Zeitrahmen
Die Bindefrist des Bieters ist an der internen Zuschlagsfrist orientiert: Angebotsfrist - (Zuschlagsfrist) - Bindefrist - vgl. § 13 UVgO

I. Bindefrist nach §§ 13 UVgO, 20 VGV
II. Verlängerung der Bindefrist
III. Früheres Recht nach § 10 VOL/A

I. Bindefrist nach §§ 13 UVgO

Kommentierung (aus Bartl/Bartl/Schmitt, UVgO, 2017 )

1. Einführung

Übersichten

Fristen

Für alle Verfahrensarten

§ 13 UVgO

§§ 8 ff UVgO

Frist für Teilnahme, Angebote und Bindefrist

„angemessen“ – nach § 13 UVgO

Pflicht zur Fristverlängerung (Ortsbesichtigung, Informationen etc.)

§ 13 III, IV UVgO

Zuschlagsfrist nicht geregelt, aber intern vorzusehen

 

 

Fristen - Zeitrahmen

Variante I – Verfahrensart mit Teilnahmewettbewerb

Bekanntmachung

Teilnahmefrist

Angebotsfrist

Zuschlag

Bindefrist

§§ 27, 28 UVgO

§ 13 I UVgO

§ 13 I UVgO

- intern -

§ 13 I UVgO

Geschätzte Tage*)

10 - 15

15 - 20

5

2

4.4.2017

14.4.2017

29.4.2017

5.5. 2017

7.5.2017

 

Variante II – Verfahrensart ohne Teilnahmewettbewerb

Bekanntmachung

Teilnahmefrist

Angebotsfrist

Zuschlag

Bindefrist

§§ 27, 28 UVgO

entfällt

§ 13 I UVgO

- intern -

§ 13 I u

Geschätzte Tage*)

 

15 - 20

5

 

4.4.2017

 

19.4.2017

24.4.2017

26.4.2017

*) Kalendertage

 

1. Grundsätze

1.1. Gleichbehandlung und Transparenz

§ 13 II UVgO verlangt gleiche Fristen für alle Bewerber und Bieter. Das ist an sich bereits nach § 2 II UVgO zu beachten.

Vgl. zum Gleichbehandlungsgrundsatz im oberschwelligen Verfahren Kulartz u. a., VgV, § 20 Rn. 7.

 Unzulässig sind danach z. B. Fristverlängerungen nur für einen Bewerber insbesondere bei gleichem oder identischem Sachverhalt. Der Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz erfordert auch, dass bei wesentlichen Informationen oder Änderungen der Vergabeunterlagen nicht nur gegenüber dem Auskunft verlangenden Bewerber die Frist verlängert wird, sondern auch für alle Bewerber und Bieter

1.2. Unterschiedliche ober- und unterschwellige Verfahren

Ober- und unterschwelliges Verfahren unterscheiden sich insofern erheblich. Im oberschwelligen Verfahren sind in § 20 I VgV lediglich die Teilnahme- und die Angebotsfrist geregelt.

Vgl. hierzu Kulartz u. a., VgV, § 20 Rn. 46.

Anders als in oberschwelligen Verfahren nach §§ 15 –19, 20 VgV sind keine Mindestfristen in der UVgO vorgesehen. Eine grobe Orientierung an den Mindestfristen der VgV ist allerdings nicht ausgeschlossen. Hierbei sind allerdings Volumen, Leistungsart (vor allem Standardleistungen) oder auch Auftragswert und der zeitliche Aufwand der Unternehmen für Teilnahmeantrag und Angebot zu beachten.

In beiden Verfahren ist es fehlerhaft, wenn nicht frühzeitig ein vorläufiger Zeitrahmen (vgl. u. Anm. 5.) für die Vergabe vorgesehen ist, der sodann noch eine Anpassung der einzelnen Termine zugänglich ist. Insofern muss realistisch vorgegangen werden. Beschaffungen unter Zeitdruck sind im Einzelfall unwirtschaftlich. Das wird nur hingenommen, wenn z. B. Gefahr in Verzug ist und dementsprechend die Verhandlungsvergabe nach § 8 IV Nr. 9 UVgO zugelassen ist. Liegen Organisationsfehler (kein oder erkennbar unrealistischer Zeitrahmen) vor, so ist diese Verhandlungsvergabe nicht zulässig, da sie allein dem Auftraggeber zuzurechnen ist (vgl. § 8 IV Nr. UVgO).

 

1.3. Fristen

§ 13 I UVgO hingegen sieht die Teilnahme-, die Angebots- und die Bindefrist vor. Sie sind nach § 28 II Nr. 10 UVgO in die Auftragsbekanntmachung aufzunehmen. Die Zuschlagsfrist ist nicht geregelt. Sie ist jedoch für die interne Disposition und den Zeitrahmen zu beachten (s. u.).

2. Angemessenheit

Abweichend von den Regelungen in den §§ 15 – 19 VgV enthält die UVgO keine Mindestfristen. Vielmehr werden für die Teilnahme-, die Angebots- sowie auch die Bindefrist lediglich „angemessene Fristen“ vorgesehen.

Welche Frist „angemessen“ ist, hängt von den Umständen des einzelnen Verfahrens, insbesondere von der Zeit für die Teilnahmeantrags- oder die Angebotserstellung ab.

 Generelle Aussagen können nicht getroffen werden. Allerdings darf vorab als „Faustformel“ für die Praxis im unterschwelligen Verfahren angeführt werden, dass regelmäßig „angemessen“ sein dürften

- Teilnahmefristen von 10 Kalendertagen,

- Angebotsfristen von 14 Kalendertagen und

- Bindefristen von 16 Kalendertagen gerechnet ab Angebotsfrist (14 Kalendertage zuzüglich zwei Kalendertage für Prüfung, Wertung und Zuschlag).

Weitere Einzelheiten ergeben sich aus der Anm. 2. (s. u.).

Vorab ist ferner festzustellen, dass das Vergabeverfahren zügig durchzuführen. Der „Beschleunigungsgrundsatz“ ist zu beachten, der sich auch auf die Wahl der Fristen auswirkt.

 Das verlangt entsprechend ausgebildete Mitarbeiter der Vergabestelle, die in der Lage sind, die erforderlichen Schritte fachkundig durchzuführen. Organisationsfehler etc. oder Personalengpässe rechtfertigen keine „unangemessene“ Fristen, vor allem keine überzogenen Bindefristen, die die gegen Geschäfte der Bewerber oder Bieter beeinträchtigen. Das verstieße gegen Wettbewerbsgrundsätze und Verhältnismäßigkeit (vgl. § 2 I UVgO)

 Grundsätzlich kann ferner auch im unterschwelligen Verfahren davon ausgegangen werden, dass Teilnehmer, Bewerber oder Bieter ausreichende Kenntnisse vom Vergabeverfahren aufweisen und sich auf die Teilnahme am Wettbewerb in gewisser Weise „allgemein“ vorbereitet haben.

Insbesondere darf erwartet werden, dass die üblichen Nachweise trotz eventuell notwendiger Aktualisierung regelmäßig vorhanden sind (Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Fehlen von Ausschlussgründen etc. – vgl. § 31 UVgO).

Bei zu üblicher betrieblicher Organisation dürften diese Unterlagen innerhalb von wenigen Tagen erstellt oder beschafft werden können, zumal ohnehin lediglich Eigenerklärungen verlangt werden (§ 35 II UVgO). Auch über die Eintragung in ein „amtliches Verzeichnis“ oder eine „Zertifizierung“ i. S. d. § 35 IV UVgO verfügen viele Unternehmen ständig und erleichtern sich insofern den Aufwand für konkrete Vergabeverfahren. Insoweit wird auf § 35 UVgO verwiesen.

Für die „Angemessenheit“ sind die

Interessen des Auftraggebers und der Bewerber bzw. Bieter

maßgeblich.

Wie lange der interne „Vorlauf“ bis zur Bekanntmachung bzw. Aufforderung zur Angebotsabgabe festgelegt wird, ist alleinige Sache des Auftraggebers. Lange „Vorlaufzeiten“ sind allerdings auch im unterschwelligen Verfahren zu vermeiden. Vergabeunterlagen, insbesondere Leistungsbeschreibungen sollten dem aktuellen Stand entsprechen und nicht durch reale Marktverhältnisse „überholt“ werden.

Für die Teilnahme- Angebots- und Bindefrist sind hingegen die Interessen beider Seiten, insbesondere aber der Bewerber und Bieter, zu berücksichtigen. Die Teilnahme am Wettbewerb oder die Abgabe von Angeboten schränkt die Dispositionsfreiheit des Auftragnehmers ein. Das ist ebenso zu berücksichtigen wie das Interesse des Auftraggebers an einer ausreichenden Zeit für die Prüfung und Wertung des Angebots. Insofern ist bei der Festlegung der jeweiligen Frist auch maßgeblich, ob es sich um eine Teilnahmefrist (Anm. 2.1.), eine Angebotsfrist (Anm. 2.2.) oder die Bindefrist (Anm. 2.3.) handelt.

2.1. Frist für Teilnahmeantrag

Auszugehen ist von der Zeit für die Suche und die Prüfung der Bekanntmachung des Teilnahmewettbewerbs, die einschließlich der Entscheidung über die Teilnahme durchschnittlich mit zwei bis drei Tagen anzusetzen ist.

Für die Zusammenstellung der Eignungsnachweise etc., die weitere Einschätzung des Leistungsgegenstandes etc., die Entscheidung für die Teilnahme und die rechtzeitige Absendung sowie Zugang des Teilnahmewettbewerbs werden hier in der Regel nicht mehr als weitere drei Tage anzusetzen sein. Samstage, Sonn- und Feiertage sind zu berücksichtigen. Demgemäss wird regelmäßig eine Teilnahmefrist zwischen 10 und 15 Kalendertagen erforderlich sein, sofern keine weiteren besonderen Umstände vorliegen (wegen Ortsbesichtigung etc. s. u. Anm. 3.).

2.2. Angebotsfrist – Widerruf des Angebots

2.2.1. Angebotsfrist

Von der zuvor erörterten Teilnahmefrist ist die Angebotsfrist zu unterscheiden. Die Teilnahmefrist wird in der Regel kürzer ausfallen können als die regelmäßig mehr Zeit erfordernde Angebotsfrist (s. o. Anm. 2.1.).

Auch hier ist für die Angebotsfrist die jeweilige konkrete Vergabe entscheidend. Ausgangspunkt sind die Zeiten für die Beurteilung der Vergabeunterlagen, insbesondere für die Leistungsbeschreibung, aber auch die geforderten Nachweise und Erklärungen (abweichend bei Teilnahmewettbewerb, in dem die Eignung bereits regelmäßig Prüfungsgegen-stand ist – s. o.), die Zeit für Kalkulation, Entscheidung und die Fertigstellung des Angebots sowie die erforderliche Zeit für den Zugang der Erklärung bei dem Auftraggeber (elektronisch, Postlaufzeit etc.).

Hier können sich auch die Verfahrensarten auswirken. Die Angebotsfrist wird bei Verhandlungsvergabe nach § 8 IV UVgO wegen der meist komplexen Leistung oder weiterer Gründe länger anzusetzen sein als z. B. bei Öffentlicher oder Beschränkter Ausschreibung – und hier insbesondere bei Beschaffung von Standardleistungen.

Zu beachten ist, dass die Mindestfristen im oberschwelligen Verfahren bei 35 bzw. 30 Kalendertagen liegen. Man wird daher im unterschwelligen Verfahren als Regel 14 bis 21 Kalendertage für die Angebotsfrist vorsehen dürfen, sofern keine besonderen Umstände vorliegen.

In Sonderfällen des § 8 IV Nr. 9 UVgO („besondere Dringlichkeit“) sind kurze Fristen von wenigen Tagen zulässig. Es liegt auf der Hand, dass etwa im Katastrophenfall nach entsprechender schneller Markterkundung und Ausübung des Bestimmungsrechts meist sofortiger Handlungsbedarf besteht. Insofern kann es hier zur Frist von einigen Stunden oder ein oder zwei Tage kommen. Das wird auch für den Fall gelten, dass nach § 8 IV Nr. 10 UVgO nur ein Unternehmen in Betracht kommt.

 2.2.2. Keine Vorschrift für den Widerruf

Anzumerken ist, dass in § 13 UVgO sowie auch in § 20 VgV nicht geregelt ist, dass die Bieter bis zum Ablauf der Angebotsfrist ihre Angebote zurückziehen können (vgl. § 10 II VOL/A a. F.). Die frühere Regelung sollte dem Bieter die Möglichkeit einräumen, das Angebot zu widerrufen.

Vgl. insofern Kulartz u. a., VOL/A, § 10 Rn. 69, unter Hinweis auf § 10 I S. 2 BGB.

 Eine Willenserklärung wird nur dann nicht nach § 130 I BGB wirksam, wenn sie gegenüber dem anderen Teil vor dem Zugang oder gleichzeitig mit Zugang widerrufen wird. Zugegangen ist das Angebot bei dem Auftraggeber, wenn es in seinen Bereich gelangt (Briefkasten, Postfach, elektronischer Eingang etc.) und der Empfänger Kenntnis nach „gewöhnlichen Verhältnissen“ (Bürozeit etc.) erlangt.

Vgl. hierzu Palandt-Ellenberger, BGB, § 130 Rn. 5, 6, m. w. Nachw.; vgl. auch Kulartz u. a., VOL/A, § 10 Rn. 69.

Da nach der UVgO kein Widerrufsrecht vorgesehen ist, greifen die Grundsätze des BGB ein. Folglich sind Angebote mit Zugang bei dem Auftraggeber bindend. Ein Widerruf ist ebenso wenig vorgesehen wie etwa das bisherige „Zurückziehen“ eines Angebots. Auch die Übersendung eines neuen weiteren Angebots kann nicht mehr als „Zurückziehen“ des wirksam gewordenen bisherigen Angebots angesehen werden. Das zugegangene erste Angebot ist bindend.

Eine andere Rechtsfolge kann nur dann eintreten, wenn dem Bieter wie bisher ein „Zurückziehen“ des Angebots bis zum Ablauf der Angebotsfrist in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen zugestanden wird.

Das wäre zulässig; denn von § 130 BGB darf auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder in individuellen Vertragsvereinbarungen jedenfalls zugunsten des Bieters abgewichen werden.

Die Vorschrift des § 130 BGB ist nicht zwingend, sondern dispositiv.

Palandt-Ellenberger, BGB, § 130 Rn. 19; § 308 Nr. 6 (Zugangsfiktion) sowie § 309 Nr. 13 (Form von Erklärungen etc.) BGB betreffen diese Fallgestaltung nicht. Auch mit Blick auf §§ 307, 310 BGB ist jedenfalls keine unangemessene Klausel ersichtlich.

 Ob man dem Bieter wie nach früherem Vergaberecht ein „Zurückziehen“ bis zum Ablauf der Angebotsfrist einräumt, ist dem Auftraggeber überlassen. Gezwungen ist er hierzu nach § 13 UVgO nicht.

Auch eine „vergaberechtliche Verkehrssitte“ auf ein Recht zum Zurückziehen des Angebots ist nicht anzunehmen. Ferner besteht für den Auftraggeber keine vorvertragliche Pflicht, auf die Bindung des zugegangenen Angebots hinzuweisen.

Zu bevorzugen ist freilich eine Klarstellung, dass zugegangene Angebote nicht „zurückgezogen“ oder durch weitere Angebote bis zum Ablauf der Angebotsfrist ersetzt werden können; denn nicht wenigen Bietern (und manchem Auftraggeber) dürfte die Neuerung entgangen sein. Aber auch insofern ist diese mögliche Information kein Ausfluss einer rechtlichen Pflicht des Auftraggebers, sondern dient lediglich dem Hinweis auf eine ohnehin bestehende Rechtslage.

 2.3. Bindefrist

Die Bindefrist muss nicht mit der „internen Zuschlagsfrist“ übereinstimmen. Die interne Zuschlagsfrist ist lediglich der abgeschätzte Zeitpunkt, zu dem die Zuschlagsentscheidung aller Voraussicht nach gefällt wird, und sodann der Zuschlag erteilt werden kann. Idealerweise wird sie mit der Bindefrist übereinstimmen, muss es aber nicht.

Die erforderliche Angemessenheit der Bindefrist wirkt sich allerdings auch auf die „interne Zuschlagsfrist“ aus. Der Auftraggeber trifft insofern eine stark eingeschränkte Ermessensentscheidung.

Vgl. Kulartz u. a., VgV, § 20 Rn. 57.

 Für die Bindefrist ist zunächst maßgeblich, welche Zeit der Auftraggeber für die Prüfung, Wertung und Zuschlag benötigt. Das ist durch eine Simulation des fachkundig durch die Vergabestelle organisierten Ablaufs nach Ende der Angebotsfrist zu gewährleisten. Organisationsfehler oder fehlendes Personal etc. sind keine Gründe für „unangemessene“ Fristen, sondern eine einseitige Berücksichtigung der Interessen des Auftraggebers.

 Für die Angemessenheit sind auch die Bieterinteressen zu berücksichtigen. Die Bieter können erwarten, dass unzumutbar lange Bindungen an das Angebot nicht festgelegt werden. Insofern sind die Einzelfallumstände zu beachten (vor allem erhebliche Preisbewegungen wie etwa bei Tagespreisen etc., Nachfrageschwankungen). Bei niedrigen oder nicht zu erwartenden Preisschwankungen der Leistung kann dieser Aspekt wenig oder keine Beachtung finden. Das wird bei den meisten Leistungen jedenfalls im Unterschwellenbereich der Fall sein.

Allerdings wird die Disposition des Bieters durch die Bindefrist beschränkt. Über vom Angebot erfasste Leistungen kann er nicht verfügen oder sie anderweitig verwerten.

 Die Bindungszeit ist durch die Regelung in § 13 UVgO auch zeitlich im Vergleich zur früheren Rechtslage verschärft, da ein „Zurückziehen“ des zugegangenen Angebots in der Vorschrift nicht vorgesehen ist (s. o. Anm. 2.2.2.).

 Fristen für die Bindung an das Angebot, die im unterschwelligen Verfahren über mehr als 5 Kalendertage gerechnet ab Ablauf der Angebotsfrist hinausgehen, dürften damit bedenklich sein. Grundsätzlich hat die Bindefrist infolge der betroffenen Interessen der Bieter nämlich wie bislang so kurz wie möglich und so lang wie nötig zu sein.

So Kulartz u. a., VgV, § 20 Rn. 57.

Die Angemessenheit ist Gegenstand der Dokumentation (§ 6 I UVgO).

 3. Fristverlängerung

3.1. Fristverlängerung bei Ortsbesichtigung oder Einsichtnahme

Nach § 13 III UVgO sind Besonderheiten der Vergabeverfahren geregelt, in denen Ortsbesichtigungen oder Einsichtnahmen erforderlich sind.

Insofern ist vom Auftraggeber zunächst festzustellen, dass eine Ortsbesichtigung oder Einsichtnahme für die Erstellung des Angebots erforderlich ist. Wäre das nicht der Fall, so wäre eine Verlängerung der Fristen auch eine Verlängerung der Unsicherheitsphase bis zum Zuschlag. Das würde auch dem Angemessenheitsgebot widersprechen.

 Eine Besichtigung von und/oder Einsichtnahme in nicht übermittlungsfähige Unterlagen, besondere Umstände vor Ort, Modelle, umfangreiche Gutachten etc. muss folglich möglich und für die Angebotserstellung erforderlich sein. Ist das der Fall, so ist die für diese Maßnahme erforderliche zusätzliche Zeit abzuschätzen, um allen Bietern die gleichen Möglichkeiten und Chancen einzuräumen.

Die Wünsche der Bieter allein sind nicht maßgeblich.

Eingeschränkt ist dadurch, dass die Bieter z. B. die Informationen „unter gewöhnlichen Umständen“ zur Kenntnis nehmen können. Das betrifft nicht nur den „inhaltlichen“, sondern auch den zeitlichen Aspekt. Deshalb können z. B. Ortsbesichtigungstermine, sofern gemeinsam erforderlich, nur einvernehmlich festgelegt werden. Auch die Dauer der Ortsbesichtigung hängt davon ab, welche Zeit eine Fachkraft benötigt, um sich das für das Angebot erforderliche Bild zu machen.

 

Problematisch sind „Sammeltermine“ für alle Bieter wegen des „Geheimwettbewerbs“ oder auch der Vertraulichkeit (vgl. § 3 UVgO). In der Regel sind individuelle Einzeltermine mit den Bietern zu vereinbaren, wobei auch Wünsche der Bieter berücksichtigt werden sollen, wenn dies für den Auftraggeber und die anderen Bieter zumutbar ist. Einen Anspruch auf einen bestimmten Termin hat der Bieter nicht. Anreiseprobleme etc. sollten bei der Ermessensentscheidung berücksichtigt werden. Es dürfte sich empfehlen, die Termine entsprechend dem Eingang der Anträge festzulegen und z. B. in beschränktem Umfang auch Ersatztermine nach sachlichen Gesichtspunkten vorzusehen.

Vgl. Kulartz u. a., VgV, § 20 Rn. 27.

 Da nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz alle Bieter die Ortsbesichtigung und Einsichtnahme beanspruchen können, dürften in der Regel mehrere Wochentage für diese Maßnahme zu reservieren sein.

Welche Verlängerung der Frist im Einzelfall entsprechend § 13 III UVgO festzulegen ist, hängt von der prognostizierten Zahl der Bieter ebenso ab wie von der Zeit, die für Ortsbesichtigung und/oder Einsichtnahme erforderlich ist. Im Regelfall ist für jeweils zwei Bieter etwa ein Tag vorzusehen (1. Termin: 9.30 Uhr – 11.30 Uhr, 2. Termin: 13.00 Uhr – 15.00 Uhr). Dieser Ansatz ist maßgeblich für die Verlängerung der sonst üblichen Angebotsfrist von 10 – 15 Kalendertagen. Bei zehn Bietern fallen also zusätzlich etwa 5 Wochentage zusätzlich an.

3.2. Fristverlängerung bei Informationen und Änderung

Zu zusätzlichen Informationen oder Änderung der Vergabeunterlagen kann es aufgrund eigener Feststellungen des Auftraggebers kommen. Auch Auskunftsersuchen der Bewerber oder Bieter können Überprüfungen der Vergabeunterlagen zur Folge haben. Anders als früheren Fassungen der VOL/A ist die Auskunftserteilung nicht in der UVgO geregelt.

Anders z. B. § 10a VI Nr. 1 EU VOB/A; hierzu auch Kulartz u. a., VgV, § 41 Rn. 34, 35.

 Eine Frist für die Erteilung der Zusatzinformationen ist weder in § 20 VgV noch in der UVgO enthalten. Feststeht, dass Bewerber oder Bieter „zusätzliche Informationen“ anfordern können. Andernfalls wäre § 13 IV Nr. 1 UVgO nicht sinnhaft. Im Übrigen treffen den Auftraggeber auch die Pflichten aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis (vgl. §§ 280, 241 II, 311 II, III BGB). Dazu gehört auch die Pflicht zur Auskunftserteilung, soweit die entsprechenden Fragen für das Verfahren von Bedeutung sind.

Vgl. Kulartz u. a., VgV, § 41 Rn. 34, 53 (auch zur Registrierung der Unternehmen).

Die Teilnahme- und/oder die Angebotsfrist sind in zwei Fällen angemessen zu verlängern, soweit dies erforderlich ist:

3.2.1. Erforderlichkeit der Verlängerung

Die Verlängerung ist erforderlich, wenn sich die überlassenen Informationen oder die Änderungen der Vergabeunterlagen auf die Teilnahme (wenn auch nicht in § 13 IV UVgO genannt) oder die Erstellung des Angebots auswirken. Das ist nur dann der Fall, wenn die Bewerber oder Bieter ihre Angebote überprüfen, ergänzen oder auch z. B. erneut kalkulieren müssten. Hierbei kann es sich um Informationen etc. handeln, die sich z. B. auf einen Verzicht bestimmter Nachweise beziehen oder die Leistungsbeschreibung betreffen.

Auch die „Heilung“ von Fehlern kann betroffen sein. Der Auftraggeber hat die Auswirkungen der Informationen oder Änderungen nachvollziehbar einzuschätzen. Erteilt er Informationen oder ändert er die Vergabeunterlagen, so sind die Bewerber bzw. Bieter in jedem Fall zu informieren.

Die Informationen etc. dürfen auch nicht auf einen Bewerber oder Bieter beschränkt werden. Ob im Ausnahmefall nur ein Bieter eine Auskunft mit entsprechenden Informationen erhält, ist dann denkbar, wenn sie sich nicht auf die Teilnahme oder die Angebotserstellung anderer Bieter auswirkt. Das wird regelmäßig nur dann der Fall sein, wenn es sich z. B. nur um auf der Hand liegende Klarstellungen handelt. Dieser Ausnahmefall ist nachvollziehbar zu begründen und zu dokumentieren.

Vgl. Kulartz u. a., VgV, § 20 Rn. 32, ausführlich.

 3.2.2. Wesentliche Informationen vor Ablauf der Angebotsfrist

Das Merkmal der „Wesentlichkeit“ betrifft die Pflicht zur Erteilung der „zusätzlichen“ Informationen ein. Unwesentliche Informationen sind anzunehmen, wenn sie für die Teilnahme oder die Angebotserstellung nicht bedeutsam sind. Insoweit ist auf die Ausführungen o. Anm. 2. zu verweisen. Der Auftraggeber hat zu prüfen, welche Auswirkungen die Informationen haben. Er darf grundlos keine Verlängerung der Teilnahme- oder Angebotsfrist vornehmen, da sich dies auf die Teilnahme oder die Angebote auswirken kann. So führt eine grundlose Änderung der Fristen im Einzelfall zu weiteren Angeboten, die ohne Fristverlängerung nicht abgegeben worden wären. Dadurch verschlechtern sich die Positionen der Bewerber oder Bieter.

„Wesentlich“ sind alle Informationen, die unmittelbar die Teilnahme (z. B. Erhöhung der Eignungsvoraussetzungen) oder die Angebotserstellung (Änderung der Leistungsbeschreibung) und insbesondere die Kalkulation betreffen. Es ist zu fragen, ob ein sachkundiger Bewerber oder Bieter bei Erhalt der Informationen seine grundsätzliche Entscheidung für die Teilnahme aufheben oder auch nur teilweise ändern würde. Ist das der Fall, so liegt das Merkmal der „Wesentlichkeit“ vor.

 Ohne weitere Gründe ist in § 13 IV Nr. 1 UVgO vorgesehen, dass die Informationen „vor Ablauf der Angebotsfrist“ gestellt werden. Denkbar sind aber auch Maßnahmen des Auftraggebers nach Ablauf der Angebotsfrist z. B. zur „Heilung“ des Verfahrens anstelle der Aufhebung (vgl. § 48 UVgO). Allerdings dürfte dieser Fall wohl regelmäßig unter die zweite Variante des § 13 IV Nr. 2 UVgO zu subsumieren sein (Änderung der Vergabeunterlagen).

3.2.3. Wesentliche Änderung der Vergabeunterlagen

Diese Variante hat wohl größeres Gewicht als die „zusätzlichen wesentlichen Informationen“ (s. o.). Was zu den Vergabeunterlagen gehört, folgt aus § 21 UVgO (siehe dort). Damit sind im Grunde sämtliche für das Vergabeverfahren bedeutsamen Unterlagen betroffen (Eignungs- und Zuschlagskriterien, Leistungsbeschreibung und Vertragsvereinbarungen einschließlich der Vertragsstrafen, Schadenspauschalierungen, Gewährleistungsfristen, Sicherheitsleistungen, aber auch Ausführungsbedingungen). Auch stehen den Teilnehmern, Bewerbern und Bietern die Möglichkeiten offen, Verstöße zu rügen, wenn auch der unterschwellige Rechtsschutz nur schwach ausgebildet ist (Möglichkeiten in einigen Landesgesetzen, einstweilige Verfügung, Rechts- und Fachaufsicht etc.).

 Der Auftraggeber ist auch hier gehalten, Anregungen, Rügen von Verstößen oder Auskünfte zu prüfen und entsprechend zu entscheiden. Die Prüfung erstreckt sich auf „wesentliche Änderungen“ der gesamten Vergabeunterlagen. Auch hier sind zu unterscheiden,

- Klarstellungen, Beseitigung subjektiver Auslegungsdefizite oder von Missverständnissen etc.

- und „wesentlichen Änderungen“.

Nur im zweiten Fall werden sich Änderungen der Vergabeunterlagen für die Position des Bieters und das Angebot wettbewerbsmäßig auswirken – bis hin zur Entscheidung, am Wettbewerb nicht mehr teilzunehmen.

 Wegen der Auswirkungen sind die Änderungen zu begründen und zu dokumentieren (vgl. § 6 I UVgO).

 Ob die entsprechende Änderung „wesentlich“ ist, hängt vom Einzelfall ab. Der Rechtsbegriff ist „objektiv“ auszulegen. Entscheidend ist, ob die Änderung für die Teilnahme oder Erstellung des Angebots relevant ist. Sofern die Information oder Änderung für die Erstellung des Angebotes „unerheblich“ oder die Information verspätet angefordert ist, bedarf es keiner Mitteilung an alle Bewerber bzw. Bieter (vgl. § 20 III S. 2 VgV). Wie bei den Informationen kommen grundlose Änderungen schon deshalb nicht in Betracht, weil sie den Wettbewerb einschränken können, das Verfahren intransparent machen und zu Verstößen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

Gründe für die Änderungen sind die Beseitigung von Fehlern z. B. der Leistungsbeschreibung (technische Unrichtigkeit, Unvollständigkeit etc.). Aber auch festgestellte rechtliche Fehler (Unzulässigkeit einer Vertragsstrafe etc.). Ob ein Fehler etc. und die Änderung für das Verfahren „wesentlich“ sind, hängt von den Einzelfallumständen ab. Die Voraussetzung für die Fristverlängerung ist jedenfalls nur in einer „wesentlichen Änderung der Vergabeunterlagen“ zu sehen. Insofern trifft den Auftraggeber die Darlegungs- und Beweislast.

Vgl. Kulartz u. a., VgV, § 20 Rn. 35, 36.

Auch ein Überschreiten der „wesentlichen Änderung“ in Richtung vollständige Änderung ist denkbar, wenn quasi ein „anderes Vergabeverfahren“ vorliegt. Insofern können Aufhebungsgründe des § 48 I UVgO eingreifen – als letztes Mittel.

3.2.4. Angemessene Fristverlängerung

Für die Entscheidung über die zusätzliche Frist sind die Interessen beider Teile, der Auftraggeber und der Bieter, bestimmend. Der Auftraggeber hat das Interesse, das konkrete Vergabeverfahren trotz vorhandener Fehler zu „retten“ und die Aufhebung zu vermeiden. Aber auch die Bieter sind in der Regel daran interessiert, dass das Verfahren unter Berücksichtigung der Änderung zeitnah abgeschlossen wird. Andernfalls könnte nach einer Aufhebung ein zweites Verfahren nachfolgen.

Daran besteht auf Seiten der Bieter vor allem deshalb kein Interesse, weil bereits vorhandene Wettbewerbspositionen verloren gehen können und ein erheblicher Zeitverlust eintritt.

Maßgeblich sind in diesem Zusammenhang der Umfang der zusätzlichen Informationen und der Änderungen, der Aufwand für die Prüfung, Entscheidung und gegebenenfalls Änderung des Angebots. Mit Recht wird auch der Zeitpunkt der Information oder Mitteilung der Änderung für relevant gehalten. Es ist ein Unterschied, ob z. B. die Änderung kurz vor Ablauf der Angebotsfrist erfolgt oder bis zu deren Ablauf noch mehrere Tage für die Bieter zur Verfügung stehen.

Vgl. Kulartz u. a., VgV, § 20 Rn. 37.

 Auszugehen ist im Übrigen von der ursprünglich vorgesehenen Angebotsfrist. Im Regelfall ist die Verlängerungsfrist kürzer als die ursprüngliche Angebotsfrist, denn es ist ja bereits ein Angebot erarbeitet worden. Abgesehen hiervon wird man bei wesentlichen Änderungen von etwa einem Drittel und bei grundsätzlichen Änderungen z. B. der Leistungsbeschreibung etwas zwei Drittel der bisherigen Angebotsfrist als Faustregel in der Praxis ansetzen.

Da zuvor eine Angebotsfrist von ca. 14 bis 21 Kalendertagen (s. o.) ausgegangen wurde, dürften im Allgemeinen Verlängerungsfristen zwischen 5 und 10 Wochentagen im unterschwelligen Verfahren „angemessen“ sein. Letztlich ist aber in jedem Einzelfall über die weitere Frist unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zu entscheiden.

Vgl. insofern ähnlich Kulartz u. a., VgV, § 20 Rn. 37, für das oberschwellige Verfahren.

3.2.5. Mitteilung der Fristverlängerung, der Information und Änderung

Da dem Auftraggeber in diesem Stadium das Unternehmen mit vollständiger Adresse bekannt ist, wird regelmäßig eine Mitteilung der verlängerten Frist und der einschlägigen Informationen bzw. Änderungen durch E-Mail oder Fax (vgl. § 126b BGB) auf elektronischem Wege vorgenommen werden. Insofern ist allerdings das Verlangen nach einer Bestätigung des Zugangs bei dem Bieter nicht nur sinnvoll, sondern zu Beweissicherung erforderlich. Das Auftraggeber hat den Zugang der Mitteilung zu beweisen (vgl. § 130 I BGB).

 Der Auftraggeber kann nur informieren, wenn er über die Adresse etc. des Unternehmens verfügt (vgl. insofern §§ 7 III, 29 I UVgO). Der Zugang zu den Vergabeunterlagen ist ohne Registrierung vorzusehen. Freiwillige Registrierung ist zulässig (vgl. § 7 III S. 2 UVgO). Fehlt die freiwillige Registrierung bei Abruf der Vergabeunterlagen, so können mögliche spätere Informationen oder Änderungen nicht mitgeteilt werden. Das gilt auch für eventuelle Fristverlängerungen nach § 13 IV UVgO. Anders wird dies dann sein, wenn der Bewerber oder Bieter Auskünfte erbittet. In diesem Fall stehen die erforderlichen Angaben dem Auftraggeber zur Verfügung. Den Unternehmen ist zu empfehlen, sich bei Zugriff auf die Vergabeunterlagen freiwillig zu registrieren, um die Informationen etc. zu erhalten.

Aus Transparenzgründen ist auch in diesem Zusammenhang ein konkretes Datum für die Frist zur Überprüfung der Angebote zu nennen. Sinnvoll ist auch die Angabe der Uhrzeit für den Fristablauf; denn die Abgabezeit sollte innerhalb der üblichen Geschäftszeit liegen. Der Freitag sollte nicht gewählt werden. Bewährt hat sich ein Fristablauf mit der Angabe „Donnerstag, XX. „Monat“ „Jahr“, 14.00 Uhr“. Die Öffnung etc. kann für den folgenden Montag vorgesehen werden, so dass unverschuldet verspätet eingehende Angebote in einem Öffnungstermin behandelt werden können (vgl. § 42 I Nr. 1 UVgO).

 4. Zuschlagsfrist

Zuschlagsfrist des Auftraggebers

Für beide Seiten müssen alle in § 13 UVgO genannten Fristen „angemessen“ sein: Für Teilnahme-, Angebots und Bindefrist ist dies ausdrücklich vorgesehen. Eine Zuschlagsfrist fehlt. Sie sollte aber gleichwohl im internen Ablaufplan vorgesehen sein. Hierbei ist die Zeit zwischen der internen Feststellung der Zuschlagsabsicht unter Berücksichtigung letzter Abstimmungserfordernisse (z. B. Einschaltung der Leitung der Vergabestelle oder eines Gremiums) zu schätzen und im Zeitrahmen zu erfassen.

Die interne Zuschlagsfrist hängt von der Vorgehensweise des Auftraggebers ab. Da die Bieter eine baldige Entscheidung erwarten dürfen und im Übrigen der Ablauf der Bindefrist droht, sollte diese Frist zwar möglichst kurz, aber auch realistisch sein. Sie ist, wie erwähnt, in § 13 I UVgO nicht genannt. Hier hat der Auftraggeber nach Ablauf der Angebotsfrist die Möglichkeit, Zeit durch eine schnelle Abwicklung bis zur Zuschlagsentscheidung zu gewinnen. Der Auftraggeber kann auch sogleich nach Ablauf der Angebotsfrist und nach Prüfung etc. zuschlagen, wenn er die erforderlichen Wertungsschritte vollzogen hat.

 Nicht ideal wäre es, wenn die „interne Zuschlagsfrist“ mit der Bindefrist zusammenfiele. Eine „Pufferzone“ von ein bis zwei Tagen sollte vorgesehen werden; denn bei dem Zuschlag nach Ablauf der Bindefrist handelt es sich um neuen Antrag i. S. d. § 150 I BGB, den der Bieter annehmen „kann“, aber nicht annehmen muss (s. u. Anm. 3.5.). Es sollte auch daran gedacht werden, die Bindefrist mit den in Betracht kommenden Bietern einvernehmlich zu verlängern. Das ist zwar nicht ausdrücklich in § 13 UVgO geregelt, aber wohl zulässig, soweit keine Intransparenz oder Diskriminierung erfolgt (vgl. § 2 I, II UVgO).

Wie bereits in Anm. 1 erörtert. Findet sich in der VgV und der UVgO keine Regelung der Zuschlagsfrist. Die Zuschlagsfrist läuft ab Ablauf der Angebotsfrist für die Öffnung, Prüfung, Nachforderung von Unterlagen, Ausschluss bis zum Zuschlag. Diese „interne“ Frist ist Gegenstand des Zeitrahmens (s. u.). Auch hier die Frist im Einzelfall von den Umständen des konkreten Verfahrens abhängig.

 Einfache Vergabeverfahren dürften in 1 bis 3 Arbeitstagen zu bewältigen sein. Sind größere Verfahren mit mehreren Bietern betroffen, kommen mindestens fünf Arbeitstage und mehr in Betracht. „Reserven“ sind für Verhandlungen, Aufklärungen und Nachforderungen, Wertung und Aufklärung eines besonders niedrigen Preises vorzusehen (vgl. §§ 40 bis 44 UVgO). Wird die interne Zuschlagsfrist überschritten, kommt es vielfach auch zum Überschreiten der Bindefrist (vgl. Anm. 3.

 5. Fristenverstoß und Folgen

Werden Teilnahme- und Angebotsfristen versäumt, so erfolgt Ausschluss nach § 42 I Nr. 1 UVgO. Der Ausschluss ist zwingend. Ausnahmen greifen dann ein, wenn die Fristversäumnis nicht vom Bieter zu vertreten ist. Insoweit ist auf die Ausführungen zu § 41 I UVgO zu verweisen.

 Das Überschreiten der „internen Zuschlagsfrist“ hat selbst keine Wirkung. Allerdings ist der Bieter nach Ablauf der Bindefrist nicht mehr an sein Angebot gebunden. Das Angebot ist i. S. d. §§ 146, 148 BGB erloschen. Der Zuschlag ist verspätet und ist als neuer Antrag nach § 150 I BGB aufzufassen, den der „Bieter“ annehmen kann, aber nicht annehmen muss. Lehnt er die Annahme innerhalb der ihm insofern gesetzten Frist ab oder lässt er diese verstreichen, so kann der Auftraggeber versuchen, den fehlgeschlagenen Zuschlag z. B. dem Bieter auf Rang 2 zu erteilen, falls dieser rechtzeitig annimmt etc. Ob dieser Weg beschritten wird, hängt auch von Fragen der Wirtschaftlichkeit ab. Bestehen unerhebliche Preisunterschiede, so kann dieser Weg gangbar sein.

 Das Vergabeverfahren endet durch Zuschlag oder Aufhebung. Aufhebungsgrund könnte nach § 46 I Nr. 3 UVgO sein, dass „kein wirtschaftliches Ergebnis“ erzielt wurde. Eine vom Auftraggeber zu vertretende Fristversäumnis kann allerdings auch zu einer rechtswidrigen Aufhebung führen (s. insofern § 46 UVgO).

 6. Hinweise für die Berechnung der Fristen - Zeitplan

Der nachfolgende Zeitplan ist grundsätzlich in allen größeren Verfahren zu erstellen. Der entsprechende Zeitaufwand ist in Kalendertagen zu schätzen. Insofern müssen Samstage, Sonn- und Feiertage einschließlich interner Fehltage (Urlaub etc.) außer Betracht bleiben. Ferner dürfen die angesetzten Tage grundsätzlich nicht auf Samstage etc. fallen.

Vorgang

Vorschriften

Zeitpunkt

Kalendertage

Interner „Vorlauf“

 

 

 

Vergabereife

 

18.4.

 

Bekanntmachung

§§ 27, 28 UVgO

20.4.

 

Mit Teilnahmewettbewerb

Teilnahmefrist

§§ 13, 28 II Nr. 10 UVgO

30.4.

10

Ausschluss von Teilnahmeanträgen

§ 42 UVgO

Bis 4.5.

6

Prüfung der Bewerber

§§ 31 – 35 UVgO

Bis 4.5.

 

Auswahl und Aufforderung zur Angebotsabgabe oder Verhandlungen

§ 37 UVgO

Bis 4.5.

 

Tage

 

 

16

Bekanntmachung

Ohne Teilnahmewettbewerb

Angebotsabgabe

§ 13 UVgO

offen

 

Angebotsfrist

§ 13 UVgO

20.5.

16

Öffnung

§ 40 UVgO

22.5.

1

Prüfung

§ 41 I UVgO

23.5.

1

Nachforderung - Aufklärung - Erläuterung

§§ 35 IV, 41 II – V UVgO

24.5.

1

Ausschluss

§ 42 UVgO

25.5.

1

Zuschlagsentscheidung

§ 43 UVgO

26.5.

1

Aufklärung ungewöhnlich niedriger Angebote

§ 44 UVgO

26.5.

1

Zuschlag

§ 44 UVgO

27.5.

1

Interne Zuschlagsfrist

 

27.5.

1

Bindefrist

§ 13 I UVgO

30.5.

3

Tage

 

 

27

 

Gesamter Zeitbedarf mit Teilnahmewettbewerb

43

Bindung der Bieter ab Angebotsfristablauf bzw. Abgabe

27

 

Gesamter Zeitbedarf ohne Teilnahmewettbewerb

27

Bindung der Bieter ab Angebotsfristablauf bzw. Abgabe

27

 Nach dem angenommenen Zeitplan ergibt sich eine Bindung der Bieter von ca. einem Monat. Das ist in aller Regel für die Bieter noch vertretbar, sofern es sich nicht um seltene extreme Fallgestaltungen handelt. Die vorgesehene Bindefrist wird daher für die Bieter regelmäßig „angemessen“ sein.

 

Erläuterungen des Regierungsentwurfs

§ 13 Angemessene Fristsetzung; Pflicht zur Fristverlängerung

  • Absatz 1 Satz 1 übernimmt die Begriffe der Teilnahmefrist, Angebotsfrist und Bindefrist aus § 10 Absatz 1 VOL/A. Im Unterschied zum Oberschwellenbereich sind zwar keine bestimmten Mindestfristen nach Tagen zu wahren; es gilt aber der Grundsatz der angemessenen Fristsetzung.
  • Absatz 1 Satz 2 entspricht im Wesentlichen § 20 Absatz 1 Satz 1 VgV.
  • Gemäß Absatz 2 sind allen Bewerber gleiche Fristen zu setzen.
  • Absatz 3 entspricht § 20 Absatz 2 VgV.
  • Absatz 4 entspricht im Wesentlichen § 20 Absatz 3 VgV.

Auf eine Regelung, wonach die Übermittlung zusätzlicher, wesentlicher Informationen oder wesentliche Änderungen an den Vergabeunterlagen zu einer Fristverlängerung von einer bestimmten Anzahl von Tagen führt, wird verzichtet. Stattdessen ist hier die Frist angemessen zu verlängern, soweit dies erforderlich ist.

 
II. Verlängerung der Bindefrist

Verlängerung der Bindefrist 1) bei drohendem Fristablauf

 

Fristprüfung

Bindefrist

Bindefrist

Ablaufzeitpunkt

00/00/0000

nicht einhaltbar

Verzögerungsgründe:

 

 

Betroffene Bieter 2)

B1

B2

Notwendige Fristverlängerung bis zum

00/00/0000

 

Prüfung durch

Name:

Unterschrift

Anschreiben

Vergabestelle

00

Datum 00

Beschaffungsstelle

00

Fon:

Vergabeverfahren

00

Fax:

Aktenzeichen

00

E-Mail:

Bearbeiter/in

00

 

Ihr Angebot

00

 

Verlängerung der Bindefrist

00

 

Sehr geehrte ...,

wir mussten feststellen, dass die Bindefrist für Ihr Angebot am 00/00/0000 abläuft. Infolge von Verzögerungen bei der Prüfung etc. der eingegangenen Angebote können wir den Zuschlag in der Bindefrist nicht erteilen. Wir dürfen Sie um Verständnis bitten.

Wir schlagen Ihnen vor, die Bindefrist einvernehmlich bis zum 00/00/0000 zu verlängern. Wir dürfen Sie bitten, diese Änderung für Ihr Angebot zu überprüfen. Sofern Sie mit der Verlängerung der Bindefrist bis zum 00/00/0000 einverstanden sind, bitten wir Sie, uns dies bis zum 00/00/0000, 14.00 Uhr, hier eingehend durch nachfolgende Erklärung zu übermitteln.

Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen

Vergabestelle

Beschaffungsstelle

i. A.

Name:

Vorname:

Bearbeiter/in

Unterschrift

Ihre Zustimmungserklärung 2)

An Vergabestelle 00

Fax: 00

E-Mail: 00

Zustimmung zur einvernehmlichen Verlängerung des Bindefrist

Sehr geehrte ...

hiermit stimmen wir der vorgeschlagenen Verlängerung der Bindefrist bis zum 00/000000 uneingeschränkt zu.

Angebot vom 00/00/0000

Auftragnehmer: 00

Name: 00

Vorname: 00

Datum: 00/00/0000

Unterschrift: 00

Kontrolle

Eingang

Datum

Uhrzeit

Bearbeiter/in

 

00/00/0000

00:00

Name: 00

 

 

 

Unterschrift

 

Hinweise

1) Die Bindefrist wird nach § 13 I UVgO festgelegt. Wird der Zuschlag nicht vor Ablauf der Bindefrist nachweisbar erteilt, ist das Angebot des Bieters erloschen und in dem verspäteten Zuschlag ein neuer Antrag zu sehen (§ 150 I BGB).

Der Auftraggeber hat die Rechtzeitigkeit des Zuschlags und damit seine Wirksamkeit zu beweisen. Insofern ist ein sicherer Weg nur darin zu sehen, dass der Auftragnehmer „positiv und nachweisbar reagiert“.

Ist der Zuschlag verspätet, so liegt ein neuer Antrag vor, den der Bieter innerhalb der ihm zu setzenden Annahmefrist annehmen kann, aber nicht annehmen muss (vgl. § 150 I BGB).

Der Zuschlag ist ein uneingeschränktes „Ja“ zum Angebot. Weicht der Zuschlag vom Angebot etc. inhaltlich ab, so ist auch darin ein neuer Antrag zu sehen, den der Bieter innerhalb der ihm zu setzenden Annahmefrist annehmen kann, aber nicht annehmen muss (vgl. § 150 II BGB). Bedenklich sind allerdings erhebliche Änderungen der Vergabeunterlagen bzw. des Angebots durch den Auftraggeber. Das kann Intransparenz, Wettbewerbsverzerrung und Diskriminierung der Mitbieter zur Folge haben.

Lehnt der Bieter die Annahme des neuen Antrags (= Zuschlag) ab, so kann im Einzelfall der rangniedrigere Bieter bezuschlagt werden, wenn dies wirtschaftlich sinnvoll ist und der rangniedrigere Bieter sich einverstanden erklärt.

Lehnt ein Bieter vor Ablauf der Zuschlags- und Bindefrist die Ausführung des Auftrags ab, so liegt darin vergaberechtlich ein Verstoß; denn der Bieter ist an sein Angebot bis zum Ablauf der Bindefrist gebunden. Dem Auftraggeber stehen Schadensersatzansprüche zu (Differenz des Preises zwischen dem Angebot des vertragswidrig handelnden Bieters und dem Bieter auf dem nächsten Rang). Das gilt entsprechend, wenn der Bieter nach wirksamem Zuschlag die Erfüllung des Vertrags verweigert.

Zu allem Bartl/Bartl/Schmitt, UVgO, § 43, Anm. 1.2.

Eine treuwidrige Vereitelung des Zuschlagszugangs oder wahrheitswidriges Bestreiten des rechtzeitigen Zugangs innerhalb der Bindefrist kann Schadensersatzansprüche des rechtsuntreuen Bieters nach §§ 241 II, 311 II, III, 249 BGB zur Folge haben. Voraussetzung ist natürlich ein entsprechender Nachweis.

2) Die Verlängerung der Bindefrist sollte nicht mit allen Bietern vereinbart werden, sondern nur mit den erstrangigen Bietern (Rang 1., 2. und 3.). Das ist ausreichend. Stimmt der jeweilige Bieter der Verlängerung nicht zu, so scheidet er aus dem Wettbewerb aus. Es kann dann auf den rangniedrigeren Bieter zugeschlagen werden, wenn die verlängerte Bindefrist noch nicht abgelaufen ist und das betreffende Angebot noch wirtschaftlich ist. Das wird nur bei Angeboten nicht erheblich unterschiedlichen Preisen der Fall sein.

 



III. früheres Recht bis 2017

Vgl. § 10 I VOL/A
(1) Für die Bearbeitung und Abgabe der Teilnehmeanträge und der angebote sowie fü die Geltung der Angebote sind ausreichende Fristen (Teilnahme-, Angebots- und Bindefristen ) vorzusehen.
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