertraglich vereinbart worden ist, macht hier keinen entscheidenden Unterschied. Denn ein Vertrauenstatbestand könnte sich insoweit nur aus der - individualvertraglich vereinbarten - Höhe der Vorauszahlungen ergeben. …..16 c) Ein Überraschungseffekt ergibt sich auch nicht aus der Stellung der Klausel über die Verwaltungskosten im Rahmen der allgemeinen Geschäftsbedingungen. Durch die Platzierung der Klausel in Nr. 17 wird entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, die insoweit revisionsrechtlich überprüfbar ist (vgl. Musielak/Ball ZPO 6. Aufl. § 557 Rdn. 17), auch im Zusammenhang mit der fehlenden Bezifferung der Kosten nicht der Eindruck erweckt, dass es sich um eine vergleichsweise unbedeutende Position handele. Die einzelnen Kostenpositionen der Liste stehen vielmehr gleichrangig nebeneinander. Es gibt - auch aus der Sicht des Vertragspartners - keinen Grund für die Annahme, dass die Kostenpositionen mit fortlaufender Nummerierung weniger bedeutsam sind. Im Übrigen stehen die Verwaltungskosten auch innerhalb der Klausel gut sichtbar an erster Stelle. 17 Aus der Stellung der Klausel könnte sich ein Überraschungseffekt vielmehr nur dann ergeben, wenn diese in einem systematischen Zusammenhang stehen würde, in dem der Vertragspartner sie nicht zu erwarten braucht. Das ist hier indessen nicht der Fall. …..Nach der Systematik des in der Vertragsanlage enthaltenen Kostenkatalogs ist die Regelung der Verwaltungskosten unter Nr. 17 für sich genommen nicht überraschend. Aus der Überschrift: "Aufstellung der Betriebskosten" und dem Umstand, dass die Verwaltungskosten nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrKV nicht zu den Betriebskosten gehören, folgt nichts anderes ….. 19 d) Auch aus einer Gesamtschau mit den Begleitumständen ergibt sich nicht, dass die Klausel überraschend ist. Da die Stellung der Klausel aus den oben angeführten Gründen als taugliches Argument von vornherein ausscheidet, können in eine Gesamtwürdigung lediglich die nicht genannte konkrete Höhe der Verwaltungskosten sowie die niedriger festgesetzten Vorauszahlungen einbezogen werden. 20 Diese beiden Faktoren ergeben allerdings - wie bereits ausgeführt - auch in ihrer Gesamtheit keinen unzulässigen Überraschungseffekt zu Lasten der Beklagten. Da die Klausel für sich genommen für die Beklagte als Mieterin von Geschäftsräumen nicht ungewöhnlich, sondern als die Umlage der üblichen Verwaltungskosten verständlich war, hatte die Beklagte in Anbetracht der individualvertraglich vereinbarten Vorauszahlungen nicht weniger Grund für eine Nachfrage, als wenn die Klausel zur Umlage der Verwaltungskosten ebenfalls individualvertraglich vereinbart worden wäre. 21 2. Die Klausel ist auch nicht wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. 22 Danach kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (zum Verhältnis zu § 305 c Abs. 1 BGB s. Staudinger/Coester BGB [2006] § 307 Rdn. 172, 208). Nach dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen nach Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten der Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Abzustellen ist auf die Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners (Senatsurteil vom 16. Mai 2007 - XII ZR 13/05 - NZM 2007, 516 m.w.N.). Die vorliegende Klausel entspricht diesen Anforderungen. 23 a) Der in Nr. 17 der Vertragsanlage verwendete Begriff der "Kosten der kaufmännischen und technischen Hausverwaltung" ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ….. 24 Zur Ausfüllung des Begriffs der Verwaltungskosten kann auf die im Wesentlichen übereinstimmenden Definitionen in § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrKV und § 26 Abs. 1 II. Berechnungsverordnung zurückgegriffen werden ……… Wenn die im Einzelfall anfallenden Verwaltungskosten auch weitere als die gesetzlich definierten Positionen erfassen, so folgt daraus, dass die Kosten insoweit bei Heranziehung der gesetzlichen Definition nicht umlegbar sind. Die Transparenz des Begriffs der Verwaltungskosten wird dadurch aber nicht ausgeschlossen. Verbleibende Unklarheiten gehen überdies nach § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Klauselverwenders. Wenn sich die Kostenpositionen teilweise überschneiden, ist schließlich bei der Betriebskostenabrechnung darauf zu achten, dass Kosten nicht doppelt abgerechnet werden, ohne dass sich daraus eine Intransparenz der Klausel ergibt … 26 Anders mag es sich verhalten, wenn in den allgemeinen Geschäftsbedingungen in wesentlichen Bereichen gleichartige Kosten - wie etwa die des Centermanagements - neben die Verwaltungskosten gestellt werden und dadurch Unklarheiten entstehen (vgl. Senatsurteil vom 6. April 2005 - XII ZR 158/01 - NZM 2005, 863; KG KGR 2004, 21, 22). 27 b) Auch im Hinblick auf die Höhe der entstehenden Kosten bedurfte es keiner näheren Konkretisierung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen und auch nicht der Festlegung einer Höchstgrenze. Vielmehr hatte die Klägerin - wie ausgeführt - ein legitimes Interesse an der variablen Ausgestaltung der Kostenregelung und war die Beklagte als Geschäftsraummieterin in der Lage, die entstehenden Kosten wenigstens im Groben abzuschätzen. 28 Soweit der Senat bei einer Klausel, die Verwaltungskosten enthielt, einen Verstoß gegen das Transparenzgebot angenommen hat (Senatsurteil vom 6. April 2005 - XII ZR 158/01 - NZM 2005, 863), waren im entschiedenen Fall die Verwaltungskosten Teil einer wesentlich umfangreicheren Regelung, die auch Versicherungs- und Instandhaltungskosten einschloss und schon im Hinblick auf den Umfang des Gesamtobjekts, auf das sich die Kosten bezogen, unklar war (vgl. auch OLG Köln NZM 2008, 366, 367; Ludley NZM 2006, 851, 852 f.). Schließlich steht auch das Senatsurteil vom 12. Juli 2006 (- XII ZR 39/04 - NJW 2006, 3057, 3058) nicht entgegen. In jenem Fall handelte es sich um die Kosten einer Werbegemeinschaft, zu welcher der Mieter nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen beizutreten verpflichtet war. Die daraus entstehenden Kosten waren im Gegensatz zu den hier in Rede stehenden Verwaltungskosten auch in groben Zügen nicht ohne weiteres abschätzbar. …."
  3. OLG Celle, Beschl. v. 4.3.2010 - 13 Verg 1 / 10 – elektronischer Fahrscheindrucker - §§ 17 a Nr. 1 VOL/A, 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB – Leitsatz: § 107 Abs.3 Nr.4 GWB enthält eine Rechtsbehelfsfrist, auf die nach § 17 a Nr.1 VOL/A (2006) i. V. mit Ziffer VI. 4. 2 Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1564/2005 in der Veröffentlichung der Vergabebekanntmachung hinzuweisen ist.– Hinweis auf die Rechtsbehelfsfrist von 15 K-Tagen erforderlich – andernfalls kein Fristenlauf – kein Erfolg der sofortigen Beschwerde im Übrigen infolge Vorliegens zwingender Ausschlussgründe – Aufhebung – Feststellungsinteresse – Voraussetzungen

    Gründe: I. Mit EU-Bekanntmachung vom 30. April 2009 schrieb die Antragsgegnerin die Lieferung, Montage und Inbetriebnahme elektronischer Fahrscheindrucker in ihrem Verkehrsverbund im offenen Verfahren aus.

    Nach Ziffer 3.3. der Verdingungsunterlagen waren u. a. Nachweise zur persönlichen Lage, wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit sowie Anforderungen zur technischen Leistungsfähigkeit mit dem Angebot vorzulegen. Nachdem die Antragsgegnerin die zunächst für den 22. Juni 2009 bestimmte Angebotsfrist mit ihrem an die Bieter gerichteten Schreiben vom 16. Juni 2009 auf den 6. Juli 2009 verlängert hatte, lagen bei der Submission von sieben abgegebenen Angeboten die Antragstellerin mit einer ungeprüften Angebotssumme in Höhe von 1.733.132,02 Euro an dritter Stelle und die Beigeladene mit 1.828.234,00 Euro an vierter Stelle.

    Ausweislich des Vergabevermerks hatte die Antragstellerin keinen aktuellen Auszug aus dem Gewerberegister vorgelegt und keine den vorgegebenen Anforderungen entsprechende Projekte zum Nachweis ihrer technischen Leistungsfähigkeit benannt. Es fehlten zudem die geforderten Bilanzen und bauartbedingten Zulassungen bzw. Prüfzertifikate in deutscher Sprache. Insgesamt waren aus der Sicht der Antragsgegnerin nur zwei Angebote wertbar, von denen das der Beigeladenen das Wirtschaftlichste war.

    Mit E-Mail vom 7. August 2009 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin gemäß § 101a GWB, dass ihr Angebot von der Wertung ausgeschlossen worden sei, weil es geforderte Erklärungen, wie den Gewerberegisterauszug, die Bilanzen und Umsätze der letzten drei Geschäftsjahre und die bauartbedingten Zulassungen/Prüfzertifikate, nicht enthalte.

    Bereits am selben Tag rügte die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebots und führte zur Begründung aus, die geforderten Nachweise seien bereits in der Bekanntmachung anzugeben gewesen.

    Da dies unterblieben sei, könne ihr Angebot nicht wegen Unvollständigkeit ausgeschlossen werden. Darauf antwortete die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 18. September 2009 und versandte am 23. September 2009 eine neue Information nach § 101a GWB mit demselben Inhalt und der Mitteilung, dass das Angebot der Beigeladenen den Zuschlag erhalten solle.

    Dagegen wandte sich die Antragstellerin mit Rüge vom selben Tag und beanstandete ergänzend, dass nur ihr Angebot wertbar sei, weil kein anderes Angebot fristgerecht eingereicht worden sei. Ferner erfülle das Angebot der Beigeladenen die Vergabebedingungen nicht.

    Nachdem die Antragstellerin der Antragsgegnerin zunächst mit E-Mail vom 29. September 2009 einen Verzicht auf die Einlegung rechtlicher Schritte gegen Erstattung von 40 % ihrer anfallenden Kosten vorgeschlagen und am Folgetag eine 100 % Kostenübernahme verlangt hatte, stellte sie am 2. Oktober 2009 einen Nachprüfungsantrag, mit dem sie sich u. a. gegen die Nichtabhilfe ihrer Rüge hinsichtlich der Verlängerung der Angebotsfrist und den Ausschluss ihres Angebots wegen unvollständiger Erklärungen wandte.

    Dem gegenüber hielt die Antragsgegnerin den Nachprüfungsantrag wegen Überschreitung der in § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB vorgesehenen 15 Kalendertage zwischen eindeutiger Zurückweisung der Rügen mit Schreiben vom 18. August 2009 und der erst mit Schreiben vom 2. Oktober 2009 erfolgten Einleitung des Nachprüfungsverfahrens für unzulässig.

    Der Nachprüfungsantrag sei im Übrigen auch unbegründet, weil das Angebot der Antragstellerin zwingend nach den §§ 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a, 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A wegen unvollständiger Erklärungen auszuschließen gewesen sei.

    Mit Beschluss vom 15. Dezember 2009 hat die Vergabekammer festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt sei, soweit die Antragsgegnerin bei der Angebotswertung nicht beachtet habe, dass auch die Beigeladene ihrem Angebot nicht den geforderten Nachweis über die erfolgreiche Prüfung im Rahmen des EG-Typgenehmigungsverfahrens auf der Basis der EMV-Richtlinie 2004/104/EG beigefügt habe.

    Sie hat die Antragsgegnerin verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten und diese unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen. Soweit die Antragstellerin die Feststellung begehrte, dass ihr Angebot gewertet werden müsse und die Angebote der anderen Bieter wegen verspäteter Abgabe auszuschließen seien, hat die Vergabekammer ihren Nachprüfungsantrag zurückgewiesen und ihr die Kosten des Verfahrens zu 2/3 auferlegt.

    Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB unzulässig, soweit die Antragstellerin beanstande, dass die Antragsgegnerin erst mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter Nr.3. 2 und 3. 3 Eignungsnachweise nach § 7 a Nr. 3 Abs. 1 lit. c (Bilanzen) und lit. d (Umsätze) VOL/A sowie unter Hinweis auf Kapitel 4 des Abschnitts "III a Allgemeine und technische Vorkehrungen" sonstige Nachweise gefordert habe. Eine Unzulässigkeit des gesamten Nachprüfungsantrags nach § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB scheide dagegen aus, weil das Schreiben der Antragsgegnerin vom 18. September 2009 einen ausdrücklichen Hinweis auf eine Zurückweisung der Rügen nicht enthalte. Der Nachprüfungsantrag sei begründet, soweit sich die Antragstellerin gegen die Wertung des Angebots der Beigeladenen wende. Deren Angebot fehle ebenso wie dem Angebot der Antragstellerin der unter "III a Allgemeine und technische Vorkehrungen" geforderte Nachweis des positiven Durchlaufens eines Typgenehmigungsverfahrens auf der Basis der EMV-Richtlinie 2004/104/EG. Der weitergehende Nachprüfungsantrag sei unbegründet. Die Antragsgegnerin habe das Angebot der Antragstellerin zu Recht gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A wegen Fehlens des vorgenannten Nachweises sowie der geforderten Referenzen, Bilanzen und Umsätze der letzten drei Jahre ausgeschlossen. Die mit Bieterrundschreiben vom 16. Juni 2009 erfolgte Verlängerung der Angebotsfrist um zwei Wochen sei nicht vergaberechtswidrig.

    Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 4. Januar 2010 beim Oberlandesgericht Celle eingegangenen sofortigen Beschwerde. Ergänzend zu ihrem bereits vor der Vergabekammer gehaltenen Sachvortrag und vor dem Hintergrund, dass die Antragsgegnerin ihr und den weiteren Bietern mit Schreiben vom 24. Dezember 2009 mitgeteilt hatte, dass sie die streitgegenständliche Ausschreibung aus schwerwiegenden Gründen aufgehoben habe und von der Durchführung des ausgeschriebenen Lieferauftrages aus wirtschaftlichen Gründen Abstand nehme, macht die Antragstellerin geltend, dass ihr durch die teilweise Zurückweisung ihres Nachprüfungsantrages sowie durch die Kostenentscheidung, wonach sie 2/3 der Kosten zu tragen habe, ein erheblicher finanzieller Schaden drohe.

    Dadurch, dass die Antragsgegnerin entgegen § 25 Nr. 3 VOL/A den Zuschlag nicht auf ihr Angebot erteilen wolle, werde sie in ihren subjektiven Bieterrechten verletzt.

    Entgegen der Auffassung der Vergabekammer habe die Antragsgegnerin die Angebotsfrist nicht wirksam verlängert, weil es neben einer ausreichenden Begründung auch an einer europaweiten Bekanntgabe gefehlt habe. Mit ihrer am 8. August 2009 erklärten Rüge, dass die Antragsgegnerin erst mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter der laufenden Nummer 3.2 und 3.3. Eignungsnachweise gem. § 7 a Nr. 3 Abs. 1 lit. c (Bilanzen) und d (Umsätze) VOL/A sowie unter Hinweis auf Kapitel 4 des Abschnitts "III a Allgemeine und technische Vorbemerkungen" sonstige Nachweise gefordert habe, sei sie nicht gem. § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert, weil diese in einem Nebensatz versteckten Anforderungen weder von ihr erkannt worden noch überhaupt erkennbar gewesen seien. Ferner habe sie den geforderten EMV-Nachweis durch Vorlage eines in englischer Sprache verfassten Bestätigungsschreibens der SGSTÜV S. F. GmbH vom 18. November 2008 erbracht.

    Die Antragsstellerin beantragt, die Kostenentscheidung der Vergabekammer aufzuheben und die Kosten der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen, festzustellen, dass die Verlängerung der Angebotsfrist im offenen Verfahren unwirksam ist, weil diese Verlängerung nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden ist, hilfsweise beantragt sie, festzustellen, dass sie in ihren Rechten verletzt worden ist.

    Die Antragsgegnerin beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der für die zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin aufzuerlegen, die Hinzuziehung ihres Prozessbevollmächtigten für notwendig zu erklären. Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung der Vergabekammer und führt ergänzend aus, die sofortige Beschwerde sei bereits mangels Feststellungsinteresses unzulässig, sofern sie nicht die Kostenentscheidung betreffe. Im Übrigen sei sie unbegründet, weil der Nachprüfungsantrag schon wegen Überschreitung der in § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB vorgesehenen 15 Kalendertage zwischen eindeutiger Zurückweisung der Rügen mit Schreiben vom 18. August 2009 und der erst mit Schreiben vom 2. Oktober 2009 erfolgten Einleitung des Nachprüfungsverfahrens unzulässig sei. In jedem Fall habe die Antragstellerin die Forderung nach der Vorlage von Bilanzen und Umsätzen sowie weiteren Nachweisen nach Kap. 4 des Abschnittes III a der Vergabeunterlagen bis zum Ablauf der Angebotsfrist beanstanden müssen. mit ihrer danach erhobenen Rüge sei sie gem. § 107 Abs. 3 GWB präkludiert. Davon abgesehen sei ihr Nachprüfungsantrag unbegründet, weil ihr Angebot zwingend nach den §§ 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a, 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A wegen fehlender Nachweise von Referenzen, der Bilanzen und Umsätze der letzten drei Geschäftsjahre sowie des Gewerbezentralregisterauszugs auszuschließen gewesen sei. Das von ihr in englischer Sprache vorgelegte Dokument ("application form for product certification") zum Nachweis des erfolgreichen EG-Typgenehmigungsverfahrens auf der Basis der EMV-Richtlinie 2004/104/EG bestätige lediglich, dass sie einen Antrag auf Zertifizierung gestellt habe, stelle aber keinen Nachweis für eine erfolgreiche Zertifizierung dar. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin habe die Verlängerung der Angebotsfrist nur in einer an alle Bewerber gerichteten Bekanntmachung, nicht aber EU-weit bekannt gemacht werden müssen. Zudem werde die Antragstellerin durch die Verlängerung der Angebotsfrist nicht in ihren Rechten verletzt, sondern vielmehr begünstigt. Vor diesem Hintergrund erweise sich die Kostenentscheidung der Vergabekammer insoweit nicht als fehlerhaft, als sie zu Lasten der Antragstellerin getroffen worden sei.

    II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist weitgehend unzulässig, im Übrigen unbegründet. Auf das vorliegende Vergabeverfahren findet gem. § 131 Abs. 8 GWB das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der nach Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20. April 2009 (BGBl. I, S. 790) seit dem 24. April 2009 geltenden Fassung Anwendung, da das vorliegende Vergabeverfahren mit Absendung der EU-Bekanntmachung am 28. April 2009 und damit nach Inkrafttreten der GWB-Novelle zum 24. April 2009 begonnen hat.

    A. Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde:

    Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist insoweit zulässig, als sie sich gegen die Kostenentscheidung der Vergabekammer in dem angefochtenen Beschluss wendet. Im Übrigen ist sie unzulässig.

    1. Für die von ihr begehrte Feststellung, dass die Verlängerung der Angebotsfrist im offenen Verfahren mangels Veröffentlichung im Amtsblatt der EU unwirksam ist, fehlt der Antragstellerin das Rechtsschutzinteresse.

      Soweit die Vergabekammer in dieser Frage zu ihrem Nachteil entschieden hat, kann die Antragstellerin die Beseitigung einer darin liegenden Beschwer im Beschwerdeverfahren nicht mehr erreichen, nachdem das Vergabeverfahren durch die im Schreiben der Antragsgegnerin vom 24. Dezember 2009 erklärte Aufhebung seine Erledigung gefunden hat. Das Vergabenachprüfungsverfahren in seiner Ausgestaltung als primärer Rechtschutz dient ausschließlich der Überprüfung des Verhaltens der Vergabestelle in noch laufenden Vergabeverfahren.

      Sobald der Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren durch Aufhebung, Einstellung oder in sonstiger Weise erledigt ist (§ 114 Abs. 2 Satz 2 GWB), findet ein Primärrechtsschutz nicht mehr statt, weil das Ziel des Verfahrens, auf das Vergabeverfahren einzuwirken und dieses zu einem rechtmäßigen Abschluss zu bringen, nicht mehr erreicht werden kann (OLG Frankfurt, NZBau 2001, 101, 102).

      Infolgedessen ist die von der Antragstellerin begehrte Feststellung im Rahmen des konkreten Vergabeverfahrens nach dessen Erledigung durch Aufhebung gegenstandslos geworden.

    2. Auch ihr hilfsweise geltend gemachter Feststellungsantrag gem. § 114 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 GWB ist mangels Feststellungsinteresses unzulässig.

      a) Für einen Antrag nach §§ 114 Abs. 2 Satz 2, 123 Satz 3 und 4 GWB muss als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein Feststellungsinteresse vorliegen.

      Dieses fehlt, wenn ein Schadensersatzprozess, dessen Vorbereitung das Feststellungsinteresse dient, offensichtlich aussichtslos erscheint, und auch sonst kein Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art zu erkennen ist (OLG Celle, NZBau 2006, 329, 330). b) So liegt der Fall hier.

      Schon der Beschwerdeschrift ist zu diesem Punkt nichts zu entnehmen.

      Mögliche Ansprüche auf Ersatz des positiven Schadens aus den §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB können vorliegend schon deswegen nicht bestehen, weil die Antragstellerin in diesem Vergabeverfahren aufgrund der inzwischen erfolgten Aufhebung ohnehin keinen Zuschlag mehr hätte erhalten können (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2003 - X ZR 282/02, NZBau 2004, 283).

      Zwar ist auch der Ersatz der Angebotskosten als Vertrauensschaden denkbar. Dieser kommt aber grundsätzlich allein für den Bieter in Betracht, der als Sieger aus dem Vergabeverfahren hervorgegangen wäre (BGH, Urteil vom 27. November 2007 - X ZR 18/07, VergabeR 2008, 219, Tz. 35 ff.). Darauf beruft sich die Antragstellerin in ihrer Beschwerde nicht. Darüber hinaus kann auch einem Bieter, der den Zuschlag nicht erhalten hätte, gleichwohl ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen zustehen, die er ohne Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens nicht getätigt hätte (BGH, Urteil vom 27. November 2007 - X ZR 18/07, a. a. O. Tz. 35 f.). Die hier von der Antragstellerin in den Blick genommenen Aufwendungen für die Angebotserstellung sind danach aber nur dann erstattungsfähig, wenn der Bieter sich in Kenntnis des tatsächlichen Ausschreibungsinhaltes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht am Vergabeverfahren beteiligt und kein Angebot abgegeben hätte (Maier in: Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum GWB-Vergaberecht 2. Aufl., § 114 Rdn.81). Das macht die Antragstellerin jedoch nicht geltend. Entsprechende Beanstandungen hat sie auch nicht erhoben. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Vergabeverfahren nach § 26 Nr. 1 lit. d VOL/A aufzuheben, hat sie ebenfalls nicht angegriffen.

    3. Die Antragstellerin ist allerdings dadurch beschwert, dass ihr 2/3 der Kosten des Verfahrens von der Vergabekammer auferlegt worden sind. Insoweit ist ihre sofortige Beschwerde zulässig, weil auch eine isolierte Anfechtung einer Kostenentscheidung in dem gem. § 116 ff. GWB vorgesehenen Beschwerdeverfahren statthaft ist (§ 128 Abs. 1 Satz 2 GWB i. V. m. § 22 VwKostG). Das Beschwerdeverfahren in Vergabesachen umfasst nach der in Rechtsprechung und Schrifttum einhellig vertretenen Auffassung auch sogenannte "isolierte" Kostengrundentscheidungen (OLG Frankfurt, NZBau 2001, 101, 102. OLG Rostock, VergabeR 2001, 315, 319.. Hunger in Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum GWB-Vergaberecht 2. Aufl., § 116 Rdn. 22). Daher ist die sofortige Beschwerde auch zulässig, wenn sich das Nachprüfungsverfahren gem. §§ 114 Abs. 2 Satz 2, 123 Satz 4 GWB nach Abschluss des Verfahrens vor der Vergabekammer bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist erledigt hat, weil sich ein unterlegener Beteiligter anders nicht in zulässiger Weise gegen eine ihn belastende Kostenentscheidung wenden könnte (OLG Frankfurt, NZBau 2001, 101, 102).

    B. Begründetheit der sofortigen Beschwerde: Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat - soweit sie zulässig ist - in der Sache keinen Erfolg.

    1. Da sich die Hauptsache aufgrund der Regelungen in den §§ 114 Abs. 2 Satz 2 und 3, 123 Satz 4 GWB erledigt hat und das Verfahren nicht nach § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB mit einem zulässigen Feststellungsantrag fortgesetzt werden kann, ist über die Kosten des gesamten Verfahrens, also einschließlich der Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer, gem. § 78 Nr. 1 GWB nach den auch für § 91 a ZPO geltenden Grundsätzen zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 19. Juni 2007 – KVR 23/98, WRP 2008, 252 f.. OLG Frankfurt, NZBau 2001, 101, 102 f.. Summa in: jurisPKVergR 2. Aufl. 2008, § 120 GWB Rdn. 30.21). Unter Berücksichtigung des danach maßgebenden Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Aufhebung des Vergabeverfahrens verbleibt es bei der von der Vergabekammer vorgenommenen Kostenverteilung, soweit sie zu Lasten der Antragstellerin ergangen ist.
    2. Mit zutreffenden Erwägungen hat die Vergabekammer festgestellt, dass die Antragstellerin lediglich dadurch in ihren Rechten verletzt ist, dass die Antragsgegnerin bei der Angebotswertung nicht berücksichtigt hat, dass auch die Beigeladene ihrem Angebot nicht den in den Verdingungsunterlagen geforderten Nachweis auf Basis der EMVRichtlinie 2004/104/EG beigefügt hatte.

      Deshalb hat sie die Antragsgegnerin (lediglich) verpflichtet, erneut unter Beachtung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer in die Angebotswertung einzutreten.

      Soweit sich die Antragstellerin gegen die Zurückweisung ihres weitergehenden Nachprüfungsantrags, mit dem sie die Wertung ihres Angebots sowie den Ausschluss der Angebote der anderen Bieter wegen verspäteter Abgabe begehrt hatte, durch die Vergabekammer wendet, wäre ihr Rechtsmittel ohne das erledigende Ereignis, die Aufhebung des Vergabeverfahrens, ohne Erfolg geblieben.

      a) Bezüglich ihres Einwands, die Antragsgegnerin habe entgegen § 7 a Nr. 3 Abs. 3 Satz 1 VOL/A und § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. m VOL/A i. V. m. § 17 a VOL/A Eignungsnachweise i. S. des § 7 a Nr. 3 Abs. 1 lit. c (Bilanzen) und d (Umsätze) VOL/A sowie unter Hinweis auf Kapitel 4 des Abschnitts "III a Allgemeine und technische Vorbemerkungen" sonstige Nachweise nicht bereits in der EU-Bekanntmachung, sondern erst mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter der laufenden Nummer 3. 2 und 3. 3 gefordert, ist ihr Nachprüfungsantrag bereits unzulässig, weil sie mit dieser erst am 8. August 2009 erklärten Rüge gem. § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert ist.

      aa) Nach § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB sind Verstöße gegen Vergabevorschriften, die (erst) in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewertung gegenüber dem Auftraggeber zu rügen. Ausweislich der EU-Bekanntmachung vom 30. April 2009 war als Schlusstermin für den Eingang der Angebote der 22. Juni 2009, 10:00 Uhr bestimmt. Diese Angebotsfrist hat die Antragsgegnerin mit ihrem an die Bieter gerichteten Schreiben vom 16. Juni 2009 auf den 6. Juli 2009, 10:00 Uhr verlängert. Auch bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Antragstellerin die Forderung nach Vorlage von Bilanzen und Umsätzen sowie weiteren Nachweisen nach Kap. 4 des Abschnitts III a der Vergabeunterlagen nicht gerügt. bb) Der Verstoß gegen § 7 a Nr. 3 Abs. 3 Satz 1 VOL/A und § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. m VOL/A i. V. m. § 17 a VOL/A war aus den Verdingungsunterlagen sowohl für einen Durchschnittsanbieter als auch für die Antragstellerin erkennbar. In der Vergabebekanntmachung vom 30. April 2009 waren unter Ziff. III 2. 2 (Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit) lediglich die Benennung der Mitarbeiterzahlen 2007 und 2008 sowie unter Ziff. III 2. 3 (Technische Leistungsfähigkeit) Referenzen darüber gefordert worden, dass der Bieter wenigstens zwei Projekte zum Fahrgeldmanagement unter Nutzung eines elektronischen Fahrscheins mit mindestens 200 ausgerüsteten Fahrzeugen verantwortlich umgesetzt und in mindestens zwei Projekten je eine im Wirkbetrieb befindliche Schnittstelle zum Planungssystem "M." realisiert hatte.

      Darüber hinaus wurden in der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter Ziff. 3. 2 und 3. 3 weitere Eignungsnachweise in Form von Bilanzen und Umsätzen sowie bestimmte bauartbedingte Zulassungen/Prüfzertifikate verlangt, insbesondere nach Ziff. 3. 15 des Abschnitts "III a Allgemeine und technische Vorbemerkungen" ein Nachweis, dass die elektronischen Unterbaugruppen in den Fahrzeugen ein EG-Typgenehmigungsverfahren auf Basis der EMV-Richtlinie 2004/104/EG und der sie ergänzenden Richtlinien positiv durchlaufen hatten.

      Mit diesen in den "Allgemeinen Verdingungsunterlagen" geforderten weiteren Nachweisen musste sich die Antragstellerin wie alle übrigen Bieter zur Erstellung eines ordnungsgemäßen Angebots befassen. Damit war für sie unter Beachtung der - sowohl gemessen an den Anforderungen eines durchschnittlichen Bieters als auch an ihren individuellen Kenntnissen - üblichen Sorgfalt erkennbar, dass in den Verdingungsunterlagen weitergehende Anforderungen als in der EU-Bekanntmachung angekündigt gestellt wurden.

      b) Im Übrigen erachtet der Senat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin nicht wegen der Präklusionsregelung des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB als unzulässig.

      aa) Nach dieser mit der Vergaberechtsnovelle 2009 neu eingeführten Regelung ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftragsgebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.

      Damit soll "frühzeitig Klarheit über die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens geschaffen" werden (BTDrucks. 16/10117 S. 22). bb) Die Antragstellerin hatte die Verlängerung der Angebotsfrist bereits mit Schreiben vom 16. und vom 30. Juni 2009 gerügt.

      Mit Schreiben vom 30. Juni 2009 hat die Antragsgegnerin daraufhin mitgeteilt, dass diese Rüge unbegründet sei und die Antragstellerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt werde. In diesen Aussagen und den weiteren Formulierungen des vorgenannten Schreibens liegt eine eindeutige Zurückweisung der Rüge wegen der verlängerten Angebotsfrist.

      Ob eine eindeutige Zurückweisung auch dem Antwortschreiben vom 18. August 2009 auf die weiteren von der Antragstellerin später erhobenen Rügen zu entnehmen ist, kann dahinstehen.

      Vor dem Hintergrund, dass mit der Einführung des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB eine Antragsfrist geschaffen wurde, die den Primärrechtschutz des Bieters zeitlich begrenzt, sind an die Eindeutigkeit der Nichtabhilfeerklärung gem. § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB hohe Anforderungen zu stellen (vgl. auch Summa in: jurisPKVergR 2. Aufl. § 107 Rdn. 186.23). Ob der in dem Schreiben vom 18. August 2009 gewählte Schlusssatz "Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung" aus Sicht eines verständigen Bieters nicht bloß als reine Höflichkeitsfloskel, sondern auch so verstanden werden konnte, dass die Antragsgegnerin an ihren dargestellten Ausschlussgründen zunächst festhalten, sich aber einer weiteren Erörterung mit der Antragstellerin darüber nicht verschließen wolle, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn mangels Hinweises auf die von den Bietern nach der Neuregelung in § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB zu wahrende Frist ist die Präklusionswirkung nach Ansicht des Senats nicht eingetreten.

      aaa) Nach § 17 a Nr.1 VOL/A i. V. mit Ziffer VI. 4. 2. Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1564/2005 der Kommission vom 7. September 2005 zur Einführung von Standardformularen für die Veröffentlichung von Vergabebekanntmachungen im Rahmen von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge gemäß der Richtlinie 2004/17/EG und der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 257 vom 1. Oktober 2005) ist der Auftraggeber verpflichtet, genaue Angaben zu den von den Bietern zu beachtenden Fristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen zu machen oder eine Stelle zu benennen, bei der Auskünfte über die Einlegung von Rechtsbehelfen erhältlich ist (VI. 4. 4.).

      bbb) Bei § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB handelt es sich nach Auffassung des Senats um eine anzugebende Rechtsbehelfsfrist. Zwar ist § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB zunächst lediglich als materielle Präklusionsvorschrift ausgestaltet, so dass bei isolierter Betrachtung ein Nachprüfungsantrag weiterhin Frist ungebunden eingereicht werden kann und allein die Geltendmachung des der Rüge zu Grunde liegenden Sachverhalts präkludiert ist. Nach der Konzeption des § 107 Abs. 3 GWB setzt aber die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens regelmäßig eine Rüge voraus, der durch den Auftraggeber nicht abgeholfen wurde, so dass die Frist zwischen Bekanntgabe der Nichtabhilfe und der Einreichung des Nachprüfungsantrags als echte Rechtsbehelfsfrist anzusehen ist (VK Bund, Beschluss vom 30. Oktober 2009 - VK 2 - 180/09, zitiert nach juris Tz. 102. VK Südbayern, Beschluss vom 5. Februar 2010 - Z33319416612/09, zitiert nach ibronline, S. 11, Summa in: jurisPKVergR 2. Aufl. § 107 Rdn. 186.32. Jaeger, NZBau 2009, 558, 562).

      Auf diese Frist hat die Antragsgegnerin in ihrer Bekanntmachung im Amtsblatt der EU nicht hingewiesen (vgl. Ziffer VI. 4. 2.). Auch eine Stelle, bei der Auskünfte über die Einlegung von Rechtsbehelfen erhältlich sind (Ziffer VI. 4. 4.), hat sie nicht angegeben.

      c) Zu Recht hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin für unbegründet erachtet, soweit er sich nicht bloß gegen die Wertung des Angebots der Beigeladenen gewandt hat, die ebenfalls nicht - wie in den Verdingungsunterlagen gefordert - den Nachweis über ein positives Durchlaufen eines EG-Typgenehmigungsverfahrens auf Basis der EMV-Richtlinie 2004/104/EG und der sie ergänzenden Richtlinien beigefügt hatte, sondern vor allem die Berücksichtigung des Angebots der Antragsstellerin bei der Wertung und den Ausschluss sämtlicher anderer Angebote wegen der unzulässigen Verlängerung der Angebotsfrist zum Gegenstand gehabt hat.

      aa) Ohne Erfolg hat die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebots durch die Antragsgegnerin wegen des Fehlens geforderter Angaben und Erklärungen gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A beanstandet.

      aaa) Danach können Angebote ausgeschlossen werden, die nicht die geforderten Angaben und Erklärungen enthalten. Dieses eingeräumte Ermessen ("kann") reduziert sich durch Selbstbindung eines Auftraggebers auf Null und damit auf einen zwingenden Ausschluss des Angebotes, wenn er mit der Vergabebekanntmachung, der Aufforderung zur Angebotsabgabe oder den sonstigen Vergabeunterlagen Nachweise und Belege zu Mindestbedingungen erhebt, indem er ihre Vorlage ausdrücklich mit Angebotsabgabe verlangt und einen zwingenden Ausschluss im Falle ihres Fehlens oder ihrer nicht rechtzeitigen Vorlage vorsieht. Der Auftraggeber ist dann an diese von ihm gesetzten Voraussetzungen gebunden und darf nachträglich nicht von seinen Mindestbedingungen abweichen (OLG Celle, VergabeR 2004, 542, 544. BayObLG, NZBau 2000, 259, 261). So liegt der Fall hier. Die Auftraggeberin hat in den Bewerbungsbedingungen (Formblatt EMV (L) BwB EG 232 EG – VHB Bund – Ausgabe 2002 – Stand: 01.11.2006) unter Ziff. 3.3. auf das Vollständigkeitserfordernis und die Folge unvollständig eingereichter Angebot ("unvollständige Angebote werden ausgeschlossen.") hingewiesen. bbb) Die von der Antragsgegnerin in der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter Ziff. 3.1. (Gewerberegisterauszug) und 3.2 vorgegebenen Eignungsnachweise gem. § 7 a Nr. 3 Abs. 1 lit. c (Bilanzen) und d (Umsätze) VOL/A sowie den unter Hinweis auf Kapitel 4 des Abschnitts "III a Allgemeine und technische Vorbemerkungen" verlangten Nachweis hat die Antragsstellerin nicht mit der Abgabe ihres Angebots vorgelegt. (1) Das gilt zunächst für den in den Allgemeinen Verdingungsunterlagen in Abschnitt "III a Allgemeine und technische Vorbemerkungen" unter 3.15 der Beschreibung (S. 18) für die elektronischen Unterbaugruppen in den Fahrzeugen geforderten Nachweis über das positive Durchlaufen eines EG-Typgenehmigungsverfahrens auf der Basis der EMV-Richtlinie 2004/104/EG und der sie ergänzenden Richtlinien, der dem Angebot beizufügen war. Diesen Nachweis hat die Antragstellerin mit ihrem Angebot nicht vorgelegt. Sie hat stattdessen ein in englischer Sprache verfasstes und an das Transportministerium L. adressiertes Bestätigungsschreiben der SGSTÜV S. F. GmbH vom 18. November 2008 beigefügt. Unabhängig davon, dass die Vorlage der in englisch gehaltenen "application form for product certification" den Voraussetzungen nach Ziffer IV. 3.5. der EU-Bekanntmachung vom 30. April 2009: Sprache(n), in der (denen) das Angebot oder Anträge auf Teilnahme verfasst werden können: Deutsch´ nicht genügt, stellt dieses Schreiben lediglich eine Bestätigung darüber dar, dass die Antragstellerin einen Antrag auf Zertifizierung des von ihr angebotenen Produkts auf der Grundlage der Richtlinie 2006/96/EG, die auf die vorbezeichnete EMV-Richtlinie 2004/104/EG Bezug nimmt, gestellt hat. Allein der Antrag auf Zertifizierung des von ihr angebotenen Produktes stellt jedoch keinen Nachweis für das positive Durchlaufen eines Typgenehmigungsverfahrens auf Basis der EMV-Richtlinie 2004/104/EG und der sie ergänzenden Richtlinien dar. (2) Darüber hinaus lagen dem Angebot der Antragstellerin auch die in der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter Ziff. 3.2 geforderten Bilanzen und Umsätze der letzten drei Geschäftsjahre sowie der unter Ziff. 3.1 geforderte Auszug aus dem Gewerbezentralregister nicht bei. ccc) Zu Recht hat die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin ferner deswegen ausgeschlossen, weil sie keine geeigneten Referenzen vorgelegt hat, obwohl die Antragsgegnerin deren Vorlage bereits in der EU-Bekanntmachung vom 30. April 2009 (Ziffer III. 2.3.) gefordert hatte. (1) Nach § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A sind bei der Auswahl der Angebote nur Bieter zu berücksichtigen, die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen. Zum Nachweis dafür können von ihnen gem. § 7 Nr. 4 VOL/A entsprechende Angaben gefordert werden, soweit es durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt ist. Dabei ist die Vorgabe von Mindestanforderungen dem Auftraggeber grundsätzlich nicht verwehrt (Hausmann in: Kulartz/Max/Portz/Prieß, Kommentar zur VOL/A § 7 Rdn. 186 f.). Vor diesem Hintergrund hatte die Antragsgegnerin in der EU -Bekanntmachung vom 30. April 2009 unter Ziff. III.2.3 zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit folgende Referenzen gefordert: "1) Der Bieter muss im Angebot nachweisen, dass er wenigstens zwei Projekte zum Fahrgeldmanagement unter Nutzung eines elektronischen Fahrscheins mit insgesamt mindestens 200 ausgerüsteten Fahrzeugen verantwortlich umgesetzt hat. Die im Angebot anzugebenden Referenzen benennen den Auftraggeber und dort tätigen Ansprechpartner. 2) Der Bieter muss im Angebot nachweisen, dass er in mindestens zwei Projekten je eine im Wirkbetrieb befindliche Schnittstelle zum Planungssystem M. realisiert hat. Die Nutzung der Schnittstelle im Wirkbetrieb gilt als nachgewiesen, wenn Daten aus mehreren Fahrplanperioden mit Hilfe der Schnittstellen übertragen wurden. Die im Angebot anzugebenden Referenzen benennen den Auftraggeber und dort tätigen Ansprechpartner." (2) Für die letztgenannte Voraussetzung hat die Antragstellerin in ihrem Angebot keine Referenzen angeboten. Bezüglich der ersten Anforderung enthält ihr Angebot zwar zwei Referenzen. Diese hat die Antragsgegnerin zu Recht als unzureichend bewertet. Nach der Feststellung des von ihr mit der Durchführung des Vergabeverfahrens beauftragten Ingenieurbüros S. bezog sich die erste Referenz auf ein elektronisches Fahrgeldmanagement mit insgesamt lediglich 155 Fahrzeugen. Die zweite Referenz betraf einen Auftrag über die Ausrüstung von insgesamt 125 Fahrzeugen inklusive Vorverkaufsstellen, wobei nicht erkennbar war, inwieweit die e-Ticketing-Funktionalität umgesetzt worden ist. Zudem hat der in der Referenz benannte Auftraggeber auf Nachfrage erklärt, die Zusammenarbeit mit der Antragstellerin im Projektverlauf aufgekündigt und die Gerätschaften komplett bei einem anderen Hersteller erneut beschafft zu haben. (3) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war die Antragsgegnerin weder verpflichtet noch berechtigt, die fehlenden Nachweise im Wege einer Aufklärungsverhandlung nach § 24 VOL/A bei ihr nachzufordern. Ein nicht annahmefähiges Angebot darf nicht nachträglich wertungsfähig gemacht werden, indem fehlende, zwingende Angaben im Angebot nachgeholt werden (BayObLG, VergabeR 2002, 252, 254. Korthals in: Kulartz/Max/Portz/Prieß, Kommentar zur VOL/A, § 24 Rdn. 3 f.). Anderenfalls läge sowohl ein Verstoß gegen den vergaberechtlichen Wettbewerbsgrundsatz gem. § 97 Abs. 1 GWB sowie auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 2 GWB vor. (4) Anders als die Antragstellerin meint, steht einem Ausschluss wegen dieser fehlenden Referenzen auch nicht entgegen, dass in dem Schreiben gemäß § 101 a GWB dieser Ausschlussgrund nicht ausdrücklich erwähnt wurde. Da der Ausschluss gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A vorliegend aufgrund der Selbstbindung der Antragstellerin zwingend ist, müssen Ausschlussgründe vom Auftraggeber sowie auch von der Vergabekammer in jeder Phase des Vergabeverfahrens zwingend beachtet werden (OLG Düsseldorf, VergabeR 2007, 92, 96. Dicks in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOL/A, § 25 Rdn.4). bb) Auch die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Verlängerung der Angebotsfrist war wirksam. aaa) Die Antragsgegnerin hat die ursprüngliche in der EU-Bekanntmachung vom 30. April 2009 vorgegebene Angebotsfrist im Wege ihres Bieterrundschreibens vom 16. Juni 2009 im Zusammenhang mit der Beantwortung von Bieteranfragen (Antwortkatalog 4, Position 22) um zwei Wochen bis zum 6. Juli 2009 verlängert und die Verlängerung gegenüber allen Bietern bekannt gegeben. Die von der Antragstellerin geäußerte Vermutung, die Verlängerung sei nur deswegen erfolgt, weil man einem gewünschten Bieter ermöglichen wollte, rechtzeitig ein ordnungsgemäßes Angebot abzugeben, wird weder durch die Dokumentation in der Vergabeakte noch durch den bekannten Sachverhalt in irgendeiner Weise gestützt. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung, ein - zwischenzeitlich vom Vergabeverfahren ausgeschlossener - Bieter sei seinerzeit an sie herangetreten und habe um Verlängerung der Angebotsfrist gebeten, unzutreffend ist. Vielmehr entspricht sie der in der Vergabeakte in dem Antwortkatalog 4 unter der laufenden Nummer 22 dokumentierten Begründung der Verschiebung. Darin heißt es: "Wegen der Komplexität der Angebotslegung wird eine Verschiebung der Submission beantragt. Der Terminsverschiebung wird zugestimmt. Die in Abschnitt IV der Bekanntmachung genannten Termine verschieben sich wie folgt: Schlusstermin für Eingang der Angebote bzw. Anträge auf Teilnahme: 06.07.2009, 10:00 Uhr." Ergänzend hat die Antragsgegnerin unwidersprochen ausgeführt, sie habe zur Beantwortung einer Bieterfrage ihrerseits umfangreiche Rückfragen bei acht einzelnen Verkehrsbetrieben halten müssen, und insoweit auf Position 8 des Antwortkatalogs 1 vom 28. Mai 2009 verwiesen. Danach hatten einige Bieter darauf hingewiesen, dass sie für die Kalkulation der geforderten Fahrzeugverkabelung und der Option "Ansage" und "LSA-Ansteuerung" eine Fahrzeugliste benötigen, die neben Typ und Baujahr auch die Typenbezeichnung der vorhandenen Bordverstärker und der vorhandenen Funkgeräte beinhalten sollte. Diese Fahrzeugliste hat die Antragsgegnerin ausweislich des Antwortkatalogs 1 vom 28. Mai 2009 bei dem beteiligten Unternehmen angefordert und mit Antwortkatalog 5 vom 26. Juni 2009 (Position 8) den Bietern zur Verfügung gestellt. bbb) Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin im Interesse einer einwandfreien Kalkulationsgrundlage für die Bieter gem. § 8 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOL/A entschieden hat, diese Liste zu fertigen, sie den Bietern zur Verfügung zu stellen und die Angebotsfrist entsprechend § 18 a Nr. 1 Abs. 3 VOL/A dafür angemessen zu verlängern. Aus § 18 a Nr. 1 Abs. 6 VOL/A folgt, dass der öffentliche Auftraggeber sogar zur Verlängerung der Angebotsfrist gezwungen ist, wenn die Bieter für die Kalkulation ihres Angebots weitere, mit den Verdingungsunterlagen nicht übersandte Unterlage oder Auskünfte benötigen. Diese rechtzeitig angeforderten zusätzlichen Auskünfte über die Verdingungsunterlagen und das Anschreiben muss der Auftraggeber spätestens 6 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist erteilen. Dass neben diesen Voraussetzungen und einer gleichzeitigen Bekanntgabe der Verlängerung der Angebotsfrist an alle Bieter für ihre Wirksamkeit noch weitere formelle Anforderungen - wie die von der Antragstellerin geforderte Veröffentlichung der Angebotsverlängerung im Rahmen einer EU-Bekanntmachung - bestehen, ist den Regelungen der §§ 18, 18 a VOL/A nicht zu entnehmen und wird auch nach den Vorgaben (Art.38) der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge nicht gefordert. Dessen ungeachtet hat die Vergabekammer zu Recht angenommen, dass die Antragstellerin durch die am 16. Juni 2009 bekannt gegebene Verlängerung der Angebotsfrist nicht in ihren Rechten gem. § 97 Abs. 7 GWB verletzt sein kann, weil sie die zugleich übersandte Fahrzeugliste als zusätzliche Information nach § 17 Nr. 6 Abs. 1 und 2 VOL/A noch im Rahmen ihrer Angebotskalkulation berücksichtigen konnte. 3. Hatte der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mithin nur zu einem Teil Erfolg, sind die Kosten nach dem Verhältnis des Obsiegens sowie des Unterliegens zu verteilen. Dass die Antragstellerin vorliegend lediglich einen Teilerfolg erreicht hat, ergibt sich auch aus dem Vergleich des in ihren Anträgen zum Ausdruck kommenden Antragsziels mit dem Tenor der Vergabekammerentscheidung. Danach ging es der Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag vorrangig um die Feststellung, dass ihr - von der Antragsgegnerin ausgeschlossenes - Angebot gewertet werden muss. Darüber hinaus begehrte sie, die Angebote der anderen Bieter wegen verspäteter Abgabe auszuschließen. Hätte sie mit diesen Anträgen Erfolg gehabt, wäre ihr der Zuschlag auf ihr Angebot sicher gewesen. Unter Zurückweisung dieser Anträge hat die Vergabekammer allerdings lediglich ihren hilfsweise gestellten Antrag aufgegriffen, die Angebotswertung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer und mithin auch unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen zu wiederholen. Da die Vergabekammer zugleich festgestellt hat, dass der Angebotsausschluss der Antragstellerin zu Recht erfolgt ist, bedeutet dieser Ausspruch für die Antragstellerin - gemessen an ihrem (Haupt)Antragsziel, die Auftraggeberin zu verpflichten, ihr Angebot nicht auszuschließen - lediglich einen geringen Teilerfolg. Vor diesem Hintergrund ist die von der Vergabekammer getroffene Kostenentscheidung, wonach die Antragstellerin 2/3 der Kostenlast trägt, jedenfalls nicht zu ihren Lasten erfolgt. III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 120 Abs. 2 GWB i. V. m. § 78 Satz 1 und 2 GWB. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 50 Abs. 2 GKG.

    3. Vergabekammer Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.03.2010, 1 VK 11 / 10 – Schülerbeförderung" – besonders niedriger Preis – § 25 Nr. 2 III VOL/A keine bieterschützende Wirkung – ungewöhnliches Wagnis verneint – Preisvorbehalt ausreichend – Nachweise – Handelsregistereintragung (keine Eintragung in das HR und Auswirkung) – unwirtschaftlicher Preis – Unterschied zwischen Rüge und Anregung - Zurückweisung der Rüge – keine Hinweispflicht auf angeblichen „Rechtsbehelf des § 107 III Nr. 4 GWB (15-Tage-Frist) – Zurückweisung des Antrags - §§ 107 Abs. 3 Nr. 4, 107 Abs. 3 Nr. 3, 107 Abs. 3 Nr. 1, 107 II GWB, 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A – gegen OLG Celle, Beschl. v. 4.3.2010 - 13 Verg 1 / 10 – elektronischer Fahrscheindrucker - §§ 17 a Nr. 1 VOL/A, 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB – Leitsatz: § 107 Abs.3 Nr.4 GWB enthält eine Rechtsbehelfsfrist, auf die nach § 17 a Nr.1 VOL/A (2006) i. V. mit Ziffer VI. 4. 2 Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1564/2005 in der Veröffentlichung der Vergabebekanntmachung hinzuweisen ist. Leitsatz der Vergabekammer: 1. § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A entfaltet nur ausnahmsweise mitbieterschützende Wirkung. 2. Ein in der Bekanntmachung unterbliebener Hinweis oder eine Belehrung über die Frist des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB hat nicht zur Folge, dass diese Frist nicht zu laufen beginnt. - Nachprüfungsantrag größtenteils unzulässig – Statthaftigkeit – noch keine Erteilung des Zuschlags – Antragsbefugnis – Ausschluss wegen Unauskömmlichkeit keine Antragsbefugnis, da nicht mitbieterschützend – nur ausnahmsweise doch bieterschützender Charakter im Einzelfall nicht vorliegend - § 25 Nr. 2 III VOL/A grundsätzlich nicht mitbieterschützend (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.06.2002, -Verg 18/02, Beschl. v. 04.09.2002, -Verg 37/02; VK Baden-Württemberg, v. 17.01.2008, -1 VK 52/07, v. 03.08.2007, -1 VK 24/07, v. 16.11.2004, -1 VK 69/04, v. 12.11.2004, -1 VK 70/04, v. 05.01.2009, -1 VK 63/08) – reine Behauptung ins Blaue: Nichteinhaltung von Wartezeiten durch Beigeladene - nicht alle geltend gemachten Vergabeverstöße rechtzeitig gerügt und daher teilweise mit ihrem Vortrag präkludiert – Unterschied zwischen Rüge und Anregung: "Es kommt nicht klar zum Ausdruck, dass die Antragstellerin das Fehlen sonstiger Preisgleitklauseln rügt. Eine Rüge muss erkennen lassen, dass ein Vergaberechtsverstoß behauptet und seine Beseitigung ernsthaft gefordert wird. Darin unterscheidet sich die Rüge von der bloßen Anfrage oder Anregung (Weyand, ibr-online-Kommentar Vergaberecht, § 107 GWB; Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 2. Aufl., § 107 Rn. 991, VK Baden-Württemberg vom 30.3.2007, 1 VK 8/07, VK Baden-Württemberg vom 27.11.2009, 1 VK 57/09). Die Frist zur Angebotsabgabe endete am 03.02.2010, nachdem sie mit Schreiben vom 01.02.2010 um 2 Tage verlängert worden war. Das Angebotsende am 03.02.2010 war zwar nicht in der Bekanntmachung benannt, § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB muss aber als eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben entsprechende Anwendung auf die hier vorliegende Konstellation finden, in der der Auftraggeber in einem Schreiben an alle Interessenten die Angebotsabgabefrist verlängert (so auch OLG Düsseldorf, B.v. 29.04.2009, Az. VII Verg- 76/08, a.A. KG Berlin, B.v. 11.07.2000 - Az KartVerg 7/00). Die Rüge erfolgte daher noch rechtzeitig vor Ablauf der Angebotsabgabefrist. …. Die Rüge erfolgte aber nach Auffassung der Kammer nicht rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB. Danach ist der Antrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Das Gebot der unverzüglichen Rüge gilt dann, wenn das Unternehmen einen erkennbaren Vergaberechtsverstoß tatsächlich erkennt. Insoweit kommt § 107 Abs. 3 Nr.1 GWB stets neben Nr. 2 und Nr. 3 GWB zur Anwendung. Die Rügeobliegenheit nach Nr. 1 erfasst den Zeitraum des gesamten Vergabeverfahrens. Sinn und Zweck der Rügeobliegenheit ist es - auch nach der Änderung des Gesetzes -, dem Auftraggeber nach positivem Erkennen des Verstoßes möglichst schnell die Möglichkeit zu einer Behebung des Mangels zu geben. Auch erst in den Vergabeunterlagen erkennbare Verstöße gegen Vergabevorschriften sind, wenn sie positiv erkannt wurden, unverzüglich zu rügen. Dies kann nach Auffassung der Kammer deutlich vor Ende der Angebotsabgabefrist der Fall sein. Die Antragstellerin führte in der mündlichen Verhandlung aus, dass sie die Vergabeunterlagen Mitte Januar erhalten habe und sie am 17./18.01.2010 durchgeschaut habe. Sie habe dann verschiedene Fragen an die Antragsgegnerin gerichtet. Die Kammer muss daher davon ausgehen, dass die Antragstellerin bereits zu diesem Zeitpunkt Kenntnis davon hatte, dass eine allgemeine "Verhandlungsklausel" anders als in der vorangegangenen Ausschreibung vom April 2009 in den neuen Vergabeunterlagen nicht enthalten ist. Aber selbst wenn der Antragstellerin dieser Umstand erst durch das Schreiben der Antragsgegnerin vom 25.01.2010 aufgefallen sein sollte, erfolgte die Rüge vom 01.02.2010 nicht mehr unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB. Die Antragstellerin war durch die beiden vorangegangenen Nachprüfungsverfahren sensibilisiert und arbeitete die Vergabeunterlagen nach eigenen Angaben zeitnah nach Erhalt durch. Außerdem handelt es sich um eine erfahrene Bieterin, die im Umgang mit Vergabeunterlagen versiert ist. Sie hätte also binnen einer Frist von maximal wenigen Tagen gegenüber der Antragsgegnerin rügen müssen. Dies ist nicht geschehen. Inwieweit die zum irischen bzw. britischen Recht ergangene Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 28.01.2010, Rs. C-456/08 - Kommission ./. Irland und Rs. C- 406/08 - Uniplex) Auswirkungen auf die Anwendung des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB haben könnte, kann dahinstehen. Der Nachprüfungsantrag ist jedenfalls nach § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB unzulässig (s.u.). ….. Mit Schreiben vom 09.02.2010 rügte die Antragstellerin einen Verstoß gegen den Transparenzgrundsatz und das Gleichbehandlungsgebot. Im Vergabeverfahren müssten die für sämtliche Bieter relevanten Fragen beantwortet werden und an alle Bieter in anonymisierter Form übermittelt werden. Dies sei unterblieben, man habe dadurch gegen elementare Vergabegrundsätze verstoßen. Die Antragstellerin richtete ihre Frage per Email am 02.02.2010 abends an die Antragsgegnerin. Sie erhielt keine Antwort. Am 03.02.2010 endete die Frist zur Angebotsabgabe. Eine Rüge wurde erst am 09.02.2010 erhoben. Auch hier ist die Kammer der Auffassung, dass die Antragstellerin keine unverzügliche Rüge im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB erhoben hat, sie sich also nach Ende der Angebotsabgabefrist nicht ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB) an die Antragsgegnerin gewandt hat. Auch in diesem Punkt kann offen bleiben, inwieweit die Rechtsprechung des EuGH vom 28.01.2010 (Rs. C-456/08 - Kommission ./. Irland und Rs. C- 406/08 - Uniplex) auf das Tatbestandsmerkmal "unverzüglich" im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB übertragbar ist. Der Nachprüfungsantrag ist jedenfalls diesbezüglich unbegründet (s.u.). ….Der Vortrag der Antragstellerin, dass die Angebote der Bieter nicht vergleichbar seien, da die Antragstellerin, anders als die anderen Bieter über zusätzliche Informationen hinsichtlich sich ändernder Schülerzahlen verfüge, die für die Angebotsausarbeitung relevant gewesen seien und bei der Antragstellerin zu einer Verteuerung geführt habe, war vor Einreichung des Nachprüfungsantrags nicht ausdrücklich Gegenstand einer Rüge. Umstände, die eine Rüge entbehrlich machen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. …..Der Nachprüfungsantrag ist nach § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB unzulässig, soweit mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind. a) Zwischen den Mitteilungen der Antragsgegnerin vom 29.01.2010 und vom 02.02.2010, dass sie den Rügen der Antragstellerin nicht abhelfe, und dem am 25.02.2010 eingereichten Nachprüfungsantrag liegen 26 bzw. 22 volle Kalendertage. Beide Mitteilungen der Antragsgegnerin gingen am Tag der Absendung per Fax bei der Antragstellerin ein. Es sind daher mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung der Auftraggeberin vergangen. Damit ist der Nachprüfungsantrag bezüglich der Rüge hinsichtlich der Mineralölpreisgleitklausel und dem Vortrag des ungewöhnlichen Wagnisses nach § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB unzulässig. b) Die Frist des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB begann nach Auffassung der Kammer auch wirksam zu laufen. Ein unterbliebener Hinweis oder eine Belehrung über die Frist des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB hat nicht zur Folge, dass der Nachprüfungsantrag bezüglich des jeweiligen geltend gemachten Vergabeverstoßes auch nach Ablauf der Frist ohne zeitliche Begrenzung noch zulässig ist. In der Bekanntmachung vom 19.12.2009 gab die Antragsgegnerin beim Abschnitt VI ("Zusätzliche Informationen") unter Ziffer 4.1) des einheitlichen Formulars als zuständige Stelle für Nachprüfungsverfahren die Vergabekammer Baden-Württemberg nebst Anschrift, E-Mail-Adresse, Telefonnummer, Homepage und Faxnummer an. Die Ziffern 4.2) und 4.3) blieben unausgefüllt. Die Schreiben, mit denen die Antragsgegnerin den Rügen nicht abgeholfen hat (29.01.2010 und 02.02.2010), enthalten keinen Hinweis auf die Frist nach § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB. Mit der Neuregelung des § 107 Abs. 3 GWB beabsichtigte der Gesetzgeber, frühzeitig Klarheit über die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens zu schaffen (BT-Drs. 16/10117, S.22). Wenn die Frist des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB überschritten ist, ist der Nachprüfungsantrag bezüglich dieses gerügten Vergaberechtsverstoßes unzulässig. So entschied auch das OLG Karlsruhe mit Beschluss vom 08.01.2010, 15 Verg 1/10 in einem Verfahren, in dem die Bekanntmachung in den Feldern VI.4.2) und VI.4.3) ebenfalls keinen Hinweis auf § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB enthielt (so auch VK Baden-Württemberg, B. v. 04.01.2010, 1 VK 74/09). Die Vergabekammer Sachsen, B. v. 14.09.2009, 1/SVK/ 042-09 hielt einen Nachprüfungsantrag ebenfalls für insoweit unzulässig, wie die Frist nach § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB überschritten war und wies darauf hin, dass es sich bei der Regelung um eine der zentralen Neuerungen des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts handele (Beschluss vom 14.09.2009, 1/SVK/042-09). Auch die Vergabekammer Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 18.12.2009 ging bei der Fristüberschreitung von Unzulässigkeit aus (B.v. 18.12.2009, VK 2 LVwA LSA-30/09). Anderer Ansicht sind OLG Celle, B. v. 04.03.2010, 13 Verg 1/10; VK Bund, B. v. 30.10.2009, VK 2-180/09- Frage im Ergebnis offen lassen; VK Sachsen, B. v. 11.12.2009, 1/SVK/054-09; und VK Südbayern, B.v. 05.02.2010, Z3-3-3194-1-66-12/09. In den Vorschriften des GWB findet sich weder eine Regelung, die den öffentlichen Auftraggeber zu einem Hinweis oder einer Belehrung im Hinblick auf § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB verpflichtet, noch werden die Rechtsfolgen eines unterbliebenen Hinweises geregelt, anders als beispielsweise in § 58 VwGO oder § 79 VwVfG. Dieser Umstand spricht nach Auffassung der Kammer gegen den Willen des Gesetzgebers eine Rechtsbehelfsfrist einzuführen, auf die seitens des Auftraggebers explizit hinzuweisen wäre. Die Kammer geht nicht von einer bewussten Regelungslücke des Gesetzgebers aus, die hier einen Rückgriff auf § 58 VwGO analog zuließe. Die Gesetzessystematik des GWB deutet nach Auffassung der Kammer ebenfalls nicht auf eine "echte Rechtsbehelfsfrist" hin, zumindest nicht mit der Folge, dass bezüglich der Nr. 4 eine zwingende Hinweispflicht für den Auftraggeber besteht, insofern abweichend zu den Nummern 1 bis 3. § 107 Abs. 3 GWB enthält eine Präklusionsregelung zur Vermeidung unnötiger Verfahren (Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 2.A. § 107 Rn 10 und Rn. 122). Im Zuge der Modernisierung des Vergaberechts wurde die 15- Tages- Frist als eine weitere Nummer zu den Nr. 1 bis 3 eingefügt. Im Falle einer nicht rechtzeitigen Rüge ist der Nachprüfungsantrag insoweit unzulässig. Nichts spricht dafür, dass sich die Rechtsfolge der Nr. 4 von derjenigen der Nummern 1 bis 3 unterscheiden solle. Eines ausdrücklichen Hinweises auf die Rügepflicht in den Verdingungsunterlagen bedarf es nicht. Dies wird weder durch die Vergabe- und Rechtsmittelrichtlinien noch durch die Vorschriften des nationalen Rechts gefordert. Den Bietern wird daher abverlangt, dass sie die rechtlichen Grundlagen hinreichend kennen (zu § 107 GWB a.F.: Reidt, in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 2.A., § 107 Rn 28). Gleiches gilt nach Auffassung der Kammer auch bei § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB. Aus dem Text der Richtlinien 2004/18/EG vom 31.03.2004 (ABl. EG 04 Nr. L 134, S. 114) und 2007/66/EG vom 11.12.2007 (ABl. L 335/31) direkt lässt sich ebenfalls keine dahingehende Vorgabe entnehmen, dass der Auftraggeber die Bieter über im Nachprüfungsverfahren geltende Fristen belehren oder explizit darauf hinweisen muss. Neben den Artikeln 2a und 2b der Richtlinie 2007/66/EG zur sog. "Stillhaltefrist", regelt Art. 2c die Fristen für die Beantragung einer Nachprüfung, ohne Belehrungs- oder Hinweispflichten zu statuieren. Nach Art. 2 f Abs. 2 werden in allen anderen Fällen, einschließlich der Beantragung einer Nachprüfung gemäß Art. 2 e Abs. 1, die Fristen für die Beantragung einer Nachprüfung vorbehaltlich des Art. 2 c durch das einzelstaatliche Recht geregelt. Der EuGH entschied zudem, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen grundsätzlich dem Effektivitätsgebot genügt, da sie ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit ist (EuGH, Urteil vom 12.12.2002, C-470/99). Die nationalen Nachprüfungsinstanzen sind allerdings verpflichtet, die auf Gemeinschaftsrecht beruhenden Rügen trotz Ablaufs der Ausschlussfrist zuzulassen, wenn die Frist deshalb nicht eingehalten werden konnte, weil der Auftraggeber durch sein Verhalten den Rechtsschutz unmöglich machte oder unzumutbar erschwerte (EuGH, Urteil vom 27.02.2003, C-327/00). Davon ist nach Auffassung der Kammer nicht auszugehen, wenn ein öffentlicher Auftraggeber nicht explizit auf die 15-Tagesfrist des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB hinweist. Auch aus § 17 a VOL/A in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1564/2005 der Kommission vom 07.09.2005 zur Einführung von Standardformularen für die Veröffentlichung von Vergabebekanntmachungen im Rahmen von Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge gemäß der Richtlinie 2004/17/EG und der Richtlinie 2004/18/EG lässt sich nach Auffassung der Kammer nicht zwingend auf eine Hinweis- oder Belehrungspflicht des Auftraggebers schließen. In Anhang 2 der Verordnung ist festgelegt, wie das Standardformular der Bekanntmachung auszusehen hat. Es dient der einheitlichen Veröffentlichungspraxis innerhalb der EU, unabhängig davon, für welches nationale Rechtsschutzsystem sich ein Mitgliedsstaat im einzelnen entschieden hat. Auch wenn die Anlagen ebenfalls Bestandteile der Verordnung sind, hält die Kammer einen einheitlichen Formularvordruck für ungeeignet, um daraus konkrete Hinweis- und Belehrungspflichten mit entsprechenden Rechtsfolgen im Fall eines Verstoßes herzuleiten. Zudem fehlt es nach Einschätzung der Kammer an der Eindeutigkeit dieses Formulars für die Herleitung konkreter Pflichten. Der Vordruck sieht unter der Überschrift 4.) "Nachprüfungsverfahren und Rechtsbehelfsverfahren" die Felder VI.4.2) "Einlegung von Rechtsbehelfen" oder VI.4.3) "Stelle, bei der Auskünfte über die Einlegung von Rechtsbehelfen erhältlich sind" vor, wobei bereits dem Wortlaut der Überschrift nach Nachprüfungsverfahren und Rechtsbehelfsverfahren im Sinne des Vordrucks nicht identisch sind. Außerdem ist - Identität von Nachprüfungsverfahren und Rechtsbehelfsverfahren vorausgesetzt - entweder VI.4.2) ODER VI.4.3) auszufüllen. Es würde also genügen, die Stelle zu benennen, bei der Auskünfte über die Einlegung von Rechtsbehelfen erhältlich sind. Dies ist nicht die jeweils zuständige Vergabekammer (VK Bund, B.v. 30.10.09, VK 2-180/09), sondern (allenfalls) die Vergabestelle selbst, die bereits unter I.1.) der Bekanntmachung als Kontaktstelle benannt ist. Damit wird deutlich, dass vom Bieter ein aktives Tätigwerden zur Informationsgewinnung verlangt wird und nicht zwingend vom Auftraggeber auf § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB hinzuweisen ist. Eine Verpflichtung des Auftraggebers zu einem Hinweis mit der Rechtsfolge, dass anderenfalls die Frist nicht zu laufen beginnt, kann sich daher nach Auffassung der Kammer auch aus dem Anhang II der VO (EG) 1564/2005 nicht ergeben.

      Die Frist des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB begann daher mit den Schreiben der Antragsgegnerin, der Rüge nicht abzuhelfen, zu laufen und ist vorlegend deutlich überschritten. Folglich ist der Nachprüfungsantrag größtenteils unzulässig. B. Der Nachprüfungsantrag ist, soweit er zulässig ist, unbegründet." - kein Verstoß gegen § 17 Nr. 6 Abs. 2 VOL/A und § 18 a Nr. 1 Abs. 5 VOL/A – offen gelassen Nichtberücksichtigung wegen fehlender Eignung im Sinne des § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A bzw. wegen der Nichtvorlage zwingend geforderter Unterlagen gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 a) iVm § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A – jedenfalls unbegründete Anträge – kein Verstoß durch Preisgleitklausel wegen Veränderung des Mineralölpreises gegen § 15 Nr. 2 VOL/A – kein ungewöhnliches Wagnis nach § 8 Nr. 1 III VOL/A: „Die Frage, ob ein vertraglich aufgebürdetes Wagnis ungewöhnlich und damit unzulässig ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung von Art und Umfang der nachgefragten Leistung, sowie unter Beachtung des Gesichtspunkts der Branchenüblichkeit zu klären (Prieß in: Kulartz/ Marx/ Portz/ Prieß, Kommentar zur VOL/A, § 8 Rn 75)…..Personalkosten …..Veränderungen der Anzahl der Schüler und der zu fahrenden Touren Ausgleich durch Vergütung der tatsächlich gefahrenen Besetztkilometer einschließlich der Besetztstunden: „Die Vorgaben der Antragsgegnerin übersteigen somit nicht das normale vertragliche unternehmerische Risiko. Die Antragstellerin hat zudem keinen Anspruch auf den Erhalt von in der Vergangenheit möglicherweise sie begünstigenden vertraglichen Regelungen. ….."

      6. EUG, Urt. v. 20. Mai 2010 – T288/06 – Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte - Antrag Deutschlands wegen Nichtigerklärung der Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen (ABl. 2006, C179, S. 2) zurückgewiesen - auf öffentliche Aufträge anwendbare Vorschriften – Vergabe öffentlicher Aufträge, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen – gescheiterte Klage gegen die Mitteilung der Kommission zum Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte – Mitteilung der Kommission als anfechtbare Handlung, die Rechtswirkungen entfalten soll – Ergebnis: „Nach alledem enthält die Mitteilung keine neuen Regeln für die Vergabe öffentlicher Aufträge, die über die Verpflichtungen hinausgehen, die sich aus dem bestehenden Gemeinschaftsrecht ergeben. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitteilung verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, die geeignet sind, die Rechtsstellung der Bundesrepublik Deutschland und der Streithelfer zu berühren; daher ist die Klage als unzulässig abzuweisen.“ - das Europäische Gericht (5. Kammer) hat folgendes Urteil erlassen –
      Urteil:
      Sachverhalt

      1 Am 23. Juni 2006 erließ die Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf das „Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen“ (im Folgenden: Mitteilung). In Bezug auf die Vergabe öffentlicher Aufträge hatte die Europäische Gemeinschaft nämlich 2004 die Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. L 134, S. 1) und die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) mit detaillierten Vorschriften für wettbewerbsorientierte Vergabeverfahren erlassen (im Folgenden zusammen: Vergaberichtlinien).
      2 Bestimmte Aufträge fallen jedoch nicht oder nur teilweise unter diese Richtlinien. Nach dem Wortlaut der Mitteilung betrifft sie Aufträge unterhalb der Schwellenwerte für die Anwendung der Vergaberichtlinien und Aufträge gemäß Anhang II Teil B der Richtlinie 2004/18 und Anhang XVII Teil B der Richtlinie 2004/17, die die Schwellenwerte dieser Richtlinien überschreiten (im Folgenden: II﷓B-Aufträge).
      3 Ferner wird in der Mitteilung darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Binnenmarktregeln auch für Aufträge gälten, die nicht unter die Vergaberichtlinien fielen. Die Kommission erläutert darin ihr Verständnis der Rechtsprechung des Gerichtshofs und stellt bewährte Verfahren vor, um die Mitgliedstaaten darin zu unterstützen, die Möglichkeiten des Binnenmarkts voll auszuschöpfen. In der Mitteilung heißt es jedoch, dass sie keine neuen rechtlichen Regeln einführe.
      4 In der Mitteilung werden die bei der Auftragsvergabe zu beachtenden Grundanforderungen dargestellt, die sich direkt aus den Vorschriften des EG-Vertrags in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof ergäben.
      5 Die Mitteilung unterscheidet demnach zwischen öffentlichen Aufträgen, die für den Binnenmarkt nicht relevant sind und für die die aus dem EG﷓Vertrag abgeleiteten Anforderungen nicht gelten, und Aufträgen, die in hinreichendem Zusammenhang mit dem Funktionieren des Binnenmarkts stehen und diese Anforderungen erfüllen müssen. Die Binnenmarktrelevanz jedes öffentlichen Auftrags sei im Einzelfall von den Auftraggebern zu beurteilen. Wenn die Prüfung des öffentlichen Auftrags ergebe, dass er für den Binnenmarkt relevant sei, müsse die Vergabe unter Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Grundanforderungen erfolgen.
      6 Punkt 2 der Mitteilung behandelt die Grundanforderungen für die Vergabe von Aufträgen mit Binnenmarktrelevanz. Hier leitet die Kommission aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Verpflichtung zur Transparenz ab, wonach der Auftraggeber einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen müsse, der den Markt dem Wettbewerb öffne.
      In Punkt 2.1.1 der Mitteilung folgert sie daraus, dass sich die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs festgelegten Erfordernisse nur erfüllen ließen, wenn vor der Auftragsvergabe eine hinreichend zugängliche Bekanntmachung veröffentlicht werde.
      Ferner werden in Punkt 2.1.2 der Mitteilung eine Reihe konkreter Wege der Bekanntmachung genannt, die angemessen und gängig seien. Hierzu gehörten das Internet, nationale Amtsblätter, Ausschreibungsblätter, regionale oder überregionale Zeitungen und Fachpublikationen, lokale Medien sowie das Amtsblatt der Europäischen Union/die TED-Datenbank (Tenders Electronic Daily, im Internet verfügbare Datenbank europäischer öffentlicher Aufträge).
      7 Die Vergabe öffentlicher Aufträge muss nach Punkt 2.2 der Mitteilung im Einklang mit den Vorschriften und Grundsätzen des EG-Vertrags erfolgen, wobei insbesondere das Diskriminierungsverbot und der Transparenzgrundsatz zu beachten seien. Ein angemessener Grad von Öffentlichkeit, der den Markt dem Wettbewerb öffne und die Nachprüfung ermögliche, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden seien, lasse sich am besten durch eine diskriminierungsfreie Beschreibung des Auftragsgegenstands, gleichen Zugang für Wirtschaftsteilnehmer aus allen Mitgliedstaaten, gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise, angemessene Fristen sowie einen transparenten und objektiven Ansatz erreichen.
      8 Schließlich wird unter Punkt 2.3 der Mitteilung hervorgehoben, wie wichtig es für den Rechtsschutz sei, dass nachgeprüft werden könne, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden seien.
      Verfahren
      9 Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Klageschrift, die am 12. September 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.
      (es folgen Frankreich, Niederlande, Polen etc.)
      Anträge der Verfahrensbeteiligten
      20 Die Bundesrepublik Deutschland beantragt,
      – die Mitteilung für nichtig zu erklären;
      – der Europäischen Kommission die Kosten aufzuerlegen.
      21 Die Französische Republik, die Republik Österreich und das Königreich der Niederlande beantragen,
      – die Mitteilung für nichtig zu erklären;
      – der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
      22 Das Parlament und die Republik Polen beantragen, die Mitteilung für nichtig zu erklären.
      23 Die Kommission beantragt,
      – die Klage als unzulässig abzuweisen;
      – der Bundesrepublik Deutschland die Kosten aufzuerlegen.
      Zur Zulässigkeit
      A – Vorbemerkungen
      24 Die Kommission stellt, ohne eine förmliche Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, die Zulässigkeit der Klage mit der Begründung in Abrede, die Mitteilung sei keine mit einer Nichtigkeitsklage anfechtbare Handlung. Da sie Auslegungsfragen betreffe, sei sie ihrer Form nach ein Akt, der zur Kategorie der Empfehlungen und Stellungnahmen gehöre, die nach dem EG-Vertrag nicht verbindlich seien. Die Wahl dieser Rechtsform lege deshalb bereits den Schluss nahe, dass der Akt keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeugen solle. Eine Auslegungsmitteilung diene in der Regel zur Erläuterung der Rechte und Pflichten, die sich aus Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs, ergäben. Daraus folge, dass eine Auslegungsmitteilung ihrer Natur nach kein Akt sei, der verbindliche Rechtswirkungen für Dritte erzeugen und mit einer Nichtigkeitsklage angegriffen werden könne. Ferner ergebe sich aus dem Wortlaut der Mitteilung, dass die Kommission nicht die Absicht gehabt habe, rechtlich verbindliche Regeln aufzustellen; er zeige vielmehr, dass die Mitteilung entweder die Rechtsprechung des Gerichtshofs wiedergebe oder durch unverbindliche Empfehlungen auf ihr Verständnis dieser Rechtsprechung hinweise.
      25 Es ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Nichtigkeitsklage gegen alle Handlungen der Organe gegeben ist, die dazu bestimmt sind, Rechtswirkungen zu erzeugen, unabhängig von Rechtsnatur oder Form dieser Handlungen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 20. März 1997, Frankreich/Kommission, C﷓57/95, Slg. 1997, I﷓1627, Randnr. 7 und die dort angeführte Rechtsprechung).
      26 Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine von der Kommission stammende Mitteilung, die in vollem Umfang in Teil C des Amtsblatts veröffentlicht wurde. Wie sich aus der Akte ergibt, dient die Mitteilung zur Kundmachung der allgemeinen Vorgehensweise der Kommission bei der Anwendung aller Grundanforderungen an die Vergabe öffentlicher Aufträge, die sich unmittelbar aus den Vorschriften und Grundsätzen des EG-Vertrags, insbesondere dem Diskriminierungsverbot und dem Grundsatz der Transparenz, ergeben, auf die Vergabe von Aufträgen, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen.
      27 Um beurteilen zu können, ob die Mitteilung Rechtswirkungen erzeugen soll, die gegenüber denen, die sich aus der Anwendung der tragenden Grundsätze des EG-Vertrags ergeben, neu sind, ist daher ihr Inhalt zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 9. Oktober 1990, Frankreich/Kommission, C﷓366/88, Slg. 1990, I﷓3571, Randnr. 11, vom 13. November 1991, Frankreich/Kommission, C﷓303/90, Slg. 1991, I﷓5315, Randnr. 10, und vom 20. März 1997, Frankreich/Kommission, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 9).
      28 Somit ist zu prüfen, ob die Mitteilung nur die Bestimmungen über den freien Warenverkehr, die Niederlassungsfreiheit, den freien Dienstleistungsverkehr, das Diskriminierungsverbot, die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit sowie die Regeln der Transparenz und der gegenseitigen Anerkennung erläutert, die für Aufträge gelten, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen, oder ob sie gegenüber diesen Bestimmungen, Grundsätzen und Regeln spezifische oder neue Verpflichtungen festlegt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 16. Juni 1993, Frankreich/Kommission, C﷓325/91, Slg. 1993, I﷓3283, Randnr. 14, und vom 20. März 1997, Frankreich/Kommission, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 13).
      29 Daher lässt der von der Kommission geltend gemachte Umstand, dass sich eine Mitteilung zu Auslegungsfragen ihrer Form, ihrer Natur oder ihrem Wortlaut nach nicht als Akt darstellt, der Rechtswirkungen erzeugen soll, für sich genommen nicht den Schluss zu, dass sie keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeugt.
      30 Die Bundesrepublik Deutschland räumt zwar ein, dass es Mitteilungen der Kommission mit unverbindlichem Charakter gebe, die veröffentlicht würden. Im vorliegenden Fall sei die Veröffentlichung der Mitteilung jedoch ein Umstand, der bei der Beurteilung ihrer Rechtswirkungen nicht vernachlässigt werden dürfe. Die Veröffentlichung sei nämlich eine notwendige Voraussetzung für das Vorliegen eines Rechtssatzes, und die Mitteilung sei wie ein Rechtssatz auf Außenwirkung angelegt.
      31 Hierzu geht aus den obigen Ausführungen hervor, dass die Klage, wenn die Prüfung des Inhalts der Mitteilung ergibt, dass sie spezifische oder neue Verpflichtungen festlegt, für zulässig zu erklären ist, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die Mitteilung veröffentlicht wurde. Fehlt es hingegen an solchen Verpflichtungen, kann allein aus der Veröffentlichung der Mitteilung nicht geschlossen werden, dass es sich bei ihr um einen Rechtsakt handelt, der mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden kann.
      B – Zum Inhalt der Mitteilung
      32 Die Bundesrepublik Deutschland, unterstützt durch die Streithelfer, beruft sich im Wesentlichen darauf, dass die Mitteilung ein verbindlicher Akt sei, da sie neue Regeln für die Vergabe öffentlicher Aufträge enthalte, die über die sich aus dem bestehenden Gemeinschaftsrecht ergebenden Verpflichtungen hinausgingen und rechtliche Wirkungen für die Mitgliedstaaten erzeugten; daraus ergebe sich die mangelnde Zuständigkeit der Kommission für den Erlass solcher Regeln.
      33 Die Bundesrepublik Deutschland und die Streithelfer tragen hierzu erstens vor, die Mitteilung schaffe, insbesondere in Punkt 2.1, für Aufträge unterhalb der Schwellenwerte der Vergaberichtlinien und für II﷓B-Aufträge eine Verpflichtung zur vorherigen (ex ante) Bekanntmachung, die in den Grundprinzipien des EG-Vertrags nach ihrer Auslegung durch den Gerichtshof nicht vorgesehen sei. Die Bundesrepublik Deutschland trägt zweitens vor, die sich aus Punkt 2.2 der Mitteilung ergebenden Verpflichtungen gingen deutlich über das hinaus, was sich der Auslegung der Grundprinzipien des EG-Vertrags durch den Gerichtshof entnehmen lasse. Drittens macht sie geltend, dass die Ausnahmebestimmungen, die die Vergaberichtlinien für eine freihändige Auftragsvergabe vorsähen, in Punkt 2.1.4 der Mitteilung ohne Weiteres auf Aufträge außerhalb des Anwendungsbereichs der Vergaberichtlinien übertragen würden. Schließlich leitet sie eine Rechtswirkung aus Punkt 1.3 der Mitteilung ab, der die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EG bei Nichtbefolgung der Mitteilung vorsehe. Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland und der Streithelfer ist aus alldem zu schließen, dass die Mitteilung Rechtswirkungen erzeugen solle.
      1. Zur ersten Rüge: Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung (Punkt 2.1.1 der Mitteilung)
      a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
      Bundesrepublik Deutschland
      34 Die Bundesrepublik Deutschland trägt vor, die Mitteilung sehe insbesondere in Punkt 2.1.1 vor, dass die Mitgliedstaaten grundsätzlich verpflichtet seien, beabsichtigte Auftragsvergaben, also auch öffentliche Aufträge unterhalb der Schwellenwerte der Vergaberichtlinien und II﷓B-Aufträge, vorher bekannt zu geben. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, auf die sich die Mitteilung stütze, lasse sich aber keine Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung und damit zur Schaffung von Ex-ante-Transparenz ableiten. Eine solche Verpflichtung lasse sich somit den Grundprinzipien des EG-Vertrags oder ihrer Auslegung durch den Gerichtshof nicht entnehmen.
      35 In ihren mündlichen Ausführungen hat die Bundesrepublik Deutschland hinzugefügt, auch wenn einige nach Erlass der Mitteilung ergangene Urteile des Gerichtshofs eine Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung beträfen, könne diese Entwicklung der Rechtsprechung eine solche Verpflichtung nicht rückwirkend begründen.
      36 Die Rechtsprechung des Gerichtshofs, auf die sich die Mitteilung stütze, und insbesondere die Urteile vom 7. Dezember 2000, Telaustria und Telefonadress (C﷓324/98, Slg. 2000, I﷓10745, im Folgenden: Urteil Telaustria), vom 21. Juli 2005, Coname (C﷓231/03, Slg. 2005, I﷓7287), und vom 13. Oktober 2005, Parking Brixen (C﷓458/03, Slg. 2005, I﷓8585), beträfen nur Dienstleistungskonzessionen, d. h. einen Bereich, auf den die Mitteilung nicht anwendbar sei.
      37 Zudem unterschieden sich Dienstleistungskonzessionen von den unterhalb der genannten Schwellenwerte liegenden öffentlichen Aufträgen in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, da sie im Allgemeinen die europäischen Anwendungsschwellen überschritten und sich so den von den Vergaberichtlinien erfassten öffentlichen Aufträgen annäherten. Während ein umfassendes Transparenzerfordernis daher bei Dienstleistungskonzessionen angemessen sein möge, sei dies bei den Aufträgen, die Gegenstand der Mitteilung seien, gerade nicht der Fall. Daher sei eine unmittelbare Übertragung der Rechtsprechung zu Dienstleistungskonzessionen auf Aufträge unterhalb der Schwellenwerte nicht möglich.
      38 Auch die beiden anderen in der Mitteilung genannten Entscheidungen, die unterhalb der Schwellenwerte liegende Aufträge beträfen (Beschluss des Gerichtshofs vom 3. Dezember 2001, Vestergaard, C﷓59/00, Slg. 2001, I﷓9505, und Urteil des Gerichtshofs vom 20. Oktober 2005, Kommission/Frankreich, C﷓264/03, Slg. 2005, I﷓8831), könnten keine Verpflichtung zu vorheriger Bekanntmachung begründen. Der Gerichtshof habe sich in keiner der Entscheidungen zu einem etwaigen Transparenzerfordernis geäußert, sondern lediglich für den ihm vorliegenden Fall das Diskriminierungsverbot für anwendbar erklärt (Beschluss Vestergaard, Randnrn. 20 und 24, und Urteil Kommission/Frankreich, Randnrn. 32 und 33). Die Verpflichtung zu Ex-ante-Transparenz werde somit nicht auf die von der Mitteilung erfassten Aufträge übertragen.
      39 Jedenfalls seien die öffentlichen Aufträge unterhalb der Schwellenwerte in der Regel als wirtschaftlich geringwertig anzusehen und tangierten nicht die Grundfreiheiten, weil die Auswirkungen auf diese eher zufällig und mittelbar seien (Urteil Coname, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 20). Diese Auffassung werde auch von Generalanwältin Sharpston in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Finnland (Urteil des Gerichtshofs vom 26. April 2007, C﷓195/04, Slg. 2007, I﷓3351, I﷓3353, Nrn. 83 und 85) geteilt.
      40 Zudem gehe die Mitteilung über das für II﷓B-Aufträge bestehende Recht hinaus, denn solche Aufträge hätten typischerweise einen besonderen lokalen Bezug und wiesen ein geringeres Potenzial für grenzüberschreitende Geschäfte auf; dies erkläre, warum der Gemeinschaftsgesetzgeber sie nur einer Verpflichtung zur Transparenz ex post unterwerfe und nicht ex ante, wie es die Mitteilung jetzt vorschreibe.
      41 Außerdem könne die Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung der Auftragsvergabe nur dann sinnvoll und effektiv sein, wenn sie auf eine Weise erfolge, die auch dem Ziel der Marktöffnung zuträglich sei. Das sei aber nicht der Fall, wenn es gar keine oder nur wenige ausländische Bieter gebe, die überhaupt ein potenzielles Interesse an den entsprechenden von der Mitteilung erfassten Aufträgen haben könnten. Der Gerichtshof habe hierzu im Urteil Coname (oben in Randnr. 36 angeführt) ausgeführt, dass es Aufträge gebe, bei denen die Auswirkungen auf die einschlägigen Grundprinzipien des EG-Vertrags zu zufällig und mittelbar seien, um deren Verletzung annehmen zu können. Punkt 1.3 der Mitteilung offenbare, dass die Kommission sich bewusst sei, dass die geringe wirtschaftliche Bedeutung einiger Aufträge diese in den Augen ausländischer Unternehmen unattraktiv werden ließen; dies rechtfertige, dass es in solchen Fällen keine Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung gebe.
      42 Mit der Festlegung von Schwellenwerten in den Vergaberichtlinien habe der Gemeinschaftsgesetzgeber ausdrücklich vorgesehen, dass unterhalb dieser Schwellen grundsätzlich davon auszugehen sei, dass eine Binnenmarktwirkung eher „zufällig oder mittelbar“ sei und somit ein Interesse ausländischer Bieter zu verneinen sein werde. Diese Wertung des Gesetzgebers sei von der Kommission zu respektieren. Diese Ansicht werde auch von Generalanwältin Sharpston in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Finnland (oben in Randnr. 39 angeführt, Nrn. 85 und 96) geteilt. Zudem sei es den öffentlichen Auftraggebern bei vernünftiger Betrachtung nicht zuzumuten, wie in Punkt 1.3 der Mitteilung vorgesehen, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Binnenmarktrelevanz gegeben sei; die Auftraggeber müssten vielmehr die ihnen obliegenden Transparenzpflichten rasch feststellen können. In der mündlichen Verhandlung hat die Bundesrepublik Deutschland hinzugefügt, dass der in Punkt 1.3 der Mitteilung verfolgte konkret-individuelle Ansatz insbesondere gegen das Urteil des Gerichtshofs vom 15. Mai 2008, SECAP und Santorso (C﷓147/06 und C﷓148/06, Slg. 2008, I﷓3565), verstoße, in dem der Gerichtshof eine abstrakt-generelle Bestimmung der Binnenmarktrelevanz eines öffentlichen Auftrags zugelassen habe.
      43 Es sei den öffentlichen Auftraggebern auch nicht zuzumuten, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein II﷓B-Auftrag oder ein Auftrag unterhalb der Schwellenwerte für den Binnenmarkt relevant sei. Der Grundsatz der Rechtssicherheit mache es nämlich erforderlich, dass die nationalen Behörden die anwendbaren Bekanntmachungspflichten rasch feststellen könnten. Genau diesem Grundsatz entsprächen die festgelegten Schwellenwerte und die Liste von II﷓B-Aufträgen.
      44 Die in der Mitteilung vorgesehene Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung gehe über das Verbot von Diskriminierungen im Vergabeverfahren (etwa Bevorzugungen deutscher Bieter gegenüber ausländischen Bietern) hinaus. Diese Verpflichtung führe zu einer Handlungspflicht der öffentlichen Auftraggeber zwecks Ermöglichung und Förderung grenzüberschreitender Angebote.
      45 Die nach der Mitteilung erforderliche Bekanntmachung nähere sich den in den Vergaberichtlinien vorgesehenen Anforderungen an und erweise sich als zeitintensiv und teuer. Nach den Schlussanträgen von Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Kommission/Finnland (oben in Randnr. 39 angeführt) sei es Sache der Mitgliedstaaten, den Transparenzgrundsatz auszugestalten. Nr. 98 dieser Schlussanträge sei auch zu entnehmen, dass die Festlegung des angemessenen Grades an Öffentlichkeit für geringwertige Aufträge Sache des nationalen Rechts sei.
      46 In der mündlichen Verhandlung hat die Bundesrepublik Deutschland hierzu erläutert, sie beanstande insbesondere, dass die Wahl des für die Vergabebekanntmachung am besten geeigneten Mediums nach dem ersten Absatz von Punkt 2.1.2 der Mitteilung Sache des jeweiligen Auftraggebers sei. Indem die Kommission auf den jeweiligen Auftraggeber abstelle, verfolge sie einen konkret-individuellen Ansatz, der sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht ableiten lasse. Die Bundesrepublik Deutschland hat insoweit ergänzend ausgeführt, dass sie den Katalog mit Hinweisen auf Wege der angemessenen Bekanntmachung in Punkt 2.1.2 der Mitteilung nicht in Frage stelle.
      47 Somit ist die Bundesrepublik Deutschland der Ansicht, dass es bei den von der Mitteilung erfassten Aufträgen gerade keine aus dem Gemeinschaftsrecht folgende Verpflichtung zu umfassender Transparenz gebe. Die sich aus der Mitteilung ergebende Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung gehe deshalb deutlich über das hinaus, was sich der Auslegung der Grundprinzipien des EG-Vertrags durch den Gerichtshof entnehmen lasse.
      Streithelfer
      48 Nach Ansicht der Französischen Republik ist zu prüfen, …….
      49 Insbesondere habe der Gerichtshof im Beschluss Vestergaard (oben in Randnr. 38 angeführt) keine allgemeine Verpflichtung zur Sicherstellung einer angemessenen Bekanntmachung in Bezug auf Aufträge unterhalb der Schwellenwerte aufgestellt; vielmehr betreffe dieser Beschluss die Anwendung des Diskriminierungsverbots und nicht die Transparenzpflicht. In Randnr. 20 des Beschlusses Vestergaard habe der Gerichtshof ausgeführt, dass bestimmte Verträge zwar vom Anwendungsbereich der Gemeinschaftsrichtlinien auf dem Gebiet der öffentlichen Aufträge ausgenommen seien, die Auftraggeber, die sie schlössen, aber gleichwohl die Grundregeln des EG-Vertrags zu beachten hätten, und er habe daraus abgeleitet, dass Art. 28 EG es einem öffentlichen Auftraggeber untersage, in die Verdingungsunterlagen zu einem Auftrag eine Klausel aufzunehmen, die für die Durchführung des Auftrags die Verwendung von Material einer bestimmten Marke ohne den Zusatz „oder gleichwertiger Art“ vorschreibe (Beschluss Vestergaard, Randnr. 24).
      50 Eine solche allgemeine Verpflichtung zu angemessener Bekanntmachung in Bezug auf Aufträge unterhalb der Schwellenwerte ergebe sich auch nicht aus dem Urteil Kommission/Frankreich (oben in Randnr. 38 angeführt). In Randnr. 32 dieses Urteils habe der Gerichtshof nämlich festgestellt, dass manche Verträge zwar vom Anwendungsbereich der Gemeinschaftsrichtlinien auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens ausgenommen seien, die Auftraggeber, die sie schlössen, aber gleichwohl die Grundregeln des EG-Vertrags und insbesondere das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit beachten müssten. Für den Gerichtshof folge daraus aber nur, dass die streitige französische Bestimmung eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Art. 49 EG darstelle, weil sie im Ergebnis die Aufgabe der Baubetreuung den in einer abschließenden Liste aufgeführten juristischen Personen französischen Rechts vorbehalten habe (Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 68).
      51 Ferner habe der Gerichtshof im Urteil Telaustria (oben in Randnr. 36 angeführt) auf eine Verpflichtung zu angemessener Bekanntmachung verwiesen, weil es sich um eine wirtschaftlich hochwertige Konzession gehandelt habe. Dieses Ergebnis werde im Wege des Umkehrschlusses durch das Urteil Coname (oben in Randnr. 36 angeführt) bestätigt, das Aufträge mit ganz geringer wirtschaftlicher Bedeutung betroffen habe.
      52 Sollte der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Verpflichtung zu angemessener Bekanntmachung zu entnehmen sein, könne diese jedenfalls nicht in einer Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung bestehen, wie sie Punkt 2.1.1 der Mitteilung vorsehe.
      53 Zudem ergebe sich aus den Schlussanträgen von Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Kommission/Finnland (oben in Randnr. 39 angeführt) und von Generalanwalt Fennelly in der Rechtssache Telaustria (oben in Randnr. 36 angeführt, Slg. 2000, I﷓10747), dass die Transparenzpflicht keine Verpflichtung zur Bekanntmachung impliziere, wie sie Punkt 2.1.2 der Mitteilung vorsehe.
      54 Zu den II﷓B-Aufträgen vertritt die Französische Republik die Ansicht, dass die Gründe, aus denen der Rat sie keiner Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung unterworfen habe, in den Erwägungsgründen 18 und 19 der Richtlinie 2004/18 erläutert würden. Daraus ergebe sich, dass die II﷓B-Aufträge nicht der vollen Anwendung der Richtlinie, d. h. insbesondere keiner Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung, unterlägen, sondern Gegenstand einer Beobachtung sein sollten, wobei das hierfür vorgesehene Instrument den Betroffenen die einschlägigen Informationen zugänglich machen solle.
      55 In der Richtlinie 2004/18 habe der Rat die II﷓B-Aufträge hinsichtlich der Bekanntmachung eindeutig einer speziellen und vollständigen Regelung unterwerfen wollen, die ein erleichtertes Vergabeverfahren sei.
      56 Die Republik Österreich ist ebenfalls der Ansicht, dass die Mitteilung eine Handlung sei, die Rechtswirkungen erzeuge, da eine generelle Verpflichtung zur Ex-ante-Bekanntmachung eingeführt worden sei, die sich weder aus dem EG-Vertrag noch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebe.
      57 Die Republik Österreich ergänzt insoweit zum Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, auch die Schlussanträge der Generalanwältinnen Stix-Hackl und Sharpston in den Rechtssachen Kommission/Irland (Urteil des Gerichtshofs vom 13. November 2007, C﷓507/03, Slg. 2007, I﷓9777, I﷓9780) und Kommission/Finnland (oben in Randnr. 39 angeführt) zeigten, dass die Rechtslage hinsichtlich der Transparenzpflicht bei Auftragsvergaben, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fielen, unklar bzw. strittig sei. Während Generalanwältin Stix-Hackl zu dem Ergebnis komme, dass bei der Vergabe von Aufträgen für nicht prioritäre Dienstleistungen zumindest in der Regel eine Bekanntmachung erforderlich sei, verneine Generalanwältin Sharpston eine generelle Verpflichtung zur Ex-ante-Transparenz bei Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Mitteilung habe noch keine Entscheidung des Gerichtshofs in diesen beiden Rechtssachen vorgelegen. Wenn die Kommission in ihrer Mitteilung somit bei allen derartigen Auftragsvergaben (also für nicht prioritäre Dienstleistungen und für geringwertige Aufträge gleichermaßen) eine vorherige Veröffentlichungspflicht annehme, schaffe sie neue Rechtswirkungen.
      58 Die den öffentlichen Auftraggebern in den Punkten 1.3 und 2.1.2 der Mitteilung auferlegten Verpflichtungen seien – so die Republik Österreich in der mündlichen Verhandlung – mit dem Urteil SECAP und Santorso (oben in Randnr. 42 angeführt) nicht zu vereinbaren, weil in der Mitteilung nicht – wie in Randnr. 32 dieses Urteils vorgesehen – die Möglichkeiten des Auftraggebers berücksichtigt würden.
      59 Ein angemessener Grad von Öffentlichkeit, der im Sinne des Urteils Telaustria (oben in Randnr. 36 angeführt) den Dienstleistungsmarkt dem Wettbewerb öffne und die Nachprüfung ermögliche, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden seien, setze keineswegs zwingend eine vorherige Bekanntmachung voraus. Denn wie sich aus der derzeit stattfindenden Überarbeitung der Richtlinien über Rechtsmittel in Vergabeverfahren ergebe (vgl. dazu das Dokument 2006/0066/COD sowie die darin vorgeschlagenen neuen Art. 2e bis 2g der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge [ABl. L 395, S. 33]), könne auch nachträglicher Rechtsschutz – ohne vorherige Bekanntmachung der Auftragsvergabe – eine effektive Überprüfung der unparteiischen Durchführung eines Vergabeverfahrens ermöglichen.
      60 Auch wenn die rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im öffentlichen Auftragswesen und im Beihilfenrecht nicht völlig deckungsgleich seien, sei ferner auf die De-minimis-Regel im Beihilfenrecht hinzuweisen, nach der Beihilfen unterhalb bestimmter Schwellenwerte den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht spürbar beeinträchtigten und den Wettbewerb nicht verfälschten oder zu verfälschen drohten. Bei einer vergleichenden Betrachtung beider Sachverhalte erscheine es nicht unplausibel, davon auszugehen, dass eine Binnenmarktrelevanz, die zur Öffnung des Wettbewerbs eine Ex-ante-Bekanntmachung zwingend gebieten würde, bei Auftragsvergaben unterhalb der Schwellenwerte nicht gegeben sei. Denn die Beihilfen kämen unmittelbar den Unternehmen zugute, während die vergaberechtlichen Schwellenwerte an den Auftragswert anknüpften, wobei der (insoweit mit einer Beihilfe vergleichbare) Gewinn des Unternehmens nur einen geringen Bruchteil des Auftragswerts ausmache.
      61 Schließlich lasse sich dem neunzehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 implizit entnehmen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber es für Aufträge über nicht prioritäre Dienstleistungen (II﷓B-Aufträge) nicht als erforderlich angesehen habe, alle Möglichkeiten für eine Zunahme des grenzüberschreitenden Handels auszunutzen. Der Grund für diese Unterscheidung könne aber wohl nur darin liegen, dass den von der vollen Anwendung der Richtlinie ausgenommenen Auftragsvergaben keine hinreichende Binnenmarktrelevanz beigemessen werde, um eine volle Ausnutzung der Möglichkeiten für eine Zunahme des grenzüberschreitenden Handels – wozu eine generelle Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung von Auftragsvergaben zu zählen sei – zu rechtfertigen.
      62 Das Königreich der Niederlande macht geltend, die Kommission gehe bei ihrer Auslegung des Gemeinschaftsrechts über die Rechtsprechung hinaus, indem sie eine umfassende Regelung schaffe, die den Mitgliedstaaten eine Verpflichtung zur Ex-ante-Transparenz für alle von der Mitteilung erfassten öffentlichen Aufträge auferlege, wohingegen der Gerichtshof bisher nicht über diese Frage entschieden habe.
      63 Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit müsse die Frage, ob mit der Mitteilung neue Verpflichtungen geschaffen würden, auf der Grundlage der zum Zeitpunkt des Erlasses der Mitteilung bekannten Rechtsprechung entschieden werden. Der später ergangenen Rechtsprechung sei aber zu entnehmen, dass die Mitteilung deren Entwicklung offensichtlich vorgreife.
      Kommission
      64 In Bezug auf den konkreten Inhalt der Mitteilung und die von der Bundesrepublik Deutschland angeführten rechtsetzenden Elemente, bei denen es sich im Wesentlichen um die Umgehung der Schwellenwerte der Vergaberichtlinien und die Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung handelt, bestreitet die Kommission, dass diese Elemente der Mitteilung neue Rechtsregeln aufstellten. Sie beschränkten sich im Einklang mit Art. 211 EG auf eine nähere Erläuterung der Vorschriften und Grundsätze des EG-Vertrags nach ihrer Auslegung in der Rechtsprechung des Gerichtshofs.
      65 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland und der Streithelfer entgegen, dass die Mitteilung die Entscheidung des Gesetzgebers unterlaufe, Vorschriften über die Bekanntmachung nur für öffentliche Aufträge vorzusehen, die bestimmte Schwellenwerte erreichten. Sie trägt hierzu vor, der Gesetzgeber habe nur oberhalb der Schwellenwerte der Richtlinien detaillierte Regelungen für erforderlich gehalten, unterhalb dieser Schwellenwerte dagegen die Anwendung der Vorschriften und Grundsätze des EG-Vertrags für ausreichend gehalten. Jedoch habe er die Anwendung dieser Vorschriften und Grundsätze des EG-Vertrags für öffentliche Aufträge unterhalb des Schwellenwerts durch die Richtlinien weder ausschließen wollen noch ausschließen können.
      66 Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere aus den Urteilen Telaustria (oben in Randnr. 36 angeführt) und Kommission/Frankreich (oben in Randnr. 38 angeführt). Der Gerichtshof habe im Urteil Telaustria ausgeführt, dass die öffentlichen Auftraggeber bei Verträgen, die von den Vergaberichtlinien ausgenommen seien, gleichwohl die Grundregeln des EG-Vertrags im Allgemeinen und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Besonderen zu beachten hätten (Urteil Telaustria, Randnr. 60). Diese Erwägungen würden durch Randnr. 33 des Urteils Kommission/Frankreich untermauert. Ebenso habe der Gerichtshof im Urteil Coname (oben in Randnr. 36 angeführt) bestätigt, dass für Verträge außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie, etwa für Konzessionsverträge, weiterhin die allgemeinen Regeln des EG-Vertrags gälten. Der europäische Gesetzgeber habe diese Rechtsprechung beim Erlass der Vergaberichtlinien im neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/17 berücksichtigt.
      67 Der Gerichtshof habe auch den Inhalt der Transparenzpflicht konkretisiert und festgestellt, dass in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Unternehmen vor der Vergabe Zugang zu angemessenen Informationen über den jeweiligen Auftrag haben müssten, so dass sie gegebenenfalls ihr Interesse am Erhalt dieses Auftrags bekunden könnten (Urteil Coname, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 21).
      b) Würdigung durch das Gericht
      68 Die Bundesrepublik Deutschland und die Streithelfer tragen vor, in Punkt 2.1.1 der Mitteilung werde eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten eingeführt, beabsichtigte Auftragsvergaben grundsätzlich vorher bekannt zu geben; dies stelle gegenüber den Grundsätzen des EG-Vertrags eine neue Verpflichtung dar.
      69 Hinsichtlich der auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen mit Binnenmarktrelevanz anwendbaren Vorschriften und Grundsätze des EG-Vertrags (Punkt 1.1 der Mitteilung) sieht die Mitteilung in Punkt 2.1 die für die Bekanntmachung geltenden Grundanforderungen vor. Hierzu bestimmt Punkt 2.1.1 unter der Überschrift „Verpflichtung zur Sicherstellung einer angemessenen Bekanntmachung“:
      „Gemäß dem [Gerichtshof] schließen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung eine Verpflichtung zur Transparenz ein, wonach der Auftraggeber zugunsten potenzieller Bieter einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen muss, der den Markt dem Wettbewerb öffnet.
      Die Verpflichtung zur Transparenz bedeutet, dass in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Unternehmen vor der Vergabe Zugang zu angemessenen Informationen über den jeweiligen Auftrag haben müssen, so dass sie gegebenenfalls ihr Interesse am Erhalt dieses Auftrags bekunden können.
      Das Kontaktieren einer bestimmten Anzahl potenzieller Bieter ist nach Auffassung der Kommission nicht ausreichend, selbst wenn der Auftraggeber auch Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten einbezieht oder versucht, alle potenziellen Anbieter zu erreichen. Bei einem solch selektiven Ansatz ist nämlich nicht auszuschließen, dass potenzielle Bieter aus anderen Mitgliedstaaten – insbesondere neue Marktteilnehmer – diskriminiert werden. Das Gleiche gilt für alle Formen ‚passiver‘ Information, bei denen der Auftraggeber Aufträge nicht aktiv bekannt macht, sondern nur auf Informationsgesuche von Bewerbern reagiert, die durch eigene Initiative von der beabsichtigten Auftragsvergabe erfahren haben. Auch ein einfacher Verweis auf als Informationsquellen zu nutzende Medienberichte, parlamentarische oder politische Debatten oder bestimmte Ereignisse wie beispielsweise Kongresse stellt keine angemessene Bekanntmachung dar.
      Daher lassen sich die vom [Gerichtshof] festgelegten Erfordernisse nur erfüllen, wenn vor der Auftragsvergabe eine hinreichend zugängliche Bekanntmachung veröffentlicht wird. Diese Bekanntmachung sollte von dem öffentlichen Auftraggeber mit dem Ziel veröffentlicht werden, den Auftrag auf der Grundlage echten Wettbewerbs zu vergeben.“
      70 Die ersten beiden Absätze von Punkt 2.1.1 der Mitteilung geben die Rechtsprechung des Gerichtshofs in den Urteilen Telaustria, Coname und Parking Brixen (oben in Randnr. 36 angeführt) wieder und werden weder von der Bundesrepublik Deutschland noch von einem der Streithelfer beanstandet. Im Übrigen wurde der dritte Absatz von Punkt 2.1.1 der Mitteilung im schriftlichen Verfahren nicht beanstandet. Der letzte Absatz von Punkt 2.1.1 der Mitteilung enthält das Ergebnis, dass die Verpflichtung, einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherzustellen, erfüllt sei, wenn vor der Auftragsvergabe eine hinreichend zugängliche Bekanntmachung veröffentlicht werde.
      71 Die Bundesrepublik Deutschland, unterstützt durch die Streithelfer, trägt im Wesentlichen vor, dass dieser Punkt der Mitteilung für die in ihren Anwendungsbereich fallenden öffentlichen Aufträge eine Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung begründe, die sich den Grundsätzen und der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die in diesem Punkt angeführt seien, nicht entnehmen lasse. Damit werde eine neue Verpflichtung geschaffen, die der fraglichen Mitteilung den Charakter einer Handlung mit verbindlichen Rechtswirkungen verleihe und mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden könne.
      72 Daher ist zu prüfen, ob die Mitteilung lediglich diese sich für die Mitgliedstaaten aus den tragenden Grundsätzen des EG-Vertrags ergebende Verpflichtung erläutert oder ob sie, wie die Bundesrepublik Deutschland und die Streithelfer geltend machen, neue Verpflichtungen begründet.
      73 Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die in den Gemeinschaftsrichtlinien zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge vorgesehenen besonderen, strengen Verfahren nur für Verträge gelten, deren Auftragswert den in der jeweiligen Richtlinie ausdrücklich festgelegten Schwellenwert überschreitet (Beschluss Vestergaard, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 19, und Urteil Kommission/Frankreich, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 33). Die Vorschriften dieser Richtlinien gelten daher nicht für Aufträge, deren Wert den dort festgelegten Schwellenwert nicht erreicht.
      74 Das heißt jedoch nicht, dass solche Aufträge vom Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts ausgenommen sind (Beschluss Vestergaard, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 19). Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Vergabe von Aufträgen, die aufgrund des Auftragswerts nicht den in den Gemeinschaftsvorschriften vorgesehenen Verfahren unterliegen, sind die Auftraggeber nämlich gleichwohl verpflichtet, die Grundregeln des EG-Vertrags im Allgemeinen (Beschluss Vestergaard, Randnr. 20, und Urteil Kommission/Frankreich, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 32) und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Besonderen zu beachten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 18. November 1999, Unitron Scandinavia und 3 S, C﷓275/98, Slg. 1999, I﷓8291, Randnr. 29, oben in Randnr. 36 angeführte Urteile Telaustria, Randnr. 62, Coname, Randnr. 16, und Parking Brixen, Randnr. 46, sowie Urteil vom 6. April 2006, ANAV, C﷓410/04, Slg. 2006, I﷓3303, Randnr. 18).
      75 Bestätigt wird dies im Übrigen durch den neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/17, wonach für „Aufträge, deren Wert unter dem Schwellenwert für die Anwendung der Bestimmungen über die Gemeinschaftskoordinierung liegt, … auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs verwiesen [sei], der zufolge die genannten Vorschriften und Grundsätze der Verträge [der Grundsatz der Gleichbehandlung, von dem das Diskriminierungsverbot nur eine besondere Ausprägung ist, der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Transparenzpflicht] Anwendung finden“, sowie durch die Erwägungsgründe 1 und 2 der Richtlinie 2004/18, in denen von der Anwendung dieser Grundsätze auf die Vergabe aller in den Mitgliedstaaten geschlossenen Verträge, unterhalb oder oberhalb der Schwellenwerte, gesprochen wird.
      76 Der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit schließen, wie der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, insbesondere eine Transparenzpflicht ein, damit die konzessionserteilende öffentliche Stelle feststellen kann, ob diese Grundsätze beachtet worden sind (Urteile des Gerichtshofs Unitron Scandinavia und 3﷓S, oben in Randnr. 74 angeführt, Randnr. 31, Telaustria, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 61, vom 18. Juni 2002, HI, C﷓92/00, Slg. 2002, I﷓5553, Randnr. 45, Parking Brixen, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 49, und ANAV, oben in Randnr. 74 angeführt, Randnr. 21), wobei diese Verpflichtung durch den neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/17 und den zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 bestätigt wird. Demnach haben die Mitgliedstaaten und ihre ausschreibenden Stellen diese Transparenzpflicht in deren Auslegung durch den Gerichtshof bei der Vergabe sämtlicher öffentlicher Aufträge zu beachten.
      77 Weiter hat der Gerichtshof ausgeführt, dass der Auftraggeber kraft dieser Transparenzpflicht zugunsten aller potenziellen Bieter einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen muss, der den Dienstleistungsmarkt dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden (Urteile Telaustria, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 62, Parking Brixen, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 49, und ANAV, oben in Randnr. 74 angeführt, Randnr. 21).
      78 Die den öffentlichen Auftraggebern obliegende Transparenzpflicht umfasst nach Auffassung des Gerichtshofs insbesondere Erfordernisse, die geeignet sind, einem Unternehmen, das in einem anderen als dem in Rede stehenden Mitgliedstaat niedergelassen ist, vor der Vergabe des öffentlichen Auftrags Zugang zu angemessenen Informationen über ihn zu ermöglichen, so dass dieses Unternehmen gegebenenfalls sein Interesse am Erhalt des Auftrags hätte bekunden können (vgl. in diesem Sinne Urteil Coname, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 21).
      79 Dieser Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass die Transparenzpflicht im Sinne einer angemessenen Bekanntmachung eine Form der Bekanntmachung vor der Vergabe des betreffenden öffentlichen Auftrags, mit anderen Worten eine vorherige Bekanntmachung, umfasst. Folglich hat die Mitteilung entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland und der Streithelfer mit der Forderung, dass „vor der Auftragsvergabe eine hinreichend zugängliche Bekanntmachung veröffentlicht wird“, keine neue Verpflichtung der Mitgliedstaaten geschaffen, sondern lediglich an eine bestehende Verpflichtung erinnert, wie sie sich nach der Auslegung durch den Gemeinschaftsrichter aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt, das für die von der fraglichen Mitteilung erfassten Aufträge gilt.
      80 Dies wird im Übrigen, wie die Bundesrepublik Deutschland in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, durch die nach Veröffentlichung der Mitteilung ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt. Nach dieser Rechtsprechung gelten nämlich zum einen die im Primärrecht gründenden Gebote der Gleichbehandlung und der Transparenz ipso iure für Aufträge, an denen, auch wenn sie vom Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien ausgenommen sind, ein bestimmtes grenzüberschreitendes Interesse besteht (vgl. in diesem Sinne in Bezug auf die Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge [ABl. L 199, S. 1] und einen Auftrag mit einem Wert unterhalb des Schwellenwerts dieser Richtlinie Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juni 2007, Medipac-Kazantzidis, C﷓6/05, Slg. 2007, I﷓4557, Randnr. 33, in Bezug auf die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge [ABl. L 209, S. 1] und einen II﷓B-Auftrag Urteil Kommission/Irland, oben in Randnr. 57 angeführt, Randnrn. 30, 31 und 32, und in Bezug auf die Richtlinien 92/50, 93/36, 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge [ABl. L 199, S. 54] und 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor [ABl. L199, S. 84] Urteil des Gerichtshofs vom 21. Februar 2008, Kommission/Italien, C﷓412/04, Slg. 2008, I﷓619, Randnrn. 66, 81 und 82). Zum anderen kann eine nachträgliche Bekanntgabe nach Auffassung des Gerichtshofs eine angemessene Bekanntmachung im Sinne der Urteile Telaustria und Coname (oben in Randnr. 36 angeführt) nicht gewährleisten, so dass der öffentliche Auftrag aufgrund der sich aus den Grundsätzen des EG-Vertrags ergebenden Transparenzpflicht vor der Vergabe bekannt gemacht werden muss (Urteil Kommission/Irland, oben in Randnr. 57 angeführt, Randnrn. 30 und 32).
      81 Die Feststellung, dass die in Punkt 2.1.1 der Mitteilung vorgesehene Verpflichtung zu vorheriger Bekanntmachung nicht über das hinausgeht, was sich der Auslegung der Grundprinzipien des EG-Vertrags durch den Gerichtshof entnehmen lässt, wird durch die verschiedenen Argumente der Bundesrepublik Deutschland und der Streithelfer nicht in Frage gestellt.
      82 Die Bundesrepublik Deutschland macht erstens geltend, dass die Urteile Telaustria, Coname und Parking Brixen (oben in Randnr. 36 angeführt) öffentliche Aufträge über Dienstleistungskonzessionen beträfen, die zwar nicht in den Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien fielen, ihrem Wert nach aber mit den in den Anwendungsbereich dieser Richtlinien fallenden öffentlichen Aufträgen vergleichbar seien und dass daher die sich aus diesen Urteilen ergebende Rechtsprechung auf die von der Mitteilung erfassten öffentlichen Aufträge nicht anwendbar sei.
      83 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in den Urteilen, auf die sich die Bundesrepublik Deutschland stützt, um ihr Vorbringen zu untermauern, zu Konzessionsverträgen bereits entschieden hat, dass die Vergabe einer solchen Konzession zwar nicht durch eine der Vergaberichtlinien geregelt wird, für solche Verträge aber weiterhin die allgemeinen Regeln des EG-Vertrags gelten (vgl. in diesem Sinne Urteil Coname, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 16, bestätigt durch das Urteil Kommission/Frankreich, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 33). Ferner ergibt sich nach dieser Rechtsprechung die Transparenzpflicht unmittelbar aus den allgemeinen Regeln des EG-Vertrags, insbesondere aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Diskriminierungsverbot (oben in Randnr. 36 angeführte Urteile Telaustria, Randnr. 61, und Parking Brixen, Randnr. 49), wobei diese Transparenzpflicht ihrerseits eine Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung umfasst (vgl. in diesem Sinne Urteil Coname, Randnr. 21). Hingegen wird der Umstand, dass die Aufträge, um die es in diesen Urteilen ging, in ihrem Umfang mit den öffentlichen Aufträgen vergleichbar sind, für die die Vergaberichtlinien gelten, in diesen Urteilen nicht erwähnt, um die Verpflichtung zur angemessenen und insbesondere vorherigen Bekanntmachung zu begründen. Folglich lässt sich diese Rechtsprechung entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland auf die von der Mitteilung betroffenen öffentlichen Aufträge übertragen, für die auch, wie bereits ausgeführt, der Grundsatz der Gleichbehandlung und die sich aus ihm ergebende Transparenzpflicht gelten.
      84 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass dies im Übrigen durch die nach Veröffentlichung der Mitteilung ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt wird. In Randnr. 33 des Urteils Medipac-Kazantzidis (oben in Randnr. 80 angeführt) hat der Gerichtshof in Bezug auf einen öffentlichen Bauauftrag auf eine ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach öffentliche Auftraggeber bei der Auftragsvergabe, auch wenn der Wert eines ausgeschriebenen Auftrags den Schwellenwert für die Anwendung der Vergaberichtlinien, mit denen der Gemeinschaftsgesetzgeber den Bereich des öffentlichen Auftragswesens geregelt hat, nicht erreicht und der betreffende Auftrag folglich nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinien fällt, doch die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts wie den Grundsatz der Gleichbehandlung und die daraus folgende Transparenzpflicht zu beachten haben, und er hat in derselben Randnummer die Urteile Telaustria, Coname und Parking Brixen (oben in Randnr. 36 angeführt) als ständige Rechtsprechung angeführt. Damit hat der Gerichtshof die Lösungen, die er hinsichtlich der Modalitäten für den Abschluss von Verträgen über öffentliche Dienstleistungskonzessionen entwickelt hat, auf die Vorschriften für die Vergabe von Aufträgen ausgedehnt, deren finanzielles Volumen unterhalb der Schwellenwerte für die Anwendung der Richtlinien bleibt (Urteil Medipac﷓Kazantzidis, Randnr. 33).
      85 Zweitens genügt zu dem oben in Randnr. 38 zusammengefassten Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, wonach der Beschluss Vestergaard (oben in Randnr. 38 angeführt) und das Urteil Kommission/Frankreich (oben in Randnr. 38 angeführt) nur das Diskriminierungsverbot beträfen und daher keine Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung rechtfertigen könnten, der Hinweis, dass die Verpflichtung zur Transparenz, insbesondere im Wege einer angemessenen Bekanntmachung, nach der oben in Randnr. 76 angeführten Rechtsprechung gerade dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit entstammt. Da diesen Entscheidungen zu entnehmen ist, dass die Grundregeln des EG-Vertrags auf alle öffentlichen Aufträge Anwendung finden, auch wenn diese nicht von den Vergaberichtlinien erfasst werden (Beschluss Vestergaard, Randnr. 19, und Urteil Kommission/Frankreich, Randnrn. 32 und 33), hat die Kommission diesen Beschluss und dieses Urteil in der Mitteilung zu Recht angeführt.
      86 Drittens kann auch das Vorbringen keinen Erfolg haben, mit der Festlegung von Schwellenwerten in den Vergaberichtlinien habe der Gemeinschaftsgesetzgeber ausdrücklich vorgesehen, dass unterhalb dieser Schwellen grundsätzlich davon auszugehen sei, dass eine Binnenmarktwirkung eher „zufällig oder mittelbar“ sei und somit ein Interesse ausländischer Bieter zu verneinen sein werde.
      87 Hierzu ist festzustellen, dass nicht allein deshalb, weil ein öffentlicher Auftrag die Schwellenwerte für die Anwendung der Vergaberichtlinien unterschreitet, davon ausgegangen werden kann, dass seine Auswirkungen auf den Binnenmarkt nahezu unbedeutend wären. Dieser Auffassung steht die oben in den Randnrn. 73 und 74 angeführte Rechtsprechung entgegen, wonach solche Aufträge nicht vom Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts ausgeschlossen sind. Könnte jede Auswirkung dieser Aufträge auf den Binnenmarkt von vornherein ausgeschlossen werden, fände das Gemeinschaftsrecht keine Anwendung.
      88 Zwar ist es, wie der Gerichtshof anerkennt, durchaus vorstellbar, dass wegen besonderer Umstände, etwa einer sehr geringen wirtschaftlichen Bedeutung, vernünftigerweise angenommen werden könnte, dass ein Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, dem die einen bestimmten öffentlichen Auftrag ausschreibende Stelle angehört, kein Interesse an dem in Rede stehenden Auftrag hätte und dass die Auswirkungen auf die betreffenden Grundfreiheiten daher zu zufällig und zu mittelbar wären, als dass auf ihre Verletzung geschlossen werden könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil Coname, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Schlussfolgerung, dass keine Verletzung der Grundfreiheiten vorliegt, kann sich jedoch nur aus einer Prüfung der Umstände des jeweiligen Falls ergeben, und sie kann nicht allein darauf gestützt werden, dass der Wert des fraglichen Auftrags eine bestimmte Schwelle nicht überschreitet.
      89 So sieht Punkt 1.3 der Mitteilung Folgendes vor:
      „Die Entscheidung, inwieweit ein Auftrag möglicherweise für Wirtschaftsteilnehmer eines anderen Mitgliedstaats von Interesse sein könnte, obliegt den einzelnen Auftraggebern. Nach Auffassung der Kommission muss dieser Entscheidung eine Prüfung der Umstände des jeweiligen Falls vorausgehen, wobei Sachverhalte wie der Auftragsgegenstand, der geschätzte Auftragswert, die Besonderheiten des betreffenden Sektors (Größe und Struktur des Marktes, wirtschaftliche Gepflogenheiten usw.) sowie die geografische Lage des Orts der Leistungserbringung zu berücksichtigen sind.
      Kommt der Auftraggeber zu dem Schluss, dass der fragliche Auftrag für den Binnenmarkt relevant ist, muss die Vergabe unter Einhaltung der aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleiteten Grundanforderungen erfolgen.“
      90 Viertens trägt die Bundesrepublik Deutschland jedoch vor, die Mitteilung begründe dadurch, dass sie von den öffentlichen Auftraggebern verlange, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Binnenmarktrelevanz gegeben sei, um insbesondere festzustellen, ob die in Punkt 2.1.1 der Mitteilung vorgesehene Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung gelte, eine neue Verpflichtung und erzeuge somit verbindliche Rechtswirkungen.
      91 In Bezug auf einen nicht vom Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien erfassten öffentlichen Auftrag hat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung aber bereits eine Verpflichtung des Auftraggebers in Betracht gezogen, unter der Kontrolle der zuständigen Gerichte zu beurteilen, ob die Modalitäten der Ausschreibung den Besonderheiten des betreffenden Auftrags angemessen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Parking Brixen, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnrn. 49 und 50). Es lässt sich also nicht geltend machen, dass Punkt 1.3 der Mitteilung in Verbindung mit deren Punkt 2.1.1 eine neue Verpflichtung der Mitgliedstaaten begründe.
      92 Die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Österreich haben hierzu in der mündlichen Verhandlung ergänzend vorgetragen, dass eine spezifische Beurteilung, wie sie Punkt 1.3 der Mitteilung vorsehe, im Widerspruch zum Urteil SECAP und Santorso (oben in Randnr. 42 angeführt, Randnrn. 30 bis 32) stehe, in dem eine abstrakt-generelle Feststellung der Binnenmarktrelevanz eines öffentlichen Auftrags angestrebt werde.
      93 Hierzu ist festzustellen, dass Randnr. 30 des Urteils SECAP und Santorso (oben in Randnr. 42 angeführt) die oben in Randnr. 91 gezogene Schlussfolgerung bestätigt, dass es grundsätzlich Sache des öffentlichen Auftraggebers ist, vor der Festlegung der Bedingungen der Bekanntmachung ein etwaiges grenzüberschreitendes Interesse an einem Auftrag zu prüfen, dessen geschätzter Wert unter dem in den Gemeinschaftsvorschriften vorgesehenen Schwellenwert liegt, wobei diese Prüfung der gerichtlichen Kontrolle unterliegt.
      94 Überdies besteht kein Widerspruch zwischen der Mitteilung, insbesondere ihrem Punkt 1.3, und dem Urteil SECAP und Santorso (oben in Randnr. 42 angeführt). Die Mitteilung schließt nämlich nicht aus, dass durch eine Regelung auf nationaler oder lokaler Ebene objektive Kriterien aufgestellt werden können, die für ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse sprechen, was nach Randnr. 31 des Urteils SECAP und Santorso möglich ist. Die öffentlichen Auftraggeber, die eine solche nationale Regelung anwenden, sind gleichwohl verpflichtet, die Grundregeln des EG-Vertrags und insbesondere das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu beachten (Urteil SECAP und Santorso, Randnr. 29).
      95 Auch Randnr. 32 des Urteils SECAP und Santorso (oben in Randnr. 42 angeführt) steht nicht im Widerspruch zu den Punkten 1.3 und 2.1.2 der Mitteilung. Diese Randnummer betrifft nämlich den automatischen Ausschluss bestimmter Angebote wegen ihres ungewöhnlich niedrigen Preises, selbst wenn ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht, und gilt somit für ein anderes Stadium der Vergabe eines öffentlichen Auftrags als das in Punkt 1.3 der Mitteilung behandelte Stadium der Entscheidung darüber, inwieweit ein öffentlicher Auftrag möglicherweise für Wirtschaftsteilnehmer eines anderen Mitgliedstaats von Interesse sein könnte, oder das in Punkt 2.1.2 der Mitteilung behandelte Stadium der Wahl des für die Bekanntmachung am besten geeigneten Mediums. Jedenfalls schließen diese Punkte der Mitteilung eine Berücksichtigung der administrativen Möglichkeiten der ausschreibenden Stelle nicht aus und können daher keine neue Verpflichtung der Mitgliedstaaten oder ihrer ausschreibenden Stellen begründen.
      96 Fünftens ist entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland (siehe oben, Randnr. 46) Punkt 2.1.2 der Mitteilung, wonach „[d]ie Wahl des für die Vergabebekanntmachung am besten geeigneten Mediums … Sache des jeweiligen Auftraggebers [ist]“, nicht unvereinbar damit, dass in einer nationalen Regelung allgemeine Kriterien für diese Wahl festgelegt werden, wobei die Anwendung solcher Kriterien die Einhaltung der Grundregeln des EG-Vertrags, zu denen insbesondere das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gehört, nicht in Frage stellen darf. Wie bereits oben in Randnr. 91 ausgeführt, ist es nämlich Sache der konzessionserteilenden öffentlichen Stelle, unter der Kontrolle der zuständigen Gerichte zu beurteilen, ob die Modalitäten der Ausschreibung den Besonderheiten des betreffenden öffentlichen Auftrags angemessen sind. Im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs überlässt die Mitteilung also den öffentlichen Auftraggebern die Entscheidung über Umfang und Wege einer angemessenen Bekanntmachung (vgl. in diesem Sinne Urteil Parking Brixen, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnrn. 49 und 50). Somit heißt es in Punkt 2.1.2 der Mitteilung zu Recht, dass „[d]ie Wahl des für die Vergabebekanntmachung am besten geeigneten Mediums … Sache des jeweiligen Auftraggebers [ist]“. Daher begründet sie für die öffentlichen Auftraggeber keine neue rechtliche Verpflichtung.
      97 Zum Vorbringen der Republik Österreich, das auf einen Vergleich der Schwellenwerte für die Anwendung der Vergaberichtlinien mit der für staatliche Beihilfen geltenden De-minimis-Regel gestützt ist, genügt im Übrigen der Hinweis, dass diesen Richtlinien nicht zu entnehmen ist, dass die fraglichen Schwellenwerte auf Erwägungen beruhen, die denen entsprechen, die die De﷓minimis-Regel im Bereich staatlicher Beihilfen rechtfertigen.
      98 Sechstens ist festzustellen, dass das Vorbringen der Französischen Republik, wonach die Mitteilung in Punkt 2.1.2 eine Bekanntmachungspflicht einführe, nach der die betreffenden Aufträge in schriftlicher Form bekannt gemacht werden müssten, auf einer irrigen Annahme beruht. In der Mitteilung ist nämlich an keiner Stelle von einer Bekanntmachungspflicht die Rede, nach der die von der Mitteilung erfassten Aufträge in schriftlicher Form bekannt gemacht werden müssten. Zum einen wird in Punkt 2.1.3 Abs. 1 der Mitteilung auf die Rechtsprechung hingewiesen, wonach das Transparenzerfordernis nicht notwendigerweise eine Verpflichtung zu einer förmlichen Ausschreibung umfasst (Urteil Coname, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 21). Zum anderen heißt es in Punkt 2.1.2 Abs. 3:
      „Angemessene und gängige Veröffentlichungsmedien sind u.a.:
      – das Internet…“
      Wie die Bundesrepublik Deutschland und die Streithelfer im Übrigen einräumen, handelt es sich dabei um eine Aufzählung mit Beispielcharakter, die andere Wege der angemessenen Bekanntmachung keineswegs ausschließt.
      99 Siebtens betrifft das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik, wonach der Ausschluss der Praxis, eine bestimmte Zahl potenzieller Bieter zu kontaktieren, selbst wenn die ausschreibende Stelle auch Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten einbeziehe oder versuche, alle potenziellen Anbieter zu erreichen, durch die mit der Mitteilung eingeführte Transparenzpflicht (Punkt 2.1.1 Abs. 3 der Mitteilung) ein Element sei, mit dem gegenüber den Grundsätzen des EG-Vertrags spezielle Verpflichtungen begründet würden, einen Teil der Mitteilung, der weder in der Klageschrift noch im Streithilfeschriftsatz in Frage gestellt worden ist. Hierzu ist festzustellen, dass Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung es zwar unter bestimmten Umständen zulässt, dass im Lauf des Verfahrens neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vorgebracht werden; er darf aber auf keinen Fall so ausgelegt werden, dass er dem Kläger gestattet, das Gericht mit neuen Anträgen zu befassen und damit den Streitgegenstand zu ändern (vgl. Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2001, Banatrading/Rat, T﷓3/99, Slg. 2001, II﷓2123, Randnr. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich ist das fragliche Vorbringen unzulässig, da es darauf abzielt, durch Einbeziehung eines in der Klageschrift nicht angesprochenen Teils der Mitteilung den Streitgegenstand zu erweitern.
      100 Jedenfalls ist festzustellen, dass die Mitteilung diese Praxis nicht absolut und definitiv ausschließt. Wie die Punkte 2.2.2 und 2.1.3 der Mitteilung vorsehen, haben die ausschreibenden Stellen die Möglichkeit, die Zahl der Bewerber, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden, auf ein angemessenes Maß zu beschränken. Dabei sind nach der Mitteilung jedoch das Diskriminierungsverbot und die Transparenzpflicht zu beachten (Punkt 2.2.2 der Mitteilung), damit ein angemessener Wettbewerb gewährleistet ist. Um die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden, ergibt sich nach Auffassung des Gerichts aus der Transparenzpflicht überdies, dass eine von den Auftraggebern ausgehende aktive Offenlegung erforderlich ist, da ihnen die angemessene Gestaltung der Modalitäten der vorherigen Ausschreibung obliegt (Urteil Parking Brixen, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 50). Daher begründet der von der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik beanstandete Inhalt von Punkt 2.1.1 Abs. 3 der Mitteilung keine speziellen Verpflichtungen.
      2. Zur zweiten Rüge: Konkretisierung der Bekanntmachungspflichten (Punkt 2.2 der Mitteilung)
      a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
      Bundesrepublik Deutschland
      101 Die Bundesrepublik Deutschland macht geltend, die sich aus Punkt 2.2 der Mitteilung ergebenden Verpflichtungen gingen deutlich über das hinaus, was sich der Auslegung der Grundprinzipien des EG-Vertrags durch den Gerichtshof entnehmen lasse. Die Kommission habe zunächst in Punkt 2.2 der Mitteilung festgelegt, dass die Grundprinzipien des EG-Vertrags bei der Auftragsvergabe in der Weise zu beachten seien, dass zwischen allen interessierten Bietern faire Wettbewerbsbedingungen gälten, und dann aus dieser allgemeinen Verpflichtung verschiedene konkrete Pflichten in Bezug auf die Bekanntmachung der Vergabeabsicht abgeleitet.
      102 Insbesondere müssten die Mitgliedstaaten nach Punkt 2.2 der Mitteilung darauf achten, dass der Auftragsgegenstand für alle potenziellen Bieter gleich verständlich umschrieben werde und dass Wirtschaftsteilnehmern aus allen Mitgliedstaaten gleiche Zugangschancen eröffnet würden. Weiterhin müssten die Behörden, sofern schriftliche Nachweise von den Bietern angefordert würden, auch in anderen Mitgliedstaaten ausgestellte Unterlagen akzeptieren. Die den Bietern gewährten Fristen müssten so bemessen sein, dass auch Bieter aus anderen Mitgliedstaaten sie einhalten könnten. Schließlich müsse das Verfahren für alle Teilnehmer transparent sein. Dieser Regelkatalog werde abgerundet durch Verfahrensvorschriften für Mitgliedstaaten, die bei der Vergabe eine Vorauswahl potenzieller Bieter treffen wollten (Punkt 2.2.2 der Mitteilung), sowie durch Anforderungen an die Vergabeentscheidung (Punkt 2.2.3 der Mitteilung).
      103 Während sich die im ersten Gedankenstrich des Katalogs von Punkt 2.2.1 der Mitteilung aufgeführte Pflicht zur diskriminierungsfreien Beschreibung des Auftragsgegenstands möglicherweise noch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Beschluss Vestergaard (oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 24) ergebe, enthielten die übrigen Pflichten in Punkt 2.2.1 der Mitteilung konkrete Handlungsanweisungen, die ihren Ursprung nicht im bestehenden Gemeinschaftsrecht hätten. Dies werde durch die Angabe der Kommission bestätigt, wonach die genannten Prinzipien in der Praxis geeignet seien, die Einhaltung der Grundprinzipien des EG-Vertrags abzusichern (Punkt 1.2 der Mitteilung). Es handele sich also nicht um eine Beschreibung der Rechtsprechung des Gerichtshofs, sondern um neue Vergaberegeln. Die Bundesrepublik Deutschland beanstandet somit im Wesentlichen die verschiedenen in Punkt 2.2.1 der Mitteilung aufgeführten Erfordernisse, mit denen ihrer Ansicht nach neue Verpflichtungen eingeführt werden.
      Streithelfer
      104 In Bezug auf die Konkretisierung der Bekanntmachungspflichten in Punkt 2.2 der Mitteilung trägt die Republik Österreich vor, dass einige der dort angesprochenen Aspekte, wie das Erfordernis ausreichend langer Fristen und die Zahl der nach der Vorauswahl verbleibenden Bewerber, bei Auftragsvergaben, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fielen, ebenfalls neue verbindliche Rechtswirkungen erzeugen sollten. Diese Pflichten ließen sich der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht entnehmen.
      105 Das Europäische Parlament schließt sich dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland zu Punkt 2.2 der Mitteilung an, hebt aber einige zusätzliche Aspekte hervor, die die Argumentation der Bundesrepublik Deutschland untermauerten. Seines Erachtens legt die Kommission in diesem Punkt detaillierte Standards zu Inhalt und Fristen der Ausschreibungen, zu einem eventuellen Vorauswahlverfahren sowie zum Rechtsschutz fest.
      106 Die Republik Polen macht geltend, soweit die Kommission Modalitäten und Inhalt der Bekanntmachung festlege und sogar Regeln für die Verfahrensfristen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge aufstelle, nenne sie zur Untermauerung ihres Standpunkts keine Urteile des Gerichtshofs. Nach Ansicht der Kommission diene die Mitteilung zur Auslegung der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs. Dies erkläre, weshalb die Angabe der Kommission, dass in der Mitteilung die Rechtsprechung zusammengefasst werde, durch ihren Inhalt nicht gestützt werde.
      Kommission
      107 Die Kommission weist das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland und der Streithelfer, das sich gegen die in Punkt 2.2.1 der Mitteilung vorgesehenen Kriterien richtet, zurück. Die Grundsätze des gleichen Zugangs für Wirtschaftsteilnehmer aus allen Mitgliedstaaten und der gegenseitigen Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen sowie das Erfordernis angemessener Fristen und einer transparenten und objektiven Vorgehensweise ergäben sich aus dem EG-Vertrag. Es handele sich dabei keineswegs um neue Vergaberegeln, sondern um die Übertragung der allgemeinen Regeln des Gemeinschaftsrechts auf den Bereich der öffentlichen Aufträge.

      b) Würdigung durch das Gericht
      108 Punkt 2.2 der Mitteilung betrifft die „Auftragsvergabe“.
      109 Hierzu bestimmt Punkt 2.2.1 der Mitteilung:
      „Grundsätze
      In seinem Urteil in der Rechtssache Telaustria hat der Gerichtshof festgestellt, dass der Auftraggeber kraft der Verpflichtung zur Transparenz zugunsten potenzieller Bieter einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen muss, der den Markt dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden. Die Verpflichtung zur Sicherstellung einer transparenten Bekanntmachung geht mithin automatisch mit der Pflicht zur Gewährleistung eines fairen und unparteiischen Verfahrens einher.
      Die Auftragsvergabe muss somit im Einklang mit den Vorschriften und Grundsätzen des EG-Vertrags erfolgen, damit für alle an dem Auftrag interessierten Wirtschaftsteilnehmer faire Wettbewerbsbedingungen gelten. Dies lässt sich in der Praxis am besten wie folgt erreichen:
      – Diskriminierungsfreie Beschreibung des Auftragsgegenstands
      In der Beschreibung der verlangten Produkt﷓ oder Dienstleistungsmerkmale darf nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren oder auf Marken, Patente, Typen, einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Produktion verwiesen werden, soweit dies nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist und der Verweis nicht mit dem Zusatz ‚oder gleichwertig‘ versehen ist. Allgemeinere Beschreibungen der Leistung oder der Funktionen sind in jedem Fall vorzuziehen.
      – Gleicher Zugang für Wirtschaftsteilnehmer aus allen Mitgliedstaaten
      Die Auftraggeber dürfen keine Bedingungen stellen, die potenzielle Bieter in anderen Mitgliedstaaten direkt oder indirekt benachteiligen, wie beispielsweise das Erfordernis, dass Unternehmen, die an einem Vergabeverfahren teilnehmen möchten, im selben Mitgliedstaat oder in derselben Region wie der Auftraggeber niedergelassen sein müssen.
      – Gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise
      Müssen Bewerber oder Bieter Bescheinigungen, Diplome oder andere schriftliche Nachweise vorlegen, die ein entsprechendes Gewährleistungsniveau aufweisen, so sind gemäß dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise auch Dokumente aus anderen Mitgliedstaaten zu akzeptieren.
      – Angemessene Fristen
      Die Fristen für Interessensbekundungen und für die Angebotsabgabe müssen so lang sein, dass Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten eine fundierte Einschätzung vornehmen und ein Angebot erstellen können.
      – Transparenter und objektiver Ansatz
      Alle Teilnehmer müssen in der Lage sein, sich im Voraus über die geltenden Verfahrensregeln zu informieren, und müssen die Gewissheit haben, dass diese Regeln für jeden gleichermaßen gelten.“
      Vorbemerkungen
      110 Zunächst ist festzustellen, dass das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland auf der Annahme beruht, dass es bei den von der Mitteilung erfassten Aufträgen keine sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebende allgemeine Transparenzpflicht gebe. Wie oben ausgeführt (vgl. Randnrn. 68 bis 100), ist diese Annahme jedoch falsch.
      111 Sodann weist das Gericht darauf hin, dass Punkt 2.2.1 der Mitteilung darauf abzielt, zum einen die in Punkt 2.1 der Mitteilung genannte Bekanntmachungspflicht und zum anderen die Auftragsvergabe im Einklang mit den Vorschriften und Grundsätzen des EG-Vertrags sicherzustellen. Zu diesem Zweck stützt sich die Mitteilung auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach im Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags in jedem Stadium und insbesondere bei der Auswahl der Bewerber im Rahmen eines nicht offenen Verfahrens sowohl der Grundsatz der Gleichbehandlung potenzieller Bieter als auch die Transparenzpflicht gewahrt sein müssen, damit alle Betroffenen bei der Abfassung ihrer Teilnahmeanträge oder Angebote über die gleichen Chancen verfügen (vgl. in diesem Sinne – in Bezug auf das Stadium des Vergleichs der Angebote – Urteile des Gerichtshofs vom 25. April 1996, Kommission/Belgien, C﷓87/94, Slg. 1996, I﷓2043, Randnr. 54, und vom 12. Dezember 2002, Universale-Bau u. a., C﷓470/99, Slg. 2002, I﷓11617, Randnr. 93).
      112 Außerdem verbietet nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gleichbehandlungsgrundsatz, von dem die Art. 43 EG und 49 EG eine besondere Ausprägung sind, nicht nur augenfällige Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zum gleichen Ergebnis führen (Urteile des Gerichtshofs vom 29. Oktober 1980, Boussac Saint-Frères, 22/80, Slg. 1980, 3427, Randnr. 7, und vom 5. Dezember 1989, Kommission/Italien, C﷓3/88, Slg. 1989, 4035, Randnr. 8), damit die öffentlichen Aufträge in den verschiedenen Mitgliedstaaten für alle Unternehmen der Gemeinschaft zugänglich sind. Schließlich hat der Gerichtshof den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter aufgestellt (Urteile des Gerichtshofs vom 22. Juni 1993, Kommission/Dänemark, C﷓243/89, Slg. 1993, I﷓3353, Randnr. 23, und Kommission/Belgien, oben in Randnr. 111 angeführt, Randnr. 51). Daher sind die verschiedenen in Punkt 2.2.1 der Mitteilung genannten Erfordernisse im Licht der vorstehenden Erwägungen zu prüfen.
      Zu Punkt 2.2.1 der Mitteilung
      – Zu Punkt 2.2.1 erster Gedankenstrich der Mitteilung
      113 Punkt 2.2.1 erster Gedankenstrich der Mitteilung sieht eine diskriminierungsfreie Beschreibung des Auftragsgegenstands vor. Wie die Bundesrepublik Deutschland selbst einräumt, geht dieses Erfordernis bereits aus dem Beschluss Vestergaard (oben in Randnr. 38 angeführt) hervor. Für die Auftragsvergabe ergibt sich dieses Ziel nämlich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, dessen besondere Ausprägung die Grundfreiheiten sind. So hat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung festgestellt, dass die Rechtmäßigkeit einer Klausel in den Verdingungsunterlagen eines Auftrags, der nicht den Schwellenwert der Richtlinie 93/37 erreicht und somit nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, anhand der Grundregeln des EG-Vertrags zu beurteilen ist, zu denen der in Art. 28 EG genannte freie Warenverkehr gehört (Beschluss Vestergaard, Randnr. 21).
      114 In Bezug auf die in Punkt 2.2.1 erster Gedankenstrich der Mitteilung gegebene Erläuterung weist das Gericht darauf hin, dass nach der Rechtsprechung auf dem Gebiet der öffentlichen Lieferaufträge das Weglassen des Zusatzes „oder gleichwertiger Art“ nach der Benennung eines bestimmten Produkts in den Verdingungsunterlagen nicht nur die Wirtschaftsteilnehmer, die ihm entsprechende Produkte verwenden, davon abhalten kann, an der Ausschreibung teilzunehmen, sondern auch entgegen Art. 28 EG die Einfuhrströme im innergemeinschaftlichen Handel behindern kann, indem der Markt den Bietern vorbehalten bleibt, die beabsichtigen, das speziell genannte Produkt zu verwenden (Urteile des Gerichtshofs vom 22. September 1988, Kommission/Irland, 45/87, Slg. 1988, 4929, Randnr. 22, und vom 24. Januar 1995, Kommission/Niederlande, C﷓359/93, Slg. 1995, I﷓157, Randnr. 27, und Beschluss Vestergaard, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 24).
      115 Daher entspricht der Inhalt von Punkt 2.2.1 erster Gedankenstrich der Mitteilung der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung der Grundprinzipien des EG-Vertrags.
      – Zu Punkt 2.2.1 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung
      116 Zu Punkt 2.2.1 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung, dem gleichen Zugang für Wirtschaftsteilnehmer aus allen Mitgliedstaaten, vertritt das Gericht die Auffassung, dass sich dieses Ziel, den Wirtschaftsteilnehmern unabhängig von ihrer Herkunft gleichen Zugang zu den ausgeschriebenen Aufträgen zu sichern, aus der Beachtung der Grundsätze der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs sowie des freien Wettbewerbs (vgl. hierzu Schlussanträge von Generalanwalt Léger in der Rechtssache Mannesmann Anlagenbau Austria u. a., Urteil des Gerichtshofs vom 15. Januar 1998, C﷓44/96, Slg. 1998, I﷓73, I﷓77, Nr. 47, aufgegriffen in den Schlussanträgen von Generalanwalt Mischo in der Rechtssache Kommission/Frankreich, Urteil des Gerichtshofs vom 1. Februar 2001, C﷓237/99, Slg. 2001, I﷓939, I﷓941, Nr. 49), und insbesondere des Gleichbehandlungsgrundsatzes (siehe oben, Randnr. 112) in seiner Ausprägung durch das in Art. 12 EG aufgestellte Verbot von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit ergibt.
      117 Es versteht sich von selbst, dass das Diskriminierungsverbot – wie in Punkt 2.2.1 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung vorgesehen – einem Auftraggeber verbietet, Bedingungen zu stellen, die eine direkte oder indirekte Benachteiligung nach sich ziehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs müssen die allgemeinen Bedingungen in den Verdingungsunterlagen alle einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts und insbesondere die Verbote, die aus den im EG-Vertrag verankerten Grundsätzen auf dem Gebiet des Niederlassungsrechts und des freien Dienstleistungsverkehrs folgen, sowie das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit beachten (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 9. Juli 1987, CEI und Bellini, 27/86 bis 29/86, Slg. 1987, 3347, Randnr. 15, und vom 20. September 1988, Beentjes, 31/87, Slg. 1988, 4635, Randnrn. 29 und 30).
      118 Dementsprechend ist der Inhalt von Punkt 2.2.1 erster und zweiter Gedankenstrich der Mitteilung durch den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter gedeckt.
      – Zu Punkt 2.2.1 dritter Gedankenstrich der Mitteilung 119 In Punkt 2.2.1 dritter Gedankenstrich der Mitteilung wird der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung eingeführt, der es ermöglicht, den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr zu gewährleisten, ohne dass eine Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten erforderlich wäre (Urteil des Gerichtshofs vom 20. Februar 1979, Rewe-Zentral, 120/78, Slg. 1979, 649). Danach müssen die Behörden eines Mitgliedstaats sämtliche Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise sowie die einschlägige Erfahrung des Betroffenen in der Weise berücksichtigen, dass sie die durch diese Nachweise belegten Fachkenntnisse und diese Erfahrung mit den nach nationalem Recht vorgeschriebenen Kenntnissen und Fähigkeiten vergleichen (vgl. entsprechend, insbesondere für den Zugang zum Beruf, Urteile des Gerichtshofs vom 7. Mai 1991, Vlassopoulou, C﷓340/89, Slg. 1991, I﷓2357, Randnrn. 16, 19 und 20, vom 9. Februar 1994, Haim, C﷓319/92, Slg. 1994, I﷓425, Randnrn. 27 und 28, vom 14. September 2000, Hocsman, C﷓238/98, Slg. 2000, I﷓6623, Randnr. 23, und vom 22. Januar 2002, Dreessen, C﷓31/00, Slg. 2002, I﷓663, Randnr. 24).
      120 Der Gerichtshof hat betont, dass diese Rechtsprechung nur einen den Grundfreiheiten des EG-Vertrags innewohnenden Grundsatz zum Ausdruck bringt, wobei diesem Grundsatz nicht dadurch ein Teil seiner rechtlichen Bedeutung genommen wird, dass Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung von Diplomen erlassen werden (oben in Randnr. 119 angeführte Urteile Hocsman, Randnrn. 24 und 31, und Dreessen, Randnr. 25), und dass die Mitgliedstaaten folglich ihre sich aus der Auslegung der Art. 43 EG und 47 EG durch den Gerichtshof ergebenden Verpflichtungen in Bezug auf die gegenseitige Anerkennung beachten müssen (vgl. entsprechend, insbesondere für den Zugang zum Beruf, Urteil Dreessen, oben in Randnr. 119 angeführt, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung). Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die gegenseitige Anerkennung es den innerstaatlichen Behörden ermöglichen muss, objektiv festzustellen, ob ein ausländisches Diplom seinem Inhaber die gleichen oder zumindest gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie das innerstaatliche Diplom bescheinigt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 15. Oktober 1987, Heylens u. a., 222/86, Slg. 1987, 4097, Randnr. 13).
      121 Folglich begründet der mit Punkt 2.2.1 dritter Gedankenstrich der Mitteilung verfolgte Zweck keine neuen Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten.
      – Zu Punkt 2.2.1 vierter Gedankenstrich der Mitteilung
      122 Was das Erfordernis angemessener Fristen betrifft, die es Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten ermöglichen sollen, eine fundierte Einschätzung vorzunehmen und ein Angebot zu erstellen, ist darauf hinzuweisen, dass die Auftraggeber den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs und das Diskriminierungsverbot beachten müssen, die die Interessen der in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmer schützen sollen, die den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen öffentlichen Auftraggebern Waren oder Dienstleistungen anbieten möchten (Urteile des Gerichtshofs vom 3. Oktober 2000, University of Cambridge, C﷓380/98, Slg. 2000, I﷓8035, Randnr. 16, vom 1. Februar 2001, Kommission/Frankreich, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnr. 41, HI, oben in Randnr. 76 angeführt, Randnr. 43, und Universale-Bau u. a., oben in Randnr. 111 angeführt, Randnr. 51). Ihr Zweck besteht darin, die Gefahr einer Bevorzugung einheimischer Bieter oder Bewerber bei der Auftragsvergabe durch öffentliche Auftraggeber auszuschalten (vgl. in diesem Sinne Urteil Universale-Bau u. a., Randnr. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).
      123 Demnach ergibt sich der Zweck von Punkt 2.2.1 vierter Gedankenstrich der Mitteilung, der darin besteht, zu verhindern, dass ein Auftraggeber durch die den Bietern eingeräumten Fristen einen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmer von der Teilnahme ausschließen kann, aus den Grundsätzen des EG-Vertrags, so dass auch dieser Teil der Mitteilung keine neue Verpflichtung einführt.
      – Zu Punkt 2.2.1 fünfter Gedankenstrich der Mitteilung
      124 In Bezug auf den Inhalt von Punkt 2.2.1 fünfter Gedankenstrich der Mitteilung vertritt das Gericht die Auffassung, dass, wie der Gerichtshof bereits ausgeführt hat, die Gewährleistung einer Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung aller Bieter und der Transparenz gerade bezweckt, allen potenziellen Bietern vor der Vorbereitung ihrer Angebote Kenntnis von den Zuschlagskriterien, denen diese Angebote entsprechen müssen, und der relativen Bedeutung dieser Kriterien zu verschaffen (zu dem mit Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 93/37 im Wesentlichen wortgleichen Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 90/531/EWG des Rates vom 17. September 1990 betreffend die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor [ABl. L 297, S. 1] vgl. die oben in Randnr. 111 angeführten Urteile Kommission/Belgien, Randnrn. 88 und 89, und Universale-Bau u. a., Randnr. 99). Somit soll Punkt 2.2.1 fünfter Gedankenstrich der Mitteilung sicherstellen, dass im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs alle potenziellen Bieter bei der Abfassung ihrer Teilnahmeanträge oder Angebote über die gleichen Chancen verfügen.
      125 Demnach dienen die Mittel zur Erreichung der in den verschiedenen Gedankenstrichen von Punkt 2.2.1 der Mitteilung genannten gleichen Wettbewerbsbedingungen nach Auffassung des Gerichts dazu, dass bei der Auftragsvergabe im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs (oben in Randnr. 111 angeführte Urteile Kommission/Belgien, Randnr. 54, und Universale-Bau u. a., Randnr. 93) sowohl der Grundsatz der Gleichbehandlung potenzieller Bieter als auch die Transparenzpflicht sowie der freie Dienstleistungsverkehr gewahrt werden, und führen daher keine neuen Verpflichtungen ein.
      Zu Punkt 2.2.2 der Mitteilung
      126 Punkt 2.2.2 der Mitteilung sieht Folgendes vor:
      „Begrenzung der Zahl der Bewerber, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden
      Auftraggebern steht es frei, durch bestimmte Maßnahmen die Zahl der Bewerber auf ein angemessenes Maß zu beschränken, sofern dies auf transparente und diskriminierungsfreie Weise geschieht. Dazu können sie beispielsweise objektive Kriterien wie die einschlägige Erfahrung der Bewerber, die Unternehmensgröße und die betriebliche Infrastruktur, die technische und berufliche Leistungsfähigkeit oder andere Kriterien heranziehen. Sie können sich sogar für eine Auslosung entscheiden, und zwar entweder als alleiniges Auswahlkriterium oder gekoppelt mit anderen Kriterien. In jedem Fall müssen nach der Vorauswahl so viele Bewerber übrig bleiben, dass ein angemessener Wettbewerb gewährleistet ist.
      Alternativ dazu können Auftraggeber auch Prüfungssysteme in Betracht ziehen, bei denen im Rahmen eines hinreichend bekannt gemachten, transparenten und offenen Verfahrens ein Verzeichnis der geprüften Wirtschaftsteilnehmer erstellt wird. Wenn später im Rahmen des Systems einzelne Aufträge vergeben werden, kann der öffentliche Auftraggeber aus dem Verzeichnis der geprüften Wirtschaftsteilnehmer auf nicht diskriminierende Weise (z. B. im Rotationsverfahren) Akteure auswählen, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden.“
      127 Punkt 2.2.2 der Mitteilung betrifft die Begrenzung der Zahl der Bewerber, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden, auf ein angemessenes Maß und enthält Beispiele für bestimmte Modalitäten und Möglichkeiten, die die Auftraggeber nutzen können, sofern dies auf transparente und diskriminierungsfreie Weise und mit dem Ziel geschieht, einen angemessenen Wettbewerb zu gewährleisten. Dieser Punkt der Mitteilung verlangt u. a. die Anwendung objektiver Kriterien und eines hinreichend bekannt gemachten, transparenten und offenen Verfahrens.
      128 Hierzu ist festzustellen, dass diese Erfordernisse voll und ganz im Einklang mit den Grundsätzen des EG-Vertrags und der Rechtsprechung des Gerichtshofs stehen. Sie sind insbesondere der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entnehmen, wonach das Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags in jedem Stadium und insbesondere bei der Auswahl der Bewerber in einem nicht offenen Verfahren sowohl den Grundsatz der Gleichbehandlung potenzieller Bieter als auch den Grundsatz der Transparenz wahren muss, damit alle Betroffenen bei der Abfassung ihrer Teilnahmeanträge oder Angebote über die gleichen Chancen verfügen (vgl. in diesem Sinne – in Bezug auf das Stadium des Vergleichs der Angebote – die oben in Randnr. 111 angeführten Urteile Kommission/Belgien, Randnr. 54, und Universale-Bau u. a., Randnr. 93).
      Zu Punkt 2.2.3 der Mitteilung
      129 Punkt 2.2.3 der Mitteilung lautet: „Entscheidung über die Auftragsvergabe
      Wichtig ist, dass die letztendliche Entscheidung über die Vergabe des Auftrags den zu Anfang festgelegten Verfahrensregeln entspricht und dass den Grundsätzen der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung voll und ganz Rechnung getragen wird. Von besonderer Bedeutung ist dies bei Verfahren, in denen Verhandlungen mit ausgewählten Bietern vorgesehen sind. Solche Verhandlungen sind so zu organisieren, dass keiner der Bieter Zugang zu mehr Informationen als andere hat und dass jegliche ungerechtfertigte Bevorteilung einzelner Bieter ausgeschlossen ist.“
      130 Punkt 2.2.3 der Mitteilung sieht vor, dass bei der abschließenden Entscheidung über die Vergabe des Auftrags das Diskriminierungsverbot und der Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet werden müssen. Dieser Zweck und seine inhaltliche Ausgestaltung gehen nicht weiter als die Grundsätze, auf die sich Punkt 2.2.3 stützt.
      131 Nach alledem soll der in Punkt 2.2 der Mitteilung in Bezug auf die Auftragsvergabe aufgeführte Mittelkatalog im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs gewährleisten, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung potenzieller Bieter, die Transparenzpflicht sowie die Grundsätze des freien Dienstleistungsverkehrs (oben in Randnr. 111 angeführte Urteile Kommission/Belgien, Randnr. 54, und Universale-Bau u. a., Randnr. 93) und des freien Wettbewerbs (Urteil vom 1. Februar 2001, Kommission/Frankreich, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnr. 49) gewahrt werden; er führt daher keine neuen Verpflichtungen ein, die mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden können.
      3. Zur dritten Rüge: Ausnahmen von der vorherigen Bekanntmachung (Punkt 2.1.4 der Mitteilung)
      a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
      132 Die Bundesrepublik Deutschland trägt vor, die Kommission habe in Punkt 2.1.4 der Mitteilung neue rechtliche Verpflichtungen festgelegt, indem sie die in den Vergaberichtlinien für eine freihändige Vergabe vorgesehenen Ausnahmebestimmungen auf Vergaben unterhalb der Schwellenwerte übertragen habe, obwohl die Anwendung der in den Vergaberichtlinien vorgesehenen Ausnahmen an die Erreichung der genannten Schwellenwerte geknüpft sei.
      133 Weiter widerspricht die Bundesrepublik Deutschland dem Vorbringen der Kommission, dass es sich bei der Erstreckung der in den Vergaberichtlinien vorgesehenen Ausnahmen von der Bekanntmachungspflicht auf die Vergabe außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Richtlinien um eine zulässige Analogie handele, die aufgrund einer Auslegung der Grundprinzipien des EG-Vertrags gerechtfertigt sei. Eine solche Analogie wäre nämlich nur dann zulässig, wenn eine Regelungslücke vorläge, was hier nicht der Fall sei, da sich der Gesetzgeber durch die Festlegung der Schwellenwerte ausdrücklich gegen solche Bekanntmachungsanforderungen bei bestimmten Vergaben entschieden habe.
      134 In der mündlichen Verhandlung hat die Bundesrepublik Deutschland hinzugefügt, dass die in Punkt 2.1.4 der Mitteilung vorgesehenen Ausnahmen abschließend und daher keine weiteren Ausnahmen möglich seien. Die Mitteilung enthalte somit ein sehr strenges und abschließendes Konzept der möglichen Ausnahmen, das im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Grundfreiheiten stehe, etwa der möglichen Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung mit objektiven Umständen. In Verbindung mit ihrem Punkt 2.1.1 führe die Mitteilung daher eine unbedingte Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung ein und schließe jede andere Form der Transparenz aus.
      135 Im Wortlaut von Punkt 2.1.4 der Mitteilung, insbesondere in dessen letztem Satz, werde eindeutig eine Verbindung zu den Ausnahmeregelungen der Vergaberichtlinien hergestellt; er beschränke somit die Ausnahmen von der Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung auf diese Ausnahmeregelungen. Daher würden weitere, sich aus dem Primärrecht ergebende Ausnahmen durch die Mitteilung ausgeschlossen. Dieses abschließende Konzept der Ausnahmen verstoße gegen das Urteil SECAP und Santorso (oben in Randnr. 42 angeführt), wonach weitere Ausnahmen Berücksichtigung finden könnten. 136 Das Parlament macht zu den in Punkt 2.1.4 der Mitteilung vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der vorherigen Bekanntmachung geltend, die Kommission übertrage die Ausnahmeregelungen der Vergaberichtlinien zu freihändigen Verfahren auf Aufträge unterhalb der Schwellenwerte der Richtlinien. An diesem Beispiel werde besonders deutlich, dass die Kommission in ihrer Mitteilung eigenständige Vergaberegeln geschaffen habe, ganz abgesehen davon, dass die Voraussetzungen für eine solche Analogie, nämlich eine planwidrig vom Gemeinschaftsgesetzgeber gelassene Lücke außerhalb des Anwendungsbereichs der Vergaberichtlinien, gerade nicht gegeben seien.
      137 Die Kommission ist der Ansicht, dass die in der Mitteilung vorgeschlagene Analogie, die darin bestehe, die in den Vergaberichtlinien enthaltenen Ausnahmen von der Bekanntmachungspflicht auf die Vergabe außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinien zu übertragen, nur die von ihr vorgeschlagene Auslegung der Grundprinzipien des EG-Vertrags wiedergebe und keine Rechtsetzung darstelle. Zudem sei Punkt 2.1.4 der Mitteilung nicht restriktiv, sondern nenne lediglich die wichtigsten Ausnahmen in nicht abschließender Weise. Mit ihrer Stellungnahme zu dem speziellen Punkt der Anwendung der in den Vergaberichtlinien vorgesehenen Ausnahmen von der Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung auf die von der Mitteilung erfassten Aufträge habe die Kommission nicht zum Ausdruck bringen wollen, dass keine andere, mit den erwähnten Grundsätzen vereinbare Ausnahme von der Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung zulässig sei.
      b) Würdigung durch das Gericht
      138 Punkt 2.1.4 der Mitteilung gilt nach seiner Überschrift für „Verfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung“. Er bestimmt:
      „Die Vergaberichtlinien enthalten Ausnahmeregelungen, nach denen unter bestimmten Bedingungen Verfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung zulässig sind. Die wichtigsten Ausnahmen betreffen hierbei Situationen, in denen aufgrund nicht voraussehbarer Ereignisse dringendes Handeln geboten ist, sowie Aufträge, die aus technischen oder künstlerischen Gründen oder aufgrund des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten nur von einem bestimmten Wirtschaftsteilnehmer ausgeführt werden können.
      Nach Auffassung der Kommission können die entsprechenden Ausnahmeregelungen auch bei der Vergabe von nicht unter die Richtlinien fallenden Aufträgen zur Anwendung kommen. Daher können Auftraggeber solche Aufträge ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung vergeben, sofern die in den Richtlinien festgelegten Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelungen erfüllt sind.“
      139 Das Gericht ist zunächst der Ansicht, dass Punkt 2.1.4 der Mitteilung entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland keineswegs ausschließt, dass es weitere Ausnahmen von der Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung geben kann. Wie nämlich im Übrigen in den Punkten 1.1 und 1.2 der Mitteilung ausgeführt wird, sind die Mitgliedstaaten und ihre ausschreibenden Stellen an die Vorschriften und Grundsätze des EG-Vertrags gebunden. Soweit sich demnach aus diesen Vorschriften und Grundsätzen Ausnahmen von der Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung ergeben, können sich die Mitgliedstaaten oder die ausschreibenden Stellen, die einen von der Mitteilung erfassten öffentlichen Auftrag vergeben, ipso iure auf diese Ausnahmen berufen.
      140 Hierzu ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Grundsätze des EG-Vertrags dann nicht berührt sind, wenn der Mitgliedstaat oder die ausschreibende Stelle sich auf eine Vorschrift des EG-Vertrags berufen kann, die – wie Art. 86 Abs. 2 EG oder die Art. 296 EG oder 297 EG – die Anwendung des Primärrechts generell ausschließt, wenn einer der ausdrücklich in diesem Vertrag vorgesehenen Rechtfertigungsgründe greift (wie z. B. die öffentliche Ordnung und die Gesundheit nach den Art. 46 EG und 55 EG sowie die öffentliche Gewalt nach den Art. 45 EG und 55 EG) oder wenn die Voraussetzungen eines von der Rechtsprechung anerkannten Rechtfertigungsgrundes gegeben sind (vgl. für einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses das Urteil des Gerichtshofs vom 27. Oktober 2005, Kommission/Spanien, C﷓158/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). In solchen Fällen findet daher die aus den Grundsätzen des EG-Vertrags resultierende Bekanntmachungspflicht auf die Vergabe eines öffentlichen Auftrags keine Anwendung.
      141 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Punkt 2.1.4 der Mitteilung den ausschreibenden Stellen lediglich gestatten soll, sich auf die in den Vergaberichtlinien vorgesehenen Ausnahmen von der Bekanntmachungspflicht zu berufen, wobei die dafür in diesen Richtlinien festgelegten Voraussetzungen zu beachten sind, und zwar auch dann, wenn die Richtlinien auf die von der Mitteilung erfassten öffentlichen Aufträge keine Anwendung finden. Wie Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Italien (Urteil des Gerichtshofs vom 27. Oktober 2005, C﷓525/03, Slg. 2005, I﷓9405, I﷓9407, Nrn. 46 bis 49) ausgeführt hat, kann keine Bekanntmachungspflicht bestehen, wenn in den Vergaberichtlinien eine Ausnahme ausdrücklich zugelassen ist, die Voraussetzungen für diese Ausnahme vorliegen und ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Aufforderung zur Einreichung eines Angebots möglich ist. Die sich aus dem EG-Vertrag ergebenden Grundsätze können demnach kein Öffentlichkeitserfordernis aufstellen, wenn die Richtlinien ausdrücklich eine Befreiung vorsehen, denn sonst wäre diese Befreiung wirkungslos (vgl. in diesem Sinne auch die Schlussanträge von Generalanwältin Stix-Hackl in der Rechtssache Coname, oben in Randnr. 36 angeführt, Slg. 2005, I﷓7289, Nr. 93). 142 Folglich begründet Punkt 2.1.4 der Mitteilung keineswegs neue Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, sondern ist für sie insofern eher günstig, als er ihnen, falls die Voraussetzungen für seine Anwendung vorliegen, gestattet, die Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung nicht zu beachten.
      143 Zu dem auf das Urteil SECAP und Santorso (oben in Randnr. 42 angeführt) gestützten Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland (siehe oben, Randnr. 135) ist festzustellen, dass es auf einer irrigen Annahme beruht, da Punkt 2.1.4 der Mitteilung weitere Ausnahmen nicht ausschließt.
      4. Zur vierten Rüge: Vertragsverletzungsverfahren (Punkt 1.3 der Mitteilung)
      a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
      144 Die Bundesrepublik Deutschland, unterstützt durch die Streithelfer, trägt schließlich vor, die Ankündigung der Kommission in Punkt 1.3 der Mitteilung, im Fall der Nichtbefolgung des vorgesehenen Verfahrens ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, mache deutlich, dass den Mitgliedstaaten mit ihr Verpflichtungen auferlegt werden sollten. Dies werde durch das Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2005/4043 gegen die Bundesrepublik Deutschland, das die Vergabe eines II﷓B-Auftrags ohne vorherige Bekanntmachung betreffe, bestätigt; die Mitteilung werde dort gleichsam wie eine ergänzende Rechtsgrundlage zitiert. Zudem betreibe die Kommission bereits Vertragsverletzungsverfahren gegen einige Mitgliedstaaten, um die nunmehr in der Mitteilung formulierten Grundsätze für Auftragsvergaben außerhalb des Anwendungsbereichs der Vergaberichtlinien durchzusetzen. Zu nennen seien dabei die Rechtssachen, in denen die Urteile Kommission/Finnland (oben in Randnr. 39 angeführt) und vom 13. November 2007, Kommission/Irland (oben in Randnr. 57 angeführt), ergangen seien. Die von der Mitteilung erzeugten Rechtswirkungen ergäben sich daher aus ihrem Punkt 1.3 und aus ihrer Verknüpfung mit dem Vertragsverletzungsverfahren.
      145 Außerdem ergäben sich aus Punkt 1.3 der Mitteilung keine bloß informatorischen, sondern darüber hinaus verhaltenssteuernde, also rechtsetzende Wirkungen. Dies werde von der Kommission eingeräumt, die der Mitteilung verhaltenssteuernde Wirkung beimesse. Eine verbindliche Wirkung der Mitteilung ergebe sich auch aus der angekündigten Absicht der Kommission, die Mitteilung ihrer eigenen Praxis in Vertragsverletzungsverfahren zugrunde zu legen.
      146 Das Parlament trägt zu Punkt 1.3 der Mitteilung vor, die Kommission als Verfasserin der Mitteilung habe zugleich die Stellung als zentrales Exekutivorgan der Gemeinschaft und als Hüterin der Verträge inne. Deshalb müssten die öffentlichen Auftraggeber der Mitgliedstaaten dem Inhalt der Mitteilung Folge leisten, um Vertragsverletzungsverfahren zu vermeiden, bei deren Einleitung die Kommission die in ihrer eigenen Mitteilung gesetzten Standards als Maßstab heranziehe.
      147 Die Republik Polen fügt hinzu, es sei zu erwarten, dass die in der Mitteilung enthaltenen Leitlinien von den Prüfern der Kommission als Bezugsgröße herangezogen würden, wenn sie Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge überprüften, die aus dem Haushalt der Europäischen Union, u. a. aus Strukturmitteln, kofinanziert worden seien. Bei etwaigen Abweichungen der durchgeführten Verfahren von den in der Mitteilung enthaltenen Leitlinien würden die Prüfer dazu neigen, den Ausgaben die Erstattungsfähigkeit aus Unionsmitteln abzusprechen. Entgegen der Behauptung in der Einleitung der Mitteilung würden die in ihr enthaltenen Leitlinien auf diese Weise „als Recht“ angewandt. Wenn man aber die Bedeutung der finanziellen Unterstützung aus dem Haushalt der Europäischen Union in Polen berücksichtige, dürfte eine solche Haltung der Prüfer ausreichen, um die Leitlinien als unmittelbar verbindlich anzusehen.
      148 Die Kommission macht geltend, entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, wonach sich aus Punkt 1.3 der Mitteilung rechtliche Wirkungen ergäben, führe der mögliche Einfluss der Mitteilung auf die Politik der Kommission bei Vertragsverletzungsverfahren nicht zu Rechtswirkungen für Dritte, sondern löse lediglich Wirkungen für die Kommission selbst aus. Die Kommission könne nämlich durch ihre Politik in Vertragsverletzungsverfahren nicht die Pflichten der Mitgliedstaaten festlegen. Der Umfang der Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten werde im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens erst durch den Gerichtshof in rechtlich verbindlicher Weise festgestellt.
      b) Würdigung durch das Gericht
      149 Punkt 1.3 letzter Absatz der Mitteilung bestimmt:
      „Erhält die Kommission Kenntnis von einer möglichen Verletzung der Grundanforderungen an die Vergabe öffentlicher Aufträge, die nicht unter die Vergaberichtlinien fallen, prüft sie die Binnenmarktrelevanz des fraglichen Auftrags vor dem Hintergrund der fallspezifischen Umstände. Sie wird nur dann ein Verfahren nach Artikel 226 [EG] einleiten, wenn dies angesichts der Schwere der Vertragsverletzung und ihrer Auswirkungen auf den Binnenmarkt angemessen erscheint.“
      150 Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission ohne Weiteres ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EG gegen einen Mitgliedstaat einleiten kann, wenn dieser Staat die Verpflichtungen, die sich für die ausschreibenden Stellen der Mitgliedstaaten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge aus den im EG-Vertrag festgelegten Vorschriften und Grundsätzen ergeben, nicht einhält. Folglich beweist der bloße Umstand, dass Punkt 1.3 der Mitteilung auf die Möglichkeit der Einleitung eines solchen Verfahrens hinweist, entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland keineswegs, dass diese Mitteilung neue Verpflichtungen der Mitgliedstaaten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge begründet und somit eine Handlung mit verbindlichen Rechtswirkungen ist.
      151 Ein Mitgliedstaat kann zwar durch diesen Punkt der Mitteilung auf die Gefahr aufmerksam gemacht werden, dass ihm im Fall der Nichtbeachtung seiner sich aus dem primären Gemeinschaftsrecht ergebenden und in der Mitteilung wiedergegebenen Verpflichtungen ein Vertragsverletzungsverfahren droht, doch ist dies lediglich eine tatsächliche Folge, nicht aber eine verbindliche Rechtswirkung (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, Slg. 1981, 2639, Randnr. 19, und vom 1. Dezember 2005, Italien/Kommission, C﷓301/03, Slg. 2005, I﷓10217, Randnr. 30).
      152 Das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland geht vor allem deshalb ins Leere, weil die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EG keine Handlung darstellt, die eine Bindungs- oder Zwangswirkung entfaltet. Im Rahmen dieses Verfahrens, dessen der Anrufung des Gerichtshofs vorausgehender Teil dazu dient, den Mitgliedstaat aufzufordern, seinen Verpflichtungen nachzukommen, gibt die Kommission dem Mitgliedstaat Gelegenheit zur Äußerung und bringt erst danach ihre Auffassung in Form einer Stellungnahme zum Ausdruck. In diesem Verfahrensabschnitt kommt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs keiner Maßnahme der Kommission bindende Kraft zu (Urteil des Gerichtshofs vom 1. März 1966, Lütticke u. a./Kommission, 48/65, Slg. 1966, 28, 39).
      153 Außerdem kann sich nach dem System der Art. 226 EG bis 228 EG nur aus einem Urteil des Gerichtshofs ergeben, welche Rechte und Pflichten die Mitgliedstaaten haben und wie ihr Verhalten zu beurteilen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 27. Mai 1981, Essevi und Salengo, 142/80 und 143/80, Slg. 1981, 1413, Randnrn. 15 und 16, und vom 29. September 1998, Kommission/Deutschland, C﷓191/95, Slg. 1998, I﷓5449, Randnr. 45). Folglich kann entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland nur ein Urteil des Gerichtshofs in diesem Bereich eine verbindliche Wirkung entfalten.
      154 Daher ist das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland und der Streithelfer zurückzuweisen, dass sich aus der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens im Fall der Nichtbeachtung des in der Mitteilung vorgesehenen Verfahrens eine verbindliche Wirkung ergebe.
      155 Dieses Ergebnis wird nicht durch das Argument der Bundesrepublik Deutschland in Frage gestellt, wonach sich Generalanwalt Tesauro in Nr. 6 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Frankreich/Kommission (Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juni 1993, oben in Randnr. 28 angeführt, Slg. 1993, I﷓3292) ausdrücklich dafür ausgesprochen habe, der Androhung eines Vertragsverletzungsverfahrens verbindliche Rechtswirkungen beizumessen.
      156 Anders als im vorliegenden Fall hatte die Kommission während des gesamten Verfahrens, das dem Urteil vom 16. Juni 1993, Frankreich/Kommission (oben in Randnr. 28 angeführt), zugrunde lag, die verbindliche Kraft der in Rede stehenden Handlung nie in Zweifel gezogen. Auf dieser Grundlage wertete Generalanwalt Tesauro die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens als weiteres Indiz dafür, dem Gerichtshof vorzuschlagen, die Klage nicht von Amts wegen für unzulässig zu erklären, sondern inhaltlich zu prüfen (Schlussanträge von Generalanwalt Tesauro in der Rechtssache Frankreich/Kommission, Nr. 6). Zudem ist darauf hinzuweisen, dass sich der Gerichtshof in dem genannten Urteil diese Argumentation, auf die sich das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland stützt, nicht zu Eigen gemacht hat.
      157 In Anbetracht der oben in den Randnrn. 150 bis 153 getroffenen Feststellungen ist auch das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, des Königreichs der Niederlande und der Republik Polen, wonach durch die Mitteilung eine Selbstbindung der Kommission eingetreten sei, als zumindest ins Leere gehend zurückzuweisen. Überdies geht aus dem Wortlaut von Punkt 1.3 der Mitteilung hervor, dass die Kommission nicht beabsichtigt, in allen ihr zur Kenntnis gelangenden Fällen einer Vertragsverletzung ein Verfahren einzuleiten, sondern dass sie dies nur vor dem Hintergrund der fallspezifischen Umstände tun und sich dabei von zwei Hauptkriterien leiten lassen wird, nämlich der Schwere der Vertragsverletzung und ihrer Auswirkungen auf den Binnenmarkt.
      158 Schließlich kann dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, die Kommission nehme auf die Mitteilung wie auf einen Rechtsakt Bezug und habe bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren durchgeführt, um deren Grundsätze durchzusetzen, nicht gefolgt werden.
      159 Zu dem von der Bundesrepublik Deutschland angeführten Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2005/4043 ist festzustellen, dass die Kommission in Randnr. 7 der mit Gründen versehenen Stellungnahme tatsächlich auf die Mitteilung Bezug nimmt. Entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland wird die Mitteilung dort jedoch nicht als Rechtsgrundlage herangezogen, sondern es wird lediglich am Ende dieser Randnummer in Klammern auf sie verwiesen. Der verfügende Teil der mit Gründen versehenen Stellungnahme ist auf die Art. 43 EG und 49 EG sowie auf den Grundsatz der Gleichbehandlung, das Diskriminierungsverbot und den Grundsatz der Transparenz gestützt.
      160 Das Gleiche gilt für die beiden von der Bundesrepublik Deutschland angeführten Rechtssachen, in denen die Urteile Kommission/Finnland (oben in Randnr. 39 angeführt) und vom 13. November 2007, Kommission/Irland (oben in Randnr. 57 angeführt), ergangen sind. In der Rechtssache Kommission/Finnland hat der Gerichtshof die Klage der Kommission für unzulässig erklärt, da sie in ihrer auf bestimmte Grundregeln des EG-Vertrags und insbesondere auf das Diskriminierungsverbot, das die Transparenzpflicht einschließt, gestützten Klage keine ausreichenden Anhaltspunkte vorgetragen hatte, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, die Tragweite des dem Mitgliedstaat vorgeworfenen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht genau zu erfassen (Urteil Kommission/Finnland, Randnr. 32). Dem Urteil in der Rechtssache Kommission/Irland ist zu entnehmen, dass eine nachträgliche Bekanntmachung keine angemessene Bekanntmachung sicherstellen kann, und es bestätigt, dass eine Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung besteht, wie die Bundesrepublik Deutschland in der mündlichen Verhandlung anerkannt hat.
      161 Zum Vorbringen der Republik Polen, die Mitgliedstaaten könnten durch die Mitteilung auf die Gefahr aufmerksam gemacht werden, dass bestimmte Ausgaben im Rahmen der gemeinschaftlichen Finanzierung nicht anerkannt würden, ist festzustellen, dass es sich dabei wiederum um eine bloße tatsächliche Folge und nicht um eine verbindliche Rechtswirkung der Mitteilung handelt (siehe oben, Randnr. 151).
      162 Nach alledem enthält die Mitteilung keine neuen Regeln für die Vergabe öffentlicher Aufträge, die über die Verpflichtungen hinausgehen, die sich aus dem bestehenden Gemeinschaftsrecht ergeben. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitteilung verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, die geeignet sind, die Rechtsstellung der Bundesrepublik Deutschland und der Streithelfer zu berühren; daher ist die Klage als unzulässig abzuweisen.
      Kosten
      163 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Bundesrepublik Deutschland unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission deren Kosten aufzuerlegen.
      164 Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Im vorliegenden Fall tragen die zur Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland beigetretenen Streithelfer ihre eigenen Kosten.
      Aus diesen Gründen hat
      DAS GERICHT (Fünfte Kammer)
      für Recht erkannt und entschieden:
      1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
      2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.
      3. Die Französische Republik, die Republik Österreich, die Republik Polen, das Königreich der Niederlande, das Europäische Parlament, die Hellenische Republik und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen ihre eigenen Kosten.



    Anmerkung: Änderung vom 11.6.2010

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